VwGH Ro 2014/13/0036

VwGHRo 2014/13/003624.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision der A GmbH in B, vertreten durch die Europa Treuhand Wirtschaftsprüfungs- und SteuerberatungsgmbH in 4020 Linz, Europaplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 5. März 2014, Zl. RV/7100276/2009, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2006, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §28 Abs2;
UStG 1972 §12 Abs10;
UStG 1994 §12 Abs10;
EStG 1972 §28 Abs2;
UStG 1972 §12 Abs10;
UStG 1994 §12 Abs10;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2005 38 bestehende Aufzugssysteme in 13 großen Mietobjekten eines in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaftsareals sanieren ließ. Dabei wurden mit einem Gesamtaufwand von etwa EUR 600.000,-- vor allem Leichtbaukabinen sowie Notrufsysteme geliefert und eingebaut und Mängel behoben. Die Arbeiten schlossen u. a. Erneuerungen von Fangkorbgleitachsen, Seilen, Antrieben, Dichtsätzen und Seilschlössern ein.

2 Im Jahr 2006 verkaufte die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin die Objekte, wobei der Umsatz nicht als steuerpflichtig (vgl. § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a i.V.m. § 6 Abs. 2 UStG 1994) behandelt wurde.

3 Streitpunkt des Verfahrens ist die Frage, ob die Sanierung der Liftanlagen eine Großreparatur im Sinne des § 12 Abs. 10 UStG 1994 war, sodass der steuerfreie Verkauf der Objekte im Jahr 2006 zu einer auf die Sanierungskosten bezogenen Vorsteuerberichtigung zu führen hatte.

4 Das Finanzamt nahm im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung eine solche Vorsteuerberichtigung vor. Die dagegen (noch als Berufung) eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende - vom Bundesfinanzgericht im Hinblick auf das Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Großreparatur" zugelassene - Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

6 § 12 Abs. 10 UStG 1994 lautet in der hier noch maßgeblichen Fassung vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22:

"(10) Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier Kalenderjahren die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren (Abs. 3), so ist für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen.

Dies gilt sinngemäß für Vorsteuerbeträge, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aktivierungspflichtige Aufwendungen oder bei Gebäuden auch auf Kosten von Großreparaturen entfallen, wobei der Berichtigungszeitraum vom Beginn des Kalenderjahres an zu laufen beginnt, das dem Jahr folgt, in dem die diesen Kosten und Aufwendungen zugrunde liegenden Leistungen im Zusammenhang mit dem Anlagevermögen erstmals in Verwendung genommen worden sind.

Bei Grundstücken im Sinne des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) tritt an die Stelle des Zeitraumes von vier Kalenderjahren ein solcher von neun Kalenderjahren.

Bei der Berichtigung, die jeweils für das Jahr der Änderung zu erfolgen hat, ist für jedes Jahr der Änderung von einem Fünftel, bei Grundstücken (einschließlich der aktivierungspflichtigen Aufwendungen und der Kosten von Großreparaturen) von einem Zehntel der gesamten auf den Gegenstand, die Aufwendungen oder Kosten entfallenden Vorsteuer auszugehen; im Falle der Lieferung ist die Berichtigung für den restlichen Berichtigungszeitraum spätestens in der letzten Voranmeldung des Veranlagungszeitraumes vorzunehmen, in dem die Lieferung erfolgte."

7 Die Einbeziehung der "nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten", "aktivierungspflichtigen Aufwendungen" sowie - bei Gebäuden - der "Kosten von Großreparaturen" erfolgte durch das Abgabenänderungsgesetz 1980, BGBl. Nr. 563. Verwendet wurden dabei Begriffe aus dem Ertragsteuerrecht, das nach damaliger Rechtslage in § 28 Abs. 2 EStG 1972 auch den im EStG 1988 nicht mehr vorkommenden Begriff der "Großreparatur" kannte.

8 Die in § 28 Abs. 2 EStG 1972 normierte antragsgebundene Verteilung von Aufwendungen, "die für die Erhaltung von Gebäuden aufgewendet werden und die nicht regelmäßig jährlich erwachsen (Großreparaturen)," auf mehrere Jahre fand sich schon im EStG 1953 und ging auf das Steueränderungsgesetz 1950, BGBl. Nr. 101, zurück. Nach der Regierungsvorlage zu diesem Gesetz sollte sie "den Bestimmungen des geltenden Mietenrechtes Rechnung" tragen (119 BlgNR 6. GP 9).

9 Gemeint war damit - wie zuletzt von Doralt, RdW 2013, 574, näher erörtert - die in § 7 Mietengesetz geregelte Möglichkeit, zur Finanzierung von "unbedingt notwendigen Erhaltungsauslagen" (in der Stammfassung von 1922) und später von "zur ordnungsmäßigen Erhaltung des Hauses erforderlichen Auslagen" (seit dem Mietrechtsänderungsgesetz, BGBl. Nr. 281/1967) Mietzinse zu erhöhen. Bei Beschlussfassung des Abgabenänderungsgesetzes 1980 lag die Regierungsvorlage zum Mietrechtsgesetz vor, nach der sich die Nachfolgeregelung auf "Kosten einer vom Vermieter durchzuführenden, unmittelbar heranstehenden größeren Erhaltungs- oder notwendigen Verbesserungsarbeit" beziehen sollte (425 BlgNR 15. GP 8). Gesetz wurde sie schließlich in § 18 Mietrechtsgesetz für "Kosten einer vom Vermieter durchzuführenden, unmittelbar heranstehenden größeren Erhaltungsarbeit".

10 Die Bedachtnahme im Einkommensteuerrecht auf diese - im Detail Entwicklungen unterworfene - mietrechtliche Situation verfolgte vor allem den Zweck, die aus der Mietzinserhöhung entstehenden Mehreinnahmen mit den zugrunde liegenden Ausgaben zusammenzuführen. Darüber hinaus war sie auch ein Ersatz für das Fehlen eines Verlustvortrags im außerbetrieblichen Bereich und ein Mittel zur Vermeidung von Progressionsschwankungen (vgl. Doralt, a.a.O.).

11 Die Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 1980, das den einkommensteuerrechtlichen Begriff in das Umsatzsteuerrecht übernahm, enthielten u. a. folgende Ausführungen zu § 12 Abs. 10 UStG 1972 (457 BlgNR 15. GP 27):

"§ 12 Abs. 10 sieht bei einer Änderung der Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgebend sind und die sich in den auf das Jahr der Anschaffung oder Herstellung eines Gegenstandes folgenden Kalenderjahren ergeben, eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges vor. Die Berichtigung dient dazu, den Vorsteuerabzug, der sich grundsätzlich nach den Verhältnissen des Kalenderjahres richtet, in dem die Vorsteuern angefallen sind, so zu berichtigen, daß er den Verhältnissen entspricht, die sich für den gesamten Berichtigungszeitraum von 5 bzw. 10 Kalenderjahren ergeben. Durch diese einen Vorsteuerausgleich herbeiführende Berichtigung sollen einerseits ungerechtfertigte Steuervorteile oder Steuerumgehungen hintangehalten werden, die sich durch eine nachträgliche Änderung des Verwendungszweckes ergeben könnten, andererseits aber auch steuerliche Nachteile für den Unternehmer vermieden werden, die aus einer solchen nachträglichen Änderung der Verwendung von Gegenständen für Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, entstehen könnten.

Die vorgesehene Änderung des § 12 Abs. 10 sieht eine sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung auch hinsichtlich jener Vorsteuern vor, die auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aktivierungspflichtige Aufwendungen oder auf die Kosten von vorgenommenen Großreparaturen bei Gebäuden entfallen. Dadurch soll der Zielsetzung dieser Bestimmung in umfassenderer Weise entsprochen und eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges bei ins Gewicht fallenden Anschaffungen vermieden werden."

12 Im Bereich des Einkommensteuerrechts, aus dem er stammte, hatte der Begriff der "Großreparatur", wie von Doralt, a. a.O., dargelegt, nicht die Funktion einer strengen Voraussetzung. Er zielte dort nicht auf das Vorliegen einer auf einen "Schaden" bezogenen "Reparatur" im Unterschied zu notwendigen "Renovierungen" ab (vgl. Doralt, a.a.O.: Ermöglichung von "Renovierungen von Mietgebäuden"), und an die Größe der "Großreparatur" wurden keine besonderen Anforderungen gestellt. Doralt ist weiters beizupflichten, dass die Legaldefinition in § 28 Abs. 2 EStG 1972 (Aufwendungen zur Erhaltung von Gebäuden, die "nicht regelmäßig jährlich erwachsen") ohne zusätzliche Bedachtnahme auf den Wortteil "Groß" nicht brauchbar sein konnte, wobei für die Anwendung im Umsatzsteuerrecht auch zu beachten ist, dass das Abstellen auf ein regelmäßig "jährliches" Erwachsen mit dem Zweck der Bestimmung im Einkommensteuerrecht, nämlich der Verteilung auf mehr als ein Jahr, zusammenhing.

13 Als strenge Voraussetzung konnte vor diesem Hintergrund auch die Übernahme des Begriffes in das Umsatzsteuerrecht nicht gemeint sein. Sie sollte der ungerechtfertigten Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges "in umfassenderer Weise" entgegenwirken, wobei über die Bedeutung des Wortteils "Groß" hinaus die Zusammenfassung mit nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie aktivierungspflichtigen Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt eines "ins Gewicht fallenden" Aufwandes auf dessen Höhe Bezug nahm.

14 Eine "Großreparatur" im Sinne des § 12 Abs. 10 UStG 1994 ist demnach ein nicht aktivierungspflichtiger (zum Berichtigungszeitpunkt nicht vollständig verbrauchter) Aufwand, der nicht "regelmäßig" erwächst und von dem sich sagen lässt, er falle "ins Gewicht". Dass dies auf die hier zu beurteilende umfassende Sanierung von Aufzugsanlagen zutrifft, ist auch dann zu bejahen, wenn der Aufwand, wie die Revision darlegt, in Relation zum "gesamten Anschaffungswert" der Mietobjekte nur etwa 2% (pro Objekt durchschnittlich EUR 47.774,--) betrug.

15 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz für die vom Finanzamt erstattete Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. November 2016

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