VwGH Ra 2015/16/0124

VwGHRa 2015/16/012414.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision des S Z in W, vertreten durch Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik, Rechtsanwältin in 1180 Wien, Thimmiggasse 48, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Jänner 2015, Zl. RV/7105030/2014, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §80;
BAO §9;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
BAO §80;
BAO §9;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Unbestritten ist, dass der Revisionswerber in der Zeit vom 23. September 2002 bis 20. April 2005 Geschäftsführer der B Gesellschaft m.b.H. und nach der internen Aufgabenteilung für den Bereich Finanzen zuständig war.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis nahm das Bundesfinanzgericht den Revisionswerber für zeitlich näher aufgegliederte Abgabenschuldigkeiten der genannten Gesellschaft an Umsatzsteuer und Lohnsteuer in den Monaten Dezember 2003 bis Februar 2005 im Gesamtbetrag von EUR 360.797,58 in Anspruch; weiters sprach das Gericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 7. Oktober 2015, E 1833/2015, die Behandlung dieser Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Die vorliegende außerordentliche Revision begründet eingangs ihre Zulässigkeit folgendermaßen:

"Das Bundesfinanzgericht als belangte Behörde hat in seinem Urteil vom 16.01.2015 ... die Beschwerde des Revisionswerbers zur zum Teil Folge gegeben und dabei verkannt, dass es dem Revisionswerber gar nicht möglich war, zu den ihm vorgeschriebenen Haftungszahlungen substantiiert Stellung zu nehmen, weil ihm die entsprechenden Unterlagen während der gesamten Dauer des Verfahrens nicht zugänglich waren - und bis heute nicht zugänglich sind. Diese Unterlagen waren nämlich zunächst nach dem Vorbringen des Revisionswerbers von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und danach gestohlen worden. Dies mag zwar eine Haftung des Revisionswerbers nicht grundsätzlich ausschließen, es tritt aber in einer solchen Situation die amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde in den Vordergrund, die - mit ganz anderen Mitteln ausgestattet als der Revisionswerber - von sich aus Schritte einzuleiten hat, um zu überprüfen, ob der Revisionswerber schuldhaft gehandelt hat. Dies hat die belangte Behörde aber unterlassen.

Darüber hinaus erfolgte im vorliegenden Fall weder im erstinstanzlichen Bescheid noch im angefochtenen Urteil eine hinreichende Aufschlüsselung des Haftungsbeitrages des Revisionswerbers aus der hervorgeht, in welchem Umfang an Dienstnehmer Nettolohn ausbezahlt wurde ohne die Lohnsteuer abzuführen - oder welche Umsätze erzielt wurden ohne dass Umsatzsteuer abgeführt wurde - und die sich daraus ergebende konkrete Berechnung des Haftungsbeitrages. Eine solche Aufschlüsselung ist aber insbesondere im Sinne des VwGH-Erkenntnisses vom 27.04.2011 zur Zahl 2007/08/0081 geboten gewesen. Dem Revisionswerber wurde daher kein Parteiengehör gewährt. Das zitierte VwGH-Erkenntnis hat der Tiroler Gebietskrankenkasse aufgetragen, die vom Revisionswerber angeblich geschuldeten Haftungsbeiträge aufzuschlüsseln und ihm so die geforderten Haftungsbeiträge nachvollziehbar zu machen. Nichts anderes kann jedoch im vorliegenden Fall für das Bundesfinanzgericht als belangte Behörde (bzw. die erstinstanzlichen Behörde) gelten, wobei erschwerend die existenzbedrohende Höhe der dem Revisionswerber vorgeschriebenen Abgabenforderungen hinzukommt.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das angefochtene Urteil der belangten Behörde zulässig, da sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies auch insbesondere, weil das Erkenntnis des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht."

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

Die vorliegende Revision erblickt ihre Zulässigkeit zunächst darin, dem Revisionswerber sei es verwehrt gewesen, zu den Haftungsbeträgen substantiiert Stellung zu nehmen, weil ihm die Unterlagen nicht zugänglich gewesen seien.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2015, 2013/16/0016, mwN).

Vor diesem Hintergrund entbehrt die Behauptung mangelnden Zuganges zu Unterlagen jeglicher Relevanz; dass persönliche Unterlagen beschlagnahmt und in weiterer Folge gestohlen worden seien, hat der Revisionswerber im Haftungsverfahren nicht behauptet.

Soweit die Revision ihre Zulässigkeit weiters darin erblickt, das angefochtene Erkenntnis entbehre einer hinreichenden Aufschlüsselung des Haftungsbetrages, aus der hervorgehe, in welchem Umfang Nettolohn an Dienstnehmer ausbezahlt worden sei, ohne die Lohnsteuer abzuführen, oder welche Umsätze erzielt worden seien, ohne dass Umsatzsteuer abgeführt worden sei, ist zunächst daran zu erinnern, dass den Revisionswerber als Vertreter der Gesellschaft die Obliegenheit traf, selbst Beweisvorsorgen zu treffen.

Weiters ist dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses zu entnehmen, für welchen Kalendermonat welcher Haftungsbetrag für welche Abgabe vorgeschrieben wurde. Die vorliegende Revision zieht die näheren Erwägungen des Gerichts, dass die der gegenständlichen Haftung zugrunde liegenden Selbstbemessungsabgaben von der Gesellschaft durch deren Steuerberater selbst berechnet und der Abgabenbehörde in dieser Höhe gemeldet, jedoch nicht entrichtet seien, gar nicht in Zweifel. Unter Zugrundelegung dessen wäre es dem Revisionswerber als ehemaligem Vertreter der Gesellschaft oblegen, der Richtigkeit der von der Gesellschaft selbst berechneten und gemeldeten Bemessungsgrundlagen substantiiert entgegenzutreten.

Das von der Revision zitierte Erkenntnis vom 27. April 2011, 2007/08/0081, betraf die Frage der Haftung eines Vertreters einer juristischen Person für Dienstgeberbeiträge nach § 67 Abs. 10 ASVG und ist daher auf die revisionsgegenständliche Frage der Haftung nach den §§ 9 und 80 BAO für Umsatzsteuer und Lohnsteuer nicht übertragbar.

Damit wirft die Revision auch in diesem Punkt keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

Die Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 14. März 2016

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