VwGH Ra 2015/01/0179

VwGHRa 2015/01/017911.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der Dr. G B in V, vertreten durch Estermann & Partner Rechtsanwälte OG in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 26. Mai 2015, Zl. LVwG-780027/20/MB, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, den Beschluss gefasst:

Normen

SPG 1991 §19;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015010179.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 26. Mai 2015 wurde die Beschwerde der Revisionswerberin wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Polizeiinspektion V am 26. September 2014 in Form des "- sich gewaltsamen Zutrittverschaffens zum Grundstück durch:

das Überklettern des Gartenzaunes und

das Öffnen der Schlösser durch einen Schlüsseldienst und - Festhaltens gegen den Willen der (Revisionswerberin) bis

zum Eintreffen des Gemeindearztes (...)"

nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen (I.), der Kostenersatzantrag der Revisionswerberin abgewiesen und die Revisionswerberin zur Leistung eines näher bezeichneten Aufwandersatzes verpflichtet (II.), sowie die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt (III.). Hierzu führte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung zusammengefasst aus, sowohl das Überspringen des Zaunes der Revisionswerberin und das Betreten deren Grundstückes durch die einschreitenden Polizeibeamten, als auch das Öffnen des Schlosses der Tür im Untergeschoss des Hauses und der Gartentür der Revisionwerberin fänden Deckung im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) insbesondere in § 19 und seien daher rechtmäßig gewesen. Es sei in der Folge gemeinsam mit der Revisionswerberin auf das Eintreffen des Gemeindearztes gewartet worden; hierbei sei die Revisionswerberin von den Polizeibeamten nicht berührt worden, auch eine Vorführung habe nicht stattgefunden. Aufgrund der näher dargestellten Umstände des Falles sei der Schluss der Polizisten im Sinne einer ex-ante Betrachtung, es könne ernstlich eine Selbstgefährdung der Revisionswerberin bevorstehen, nachvollziehbar und naheliegend.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die gegenständliche Revision bringt zur Frage ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe die Feststellung unterlassen, dass die Revisionswerberin im Rahmen ihres Notrufes mitgeteilt habe, dass sie keine Selbstmordabsichten habe; die Meldung des Mitarbeiters des BLS sei der belangten Behörde zuzurechnen. Die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht ende gegenüber jedem Gefährdeten, der weitere Hilfe ablehne. Es habe keine Berechtigung der Beamten bestanden, den Zaun zum Grundstück der Revisionwerberin zu überklettern und "gewaltsam" Schlösser zu öffnen, bzw. die Revisionswerberin bis zum Eintreffen des Gemeindearztes festzuhalten. Die in die Abwägung des Verwaltungsgerichtes einfließenden Erwägungen hinsichtlich des Verhaltens der Revisionswerberin vor den einschreitenden Beamten hätten außer Betracht zu bleiben gehabt, da bereits das Ersteinschreiten der Beamten gesetzwidrig erfolgt sei. Zur Kostenentscheidung liege keine gesicherte Judikatur vor und es handle sich "hier auch um eine Frage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung".

6 Mit diesen Zulässigkeitsausführungen wird für den gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt:

7 Aufgrund der durch das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - getroffenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis lagen zum Zeitpunkt des Einschreitens der an den verfahrensgegenständlichen Amtshandlungen beteiligten Polizeibeamten Tatsachen vor, die im Sinne einer exante-Betrachtung den Schluss zuließen, es bestehe die Möglichkeit einer bevorstehenden Selbstgefährdung der Revisionswerberin. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes in diesem Zusammenhang, dass die beteiligten Polizeibeamten zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt das Vorliegen des Tatbestandes der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht gemäß § 19 SPG anzunehmen hatten, ist nicht zu beanstanden; dass das Verhalten der Beamten im Zusammenhang mit einer der Sicherheitsverwaltung zuzuzählenden Amtshandlung stattfand, wurde durch das Verwaltungsgericht aufgrund der diesem nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vorliegenden Beweisergebnisse vertretbar festgestellt (vgl. zum Vorgehen nach § 19 SPG zur Abklärung einer allfälligen Selbstmordgefahr das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2002, 2000/01/0210; vgl. weiters zur Frage der gebotenen ex-ante-Betrachtung im Zusammenhang mit der Beurteilung von Maßnahmenbeschwerden z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1999, 98/01/0096, vom 29. Juni 2000, 96/01/1071, vom 17. September 2002, 99/01/0172, oder vom 15. März 2012, 2012/01/0004).

8 Zur Überprüfung von Fragen der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof - als Rechtsinstanz - im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2014/01/0187, mwN). Dass ein derartiger krasser Fehler der Beweiswürdigung unterlaufen wäre, wird in den alleine maßgeblichen Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision nicht dargelegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2016, Ra 2015/01/0037, mwN).

9 Wenn die Revision außerdem in ihrer Zulässigkeitsbegründung vorbringt, "zur Kostenentscheidung" liege keine gesicherte Judikatur vor, bzw. es handle sich "hier auch um eine Frage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung", so legt sie damit nicht offen, welche konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung über die Revision in diesem Zusammenhang zu lösen hätte (vgl. für viele z. B. den hg. Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/01/0147, mwN).

10 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Oktober 2016

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