VwGH Ra 2015/08/0216

VwGHRa 2015/08/02167.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. C K, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. Mai 2015, Zl. VGW-041/057/430/2015-7, wegen Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk; mitbeteiligte Partei: Finanzpolizei Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, 1220 Wien), zu Recht erkannt:

Normen

IO §85;
IO §85;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber gemäß § 111 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 ASVG und § 9 Abs. 1 VStG für schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung der G. GmbH nach außen Berufener zu verantworten, dass diese es als Dienstgeberin am 27. Februar 2014 unterlassen habe, drei näher genannte, am 27. Februar 2014 beschäftigte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Über den Revisionswerber wurden drei Geldstrafen von je EUR 770,-- (drei Ersatzfreiheitsstrafen von je 2 Tagen und 2 Stunden) verhängt.

Der Revisionswerber sei vom 9. Oktober 2013 bis 24. März 2014 und somit auch zum Tatzeitpunkt am 27. Februar 2014 Stellvertreter des Insolvenzverwalters der G. GmbH gewesen. In dieser Eigenschaft sei er gemäß § 9 Abs. 1 VStG für den Zeitraum des anhängigen Konkursverfahrens nach außen vertretungsbefugt und verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gewesen. Gemäß § 85 IO seien auf den Stellvertreter die für den Insolvenzverwalter geltenden Bestimmungen anzuwenden. Zum Tatzeitpunkt sei der Revisionswerber "unzweifelhaft als Masseverwalterstellvertreter bezüglich des Konkurses der G. GmbH eingesetzt und als solcher tätig" gewesen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision unter anderem geltend, das Verwaltungsgericht habe nicht aufgezeigt, welche Pflichtverletzungen dem Stellvertreter des Insolvenzverwalters vorzuwerfen seien und wie sich dessen Verschulden gestalte. Den Insolvenzverwalterstellvertreter treffe nur dann eine Tätigkeitspflicht, wenn der Insolvenzverwalter verhindert sei. Das Verwaltungsgericht habe nicht festgestellt, dass der Insolvenzverwalter verhindert gewesen wäre.

Die Revision ist zulässig und berechtigt:

Gemäß § 85 IO kann aus Zweckmäßigkeitsgründen ein Stellvertreter des Insolvenzverwalters bestellt werden, der ihn im Fall der Verhinderung zu vertreten hat. Auf den Stellvertreter sind die für den Insolvenzverwalter geltenden Bestimmungen anzuwenden.

Voraussetzung für das Tätigwerden des Stellvertreters ist die Verhinderung des Insolvenzverwalters. Das Vorliegen einer solchen Verhinderung haben grundsätzlich der Stellvertreter und der Insolvenzverwalter zu beurteilen. Im Streitfall entscheidet das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsichtspflicht. Nur wenn der Insolvenzverwalter verhindert ist, darf der Insolvenzverwalterstellvertreter tätig werden. Eine Aufteilung der Agenden auf den Insolvenzverwalter und den Insolvenzverwalterstellvertreter aus Zweckmäßigkeitsgründen ist demnach ebenso unzulässig wie die Bestellung mehrerer Insolvenzverwalter. Eine Verhinderung des Insolvenzverwalters liegt z.B. bei dessen Krankheit oder sonstiger Abwesenheit (insbesondere wegen eines Erholungsurlaubs) vor. Ist der Insolvenzverwalterstellvertreter verpflichtet, tätig zu werden, so sind auf ihn gemäß § 85 IO die für den Insolvenzverwalter geltenden Bestimmungen anzuwenden (vgl. Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, Rn 3ff zu § 85, sowie OGH 16. September 1959, 5 Ob 431/59).

Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Insolvenzverwalter (im vorliegenden Fall der ebenfalls mit einer Verwaltungsstrafe belegte Mag. W.) zum Zeitpunkt der gegenständlichen Meldepflichtverletzungen verhindert gewesen wäre und sohin den Revisionswerber ein Verschulden an der unterlassenen Anmeldung treffen könnte.

Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Der begehrte Ersatz von Schriftsatzaufwand war dem Revisionswerber nicht zuzusprechen, weil er als Rechtsanwalt in eigener Sache eingeschritten ist (vgl. den hg. Beschluss vom 9. Juli 2015, Fr 2015/08/0008, mwN). Es war sohin lediglich ein Ersatz für die Eingabengebühr gemäß § 24a Z 1 VwGG in Höhe von EUR 240,-- zuzusprechen.

Wien, am 7. April 2016

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