VwGH Ra 2015/08/0145

VwGHRa 2015/08/014514.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Neunkirchen in 2620 Neunkirchen, Dr. Stockhammergasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2015, W141 2108709-1/3E, betreffend Neubemessung der Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: M S in T), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §14 Abs1;
VwGVG 2014 §15 Abs1;
VwGVG 2014 §15;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28 Abs4;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwGVG 2014 §9 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015080145.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 20. Februar 2015 stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Neunkirchen (AMS) den Bezug der Notstandshilfe durch die Mitbeteiligte ab 1. Oktober 2014 mangels Notlage ein. Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.

2 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19. Mai 2015 gab das AMS der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde der Mitbeteiligten teilweise Folge und änderte den Bescheid dahin ab, dass es der Mitbeteiligten auf Grund einer Neubemessung von 1. Oktober 2014 bis 31. März 2015 Notstandshilfe in näher genannter Höhe zuerkannte. Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, der Beschwerde werde "stattgegeben". Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Zur Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht zu den seiner Entscheidung zugrundeliegenden Feststellungen auf den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt und zur "Beweiswürdigung" auf den "Akteninhalt".

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben. Zur Zulässigkeit der Revision führt die Revisionswerberin zusammengefasst aus, ein Vorlageantrag richte sich gegen die Beschwerdevorentscheidung, die an Stelle des Ausgangsbescheides getreten sei. Dem werde der Spruch des Bundesverwaltungsgerichts insoweit nicht gerecht, als darin lediglich der Beschwerde gegen den Bescheid vom 20. Februar 2015 Folge gegeben werde, nicht aber ausgesprochen werde, ob der Ausgangsbescheid bzw. die Beschwerdevorentscheidung behoben würden. Das Erkenntnis sei damit auch in sich widersprüchlich.

Die mitbeteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet. 5 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dem Verhältnis zwischen Ausgangsbescheid und Beschwerdevorentscheidung und den sich daraus ergebenden Folgen für die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte im Fall eines Vorlageantrages in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 2015, Ro 2015/08/0026, ausführlich auseinander gesetzt und - soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung - ausgeführt, dass durch die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid endgültig derogiert wird. Das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt aber im Fall eines zulässigen Vorlageantrages dennoch die Beschwerde. Der Vorlageantrag richtet sich nach dem VwGVG nämlich (nur) darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird. Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die - außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde - an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung. In Fällen, in denen die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid (teilweise) berechtigt war, ist der Beschwerde vom Verwaltungsgericht (teilweise) stattzugeben; eine Beschwerdevorentscheidung, die der Beschwerde ebenfalls im gebotenen Umfang stattgegeben hat und den Ausgangsbescheid - im Rahmen des durch die Beschwerde abgesteckten Verfahrensgegenstandes - rechtskonform abgeändert oder behoben hat, ist zu bestätigen, eine rechtswidrige - den Ausgangsbescheid entweder bestätigende oder in rechtswidriger (etwa nicht weit genug gehender) Weise abändernde - Beschwerdevorentscheidung ist ihrerseits abzuändern (das heißt: durch ein rechtmäßiges Erkenntnis zu ersetzen) oder gegebenenfalls - wenn eine Entscheidung in der betreffenden Sache gar nicht hätte ergehen dürfen - ersatzlos zu beheben. Will das Verwaltungsgericht die Sache an die Behörde zurückverweisen, so ist die in der Sache ergangene Beschwerdevorentscheidung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz oder Abs. 4 VwGVG aufzuheben.

6 Mit dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wurde der Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid Folge gegeben und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Beschwerde (zumindest teilweise) berechtigt war, auf die Beschwerdevorentscheidung, mit der der Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid teilweise Folge gegeben und der Ausgangsbescheid abgeändert worden war, jedoch nicht Bezug genommen. Damit lässt der Spruch aber nicht erkennen, ob die Beschwerdevorentscheidung bestätigt oder abgeändert wird, bzw. ob diese aufgehoben und die Sache zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen wird.

7 Der Spruch ist daher unvollständig geblieben. Dies führt zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Ra 2016/09/0012, mwN).

8 Darüber hinaus ist auch die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses derart mangelhaft, dass auch dies zur Aufhebung zu führen hat.

9 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens wiederstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 2015, Ra 2015/20/0067, und vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076, jeweils mwN).

10 Das angefochtene Erkenntnis genügt diesen Anforderungen nicht. Die Feststellungen gehen über einen Verweis auf den von der belangten Behörde angenommenen "maßgeblichen Sachverhalt" nicht hinaus. Zur Beweiswürdigung enthält das Erkenntnis nur einen Hinweis auf den "Akteninhalt". Die Ausführungen zur Berechnung der Notstandshilfe, die sich zum Punkt "Beweiswürdigung" finden, sind inhaltlich der rechtlichen Beurteilung zuzuweisen, während die "rechtliche Beurteilung" sich in einer bloßen Wiedergabe des Gesetzestextes ohne Bezug zum konkreten Fall erschöpft.

11 Das Erkenntnis war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 14. September 2016

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