VwGH Ra 2015/01/0208

VwGHRa 2015/01/020815.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des M G in M, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2015, Zl. W124 2107629-1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §3;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs7;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 6. November 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den das BFA in weiterer Folge nicht entschied. Mit dem am 19. Februar 2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) eingelangten Schriftsatz erhob der Revisionswerber Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in Folge: BVwG) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das BFA.

2 Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogenen Erkenntnis vom 21. September 2015 beauftragte das BVwG das BFA gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG, den versäumten Bescheid "unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des BVwG binnen acht Wochen zu erlassen" (A.). Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (B.).

3 Gegen das angeführte Erkenntnis des BVwG richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung insbesondere vorgebracht wird, das BVwG sei von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es der belangten Behörde zwar einen Auftrag gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG erteilt, jedoch keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen darlegt habe, unter deren Zugrundelegung die Behörde einen Bescheid zu erlassen habe. Dadurch habe es das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

4 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich im Wesentlichen den Revisionsausführungen anschloss.

 

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

7 Im gegenständlichen Verfahren sind die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, idF BGBl. I Nr. 82/2015 - maßgebend. Dessen § 28 lautet auszugsweise:

"Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(...)

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

(...)"

8 § 28 Abs. 7 VwGVG sieht im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit vor, dass sich das Verwaltungsgericht auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückverweisen kann, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes innerhalb einer Frist von maximal acht Wochen nachzuholen. Durch diese gesetzliche Regelung wird dem Verwaltungsgericht die Wahlmöglichkeit eingeräumt, im Falle einer zulässigen Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit in der Angelegenheit unter den näher bestimmten Voraussetzungen wieder auf die Behörde zu übertragen. Eine maßgebliche Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass das Verwaltungsgericht darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 2014, Ra 2014/22/0106, und vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0144).

9 Diesem Erfordernis ist das Bundesverwaltungsgericht nicht nachgekommen, weil es keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt, sondern - ohne die im konkreten Fall zu lösenden Rechtsfragen zu entscheiden - der Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen hat. In seiner Begründung beschränkt sich das gegenständliche Erkenntnis im Wesentlichen auf allgemeine Ausführungen zum Flüchtlingsbegriff, zum Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie zur Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen. Damit wird dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 7 VwGVG, nämlich der Behörde eine Entscheidung in den einzelnen (und daher fallbezogen) maßgeblichen Rechtsfragen vorzugeben, jedoch nicht entsprochen (vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse vom 16. Dezember 2014 und vom 10. November 2015). Diese Entscheidung hat im Spruch des Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. zu § 42 Abs. 4 VwGG aF etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2009/10/0160).

10 Da das BVwG dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 15. März 2016

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