VwGH Ra 2015/08/0142

VwGHRa 2015/08/01422.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des H K in Y, vertreten durch Dr. Alexander Kaufmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13/1, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2015, Zl. W156 2108808- 2/3E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde betreffend die Zurückweisung eines Antrags auf Zuerkennung der Alterspension nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs3;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §31 Abs1;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §26;
ZustG §7;
AVG §45 Abs3;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §31 Abs1;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §26;
ZustG §7;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2 Mit dem - dem Revisionswerber ohne Zustellnachweis in der Türkei zugestellten - Bescheid vom 8. April 2015 hat die belangte Behörde dessen Antrag vom 10. Dezember 2014 auf Gewährung einer Alterspension gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

3 Mit Schreiben vom 5. Juni 2015 erhob der Revisionswerber gegen diesen Zurückweisungsbeschluss Beschwerde an das Verwaltungsgericht, die am 17. Juni 2015 bei der belangten Behörde eingelangte und mit Schreiben vom 22. Juni 2015 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde.

4 Mit dem am 7. Juli 2015 zugestellten Schreiben vom 25. Juni 2015 forderte das Verwaltungsgericht den Revisionswerber auf, zu der sich aus der Aktenlage ergebenden Verspätung seiner Beschwerde Stellung zu nehmen. Der Revisionswerber hat keine Stellungnahme abgegeben.

5 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen. Der ohne Zustellnachweis zugestellte Bescheid vom 8. April 2015 sei dem Revisionswerber nach dem in der Türkei üblichen Postweg in der Dauer zwischen fünf und zwölf Tagen zugegangen. Bei einer Abfertigung des angefochtenen Bescheides mit 9. April 2015 sei von einer Zustellung spätestens am 21. April 2015 auszugehen. Die vierwöchige Beschwerdefrist habe (spätestens) am 22. April 2014 zu laufen begonnen und (spätestens) am Freitag, dem 20. Mai 2015 geendet. Die mit 17. Juni 2015 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde sei um (mindestens) 16 Tage verspätet eingebracht.

6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Annahme der erfolgten Zustellung stehe in Widerspruch zur Vermutungsregelung des § 26 Abs. 2 Zustellgesetz und zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Vermutung würde nur gelten, wenn keine Zweifel an der Zustellung innerhalb von drei Tagen bestanden hätten. Das Verwaltungsgericht habe die Folgen zu tragen, dass es einer Bestreitung der Zustellung nicht wirksam entgegen treten könne. Hier habe es selbst Zweifel an der Zustellung innerhalb der "Vermutungsfrist" des § 26 Abs. 2 Zustellgesetz gehabt.

7 § 11 Abs. 1 ZustellG ordnet an, dass Zustellungen im Ausland nach den dort verwiesenen Bestimmungen vorzunehmen sind. Daraus ist zu entnehmen, dass der - einen Teil des Abschnittes 1. "Allgemeine Bestimmungen" bildende - § 11 Abs. 1 ZustellG Abweichungen von den Anordnungen des zweiten Abschnittes des ZustellG hinsichtlich der "Physischen Zustellung" für den Fall anordnet, dass die "physische" Zustellung eben nicht im Inland, sondern im Ausland vorzunehmen ist. Damit ist auf den vorliegenden Fall zwar nicht der dem zweiten Abschnitt des Zustellgesetzes zugehörige § 26, jedoch der die Heilung von Zustellmängeln betreffende, zum ersten Abschnitt zählende § 7 Zustellgesetz anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2011, Zl. 2009/17/0185, mwN).

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustellG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Vor der Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet ist das Verwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine nach dem Akteninhalt offenkundige Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Unterlässt es dies und geht es von einer Versäumung der Rechtsmittelfrist aus, ohne dies dem Rechtsmittelwerber vorgehalten zu haben, hat es das Risiko einer Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2013, Zl. 2013/08/0032).

Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht dem Revisonswerber die Verspätung vorgehalten. Dieser hat trotz ausdrücklicher Gelegenheit zur Stellungnahme iSd genannten hg. Erkenntnisses das tatsächliche Zukommen des Zustellstücks weder im Hinblick auf den Vorgang als solchen noch im Hinblick auf dessen Zeitpunkt bestritten. Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht von einem tatsächlichen Zukommen spätestens am 21. April 2015 (und von einer durch Heilung des Zustellvorgangs mit diesem Zeitpunkt) ausgegangen. Die Behauptung eines späteren tatsächlichen Zukommens in der Revision stellt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar.

8 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. Mai 2016

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