Normen
BAO §114;
BAO §236;
B-VG Art18 Abs1;
VwRallg;
BAO §114;
BAO §236;
B-VG Art18 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit schriftlicher Eingabe vom 21. Juli 2014 beantragte die Revisionswerberin die Nachsicht von Kommunalsteuern in Höhe von 18.473,78 EUR sowie eines Säumniszuschlags und Stundungszinsen.
2 Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 24. September wurde das Nachtsichtbegehren als unbegründet abgewiesen.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht (LVwG) die Beschwerde ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2015, Zahl E 827/2015-4, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.
6 In der nunmehr erhobenen außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu wesentlichen Fragen der Nachsichtgewährung abgewichen. Die Abgabennachforderung habe auf keinem Fehlverhalten des Rechtsvorgängers der Revisionswerberin beruht, weil die unbestimmten Abgrenzungskriterien zwischen Dienstverhältnissen, freien Dienstverhältnissen und Werkvertragsverhältnissen es für den Rechtsanwender im Vorhinein praktisch nicht vorhersehbar machten, wie das Rechtsverhältnis letztlich von Behörden und/oder Gerichten qualifiziert werde. Darüber hinaus sei der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin seitens der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse auf eine entsprechende Anfrage ihres Steuerberaters im Jahre 1998 mitgeteilt worden, dass Speisenzusteller nicht nach dem ASVG pflichtversichert seien. Insofern sei ein schutzwürdiges Vertrauen vorgelegen und habe die Revisionswerberin bzw. deren Rechtsvorgängerin auf die mit dieser Auskunft verbundene Verwaltungsauffassung vertraut und entsprechende Dispositionen getroffen. Indem das LVwG darin keine sachliche Unbilligkeit gesehen habe, sei es von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen.
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Nach § 236 Abs. 2 BAO findet diese Bestimmung auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
12 Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein (§ 1 der zu § 236 BAO ergangenen Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005). Vor dem Verwaltungsgerichtshof steht ausschließlich das Vorliegen sachlicher Unbilligkeit in Streit.
13 Eine sachliche Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH vom 20. Mai 2010, 2006/15/0337) anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. VwGH vom 25. Mai 2016, 2013/15/0213).
14 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine abgabenrechtliche Auswirkung, die ausschließlich Folge eines als generelle Norm mit umfassendem persönlichen Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist, nicht im Einzelfall als Unbilligkeit gewertet und durch Nachsicht behoben werden.
§ 236 BAO soll die Unbilligkeit des Einzelfalles beseitigen. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einhebungseinzelfalles ist dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden (vgl. VwGH vom 25. Mai 2016, 2013/15/0213).
15 Vor diesem Hintergrund kann dem Verwaltungsgericht nicht entgegen getreten werden, wenn es in der im zu Grunde liegenden Abgabenverfahren vorgenommenen Beurteilung eines Vertragsverhältnisses über die Erbringung von Arbeitsleistungen als Dienstverhältnis keine sachliche Unbilligkeit erblickt hat.
16 Soweit die Revisionswerberin die Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben rügt und daraus einen Anspruch auf Abgabennachsicht ableitet, ist ihr zu entgegnen, dass dieser Grundsatz nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung in der Vergangenheit schützt. Vielmehr müssten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Auffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen ließen, wie dies z.B. der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der zuständigen Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wurde und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist vor allem bei unrichtigen Rechtsauskünften der zuständigen Abgabenbehörde zu berücksichtigen (vgl. etwa VwGH vom 10. Februar 2016, 2013/15/0087, sowie vom 24. Juni 2009, 2007/15/0045, mwN).
17 Das Vorliegen unrichtiger Rechtsauskünfte der zuständigen Abgabenbehörde wird in der Revision jedoch nicht einmal behauptet. Die von der Revision ins Treffen geführte Auskunft der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse aus dem Jahr 1998 hat vielmehr allein die Frage der Pflichtversicherung nach dem ASVG vor dem Hintergrund damaliger Sachverhaltsfeststellungen der Gebietskrankenkasse betroffen. Schon in dieser Auskunft war zudem der Hinweis enthalten, dass für Zustellfahrten - abhängig von den jeweiligen Sachverhaltsfeststellungen - auch nach Auffassung der Gebietskrankenkasse sehr wohl auch "abhängige oder freie Dienstverhältnisse vereinbart" werden können. Wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, kommt es bei der Einordnung von Tätigkeiten wie der im Revisionsfall gegenständlichen Tätigkeit als selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätige ganz wesentlich auf den von der zuständigen Behörde jeweils festgestellten Sachverhalt an.
18 Damit kann dem Verwaltungsgericht aber nicht entgegengetreten werden, wenn es aus der von der Revision ins Treffen geführten Auskunft der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse hinsichtlich der Pflichtversicherung nach dem ASVG aus dem Jahr 1998 keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Unbilligkeit iSd § 236 BAO abgeleitet hat.
19 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. September 2016
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