Normen
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
B-VG Art130 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheiden vom 8. November 2012 schrieb der Stadtmagistrat Innsbruck (in Folge: Behörde erster Instanz) den beschwerdeführenden Parteien für den Bauplatz Nr 182/2 KG XXX nach den Bestimmungen des Tiroler
Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes 2011 (TVAAG 2011) einen Erschließungsbeitrag in der Höhe von EUR 8.131,30 sowie einen Gehsteigbeitrag in der Höhe von EUR 4.051,58 vor. Begründend wurde jeweils ausgeführt, mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck vom 10. November 2011 sei den beschwerdeführenden Parteien die Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses erteilt worden; für dieses bereits begonnene Bauvorhaben seien die Beiträge vorzuschreiben gewesen.
2 Gegen diese Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien jeweils Berufung und führten darin gleichlautend aus, sie hätten mit Kaufvertrag vom 1. Oktober 2010 eine Teilfläche von 353 m2 des Grundstücks 182/1, KG xxx von der Familie K erworben. Diese Liegenschaft sei schon vor ihrem Erwerb ein genehmigter Bauplatz gewesen. Für das Einfamilienhaus als auch für die genehmigte Büroeinheit auf diesem Bauplatz seien der Familie K bereits Erschließungsabgaben vorgeschrieben und von dieser auch entrichtet worden. Die beschwerdeführenden Parteien hätten ihren Rechtsvorgängern anlässlich des Grundstückserwerbs (samt des darauf im Bau befindlichen Gebäudes) die anteiligen Erschließungskosten ersetzt. Die Zusammenlegung des Kaufgegenstandes mit dem Grundstück der beschwerdeführenden Parteien Nr 180/2 sei erst 2012 auf ausdrücklichen Wunsch der Landeshauptstadt Innsbruck erfolgt. Die beschwerdeführenden Parteien hätten der Baubehörde diverse Planänderungen sowie die Nutzung der Büroeinheit als Wohnfläche angezeigt. Es habe sich die Baumasse in Summe um 40 m3 vergrößert.
Durch die neuerliche Vorschreibung des Erschließungsbeitrages sowie des Gehsteigbeitrages käme es zu einer unzulässigen Doppelvorschreibung für das Bauvorhaben am Kaufgegenstand. Die Abgabenbehörde wäre nur berechtigt gewesen, für die Vergrößerung der Baumasse Abgaben vorzuschreiben.
3 Mit Berufungsvorentscheidung vom 22. Februar 2013 gab die Behörde erster Instanz den Berufungen keine Folge. Es sei zutreffend, dass für die mit Baubescheid vom 18. März 2010 bewilligten Baumaßnahmen der Familie K hinsichtlich des ursprünglichen Grundstücks Nr 182/1 Anliegerabgaben vorgeschrieben und von dieser auch entrichtet worden seien. Das (den beschwerdeführenden Parteien) mit Baubescheid vom 10. November 2011 nunmehr als Wohnhaus genehmigte Gebäude sei aber ursprünglich als im nördlichen Teil des Grundstücks gelegener "Gartengeräteraum, Lager/Archiv und Kellerraum/Lager" vorgesehen gewesen. Nach Auskunft der zuständigen Baubehörde sei die Bauplatzneubildung im Sinne der bewilligten Grenzänderung unabdingbare Voraussetzung für die Erlassung des Baubescheids vom 10. November 2011 gewesen; dieser Baubescheid liege wiederum der gegenständlichen Abgabenvorschreibung zu Grunde. Dies sei im Baubescheid vom 10. November 2011 dadurch zum Ausdruck gebracht worden, dass die Baubewilligung nur unter der aufschiebenden Bedingung der grundbücherlichen Eintragung der Grenzänderung erteilt worden sei. Die Anliegerabgaben seien bauplatzbezogen vorzuschreiben; dies sei mit den (mit Berufung bekämpften) Abgabenbescheiden bezüglich des neugebildeten Grundstücks Nr 182/2 erfolgt. Daran ändere auch der Einwand, beim Bauvorhaben der beschwerdeführenden Parteien handle es sich lediglich um eine Tektur des ursprünglichen Bauvorhabens der Familie K, nichts, da die Abgabenbehörde beim Bauprojekt der beschwerdeführenden Parteien von einem aliud ausgehe; dies ua aus dem Grund, da das nunmehrige Wohnhaus lagemäßig um ca 5 m nach Nordwesten verschoben worden sei. Zur behaupteten Doppelvorschreibung sei festzuhalten, dass der geänderten Bauplatzsituation insoweit Rechnung getragen worden sei, als die ursprünglichen Vorschreibungen an die Familie K mit Bescheiden vom 17. Dezember 2012 gemäß § 295a BAO rechtskräftig abgeändert worden seien. Hinsichtlich etwaiger privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen den beschwerdeführenden Parteien und der Familie K komme der Behörde erster Instanz keine Kompetenz zu.
4 Die beschwerdeführenden Parteien beantragten die Vorlage ihrer Berufungen und erstatteten dabei ein ausführliches Vorbringen.
5 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet ab. Nach der Wiedergabe des Verfahrensganges verwies sie auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung und führte ergänzend aus, dass die erstmalige Vorschreibung der Anliegerabgaben an die Rechtsvorgänger der beschwerdeführenden Parteien mit Bescheid vom 10. Jänner 2011 auf dem Baubescheid vom 18. März 2010 basiert habe. Mit diesem sei die Bewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses samt Doppelgarage erteilt worden. Mit Baubescheid vom 5. Mai 2011 seien diverse Änderungen zum ersten Baubescheid bewilligt worden. Ursächlich für diesen zweiten Baubescheid sei ua die zwischenzeitlich durchgeführte Grundteilung gewesen, in der die ursprünglichen Grundstücke Nr 182 und 182/1 in die neuen Grundstücke Nr 182/1 und 182/2 aufgeteilt worden seien. Bereits in diesem zweiten Baubescheid vom 5. Mai 2011 sei ausgeführt worden, dass sich das ursprünglich als Lager- und Kellerräume gewidmete Gebäude nunmehr auf dem Grundstück 182/2 befinde und nicht Gegenstand des "bezogenen Bauverfahrens" sei. Dies habe die Erlassung der Änderungsbescheide vom 17. Dezember 2012 gemäß § 295a BAO bedingt. Der Vorwurf der Doppelbesteuerung gehe ins Leere. Grundlage für das gegenständliche Abgabenverfahren sei der an die beschwerdeführenden Parteien adressierte Baubescheid vom 10. November 2011, mit dem das besagte Gebäude hinsichtlich seiner Nutzung als auch seiner Lage geändert worden sei. Die Baubewilligung sei darin unter der aufschiebenden Bedingung der grundbücherlichen Eintragung der bescheidmäßig bewilligten Grenzänderung erteilt worden. Das neu zu errichtende Wohnhaus sei lagemäßig um ca fünf Meter von der ursprünglichen Lage nach Nordwesten verschoben worden. Es handle sich um ein "aliud" zu dem vormals am Bauplatz aufgeführten Gebäude und somit um einen bewilligungspflichtigen Neubau iSd § 20 Abs 1 lit a TBO 2011. Hinsichtlich etwaiger privater Absprachen zwischen den beschwerdeführenden Parteien und deren Rechtsvorgängern seien diese auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
6 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die beschwerdeführenden Parteien beantragen, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
10 Gemäß § 7 Abs 1 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011, LGBl Nr 58/2011 idF LGBl Nr 150/2012 (in Folge: TVAAG 2011), werden die Gemeinden ermächtigt, im Fall des Neubaus eines Gebäudes oder der Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse vergrößert wird, einen Erschließungsbeitrag zu erheben.
11 Abgabenschuldner des Erschließungsbeitrages ist gemäß § 8 Abs 1 TVAAG 2011 (außer im Falle des Bauens auf fremdem Grund) der Eigentümer des Bauplatzes, auf dem der Neubau errichtet wird, oder das Gebäude, dessen Baumasse vergrößert wird, besteht.
12 Gemäß § 12 Abs 1 TVAAG 2011 entsteht der Abgabenanspruch hinsichtlich des Erschließungsbeitrages bei bewilligungspflichtigen Bauvorhaben mit dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung. Bei diesen als auch bei anzeigepflichtigen Bauvorhaben ist der Erschließungsbeitrag gemäß § 12 Abs 3 leg cit nach dem Baubeginn vorzuschreiben.
13 § 19 Abs 1 lit a TVAAG 2011 ermächtigt die Gemeinden, im Fall eines Neubaus eines Gebäudes oder der Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse vergrößert wird, einen Gehsteigbeitrag zu erheben.
§ 19 Abs 1 lit b TVAAG 2011 ermächtigt die Gemeinden zur Erhebung eines Gehsteigbeitrages, wenn ein Bauplatz, auf dem ein Gebäude bereits besteht und für den nicht bereits ein Gehsteigbeitrag oder ein Kostenersatz nach § 68 der Bauordnung der Landeshauptstadt Innsbruck entrichtet wurde, unmittelbar oder über eine rechtlich gesicherte Verbindung durch eine Verkehrsfläche, auf der ein zeitgemäßer Gehsteig noch nicht errichtet wurde, erschlossen ist.
14 Abgabenschuldner des Gehsteigbeitrages ist gemäß § 20 Abs 1 TVAAG 2011 im Falle des § 19 Abs 1 lit a leg cit der Eigentümer des Bauplatzes, auf dem der Neubau errichtet wird oder das Gebäude, dessen Baumasse vergrößert wird, besteht (lit a) bzw im Falle des § 19 Abs 1 lit b leg cit der Eigentümer des Bauplatzes, auf dem das Gebäude besteht (lit b).
15 Gemäß § 22 Abs 1 lit a leg cit entsteht der Abgabenanspruch hinsichtlich des Gehsteigbeitrages bei bewilligungspflichtigen Bauvorhaben mit Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung.
16 Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zur Prüfung von ihm vorgelegten Verwaltungsakten, sondern zur Prüfung des letztinstanzlichen Bescheides berufen. Eine solche Gesetzmäßigkeitsprüfung kann der Verwaltungsgerichtshof nur vornehmen, wenn ein angefochtener Bescheid in seiner Begründung die Beurteilung des Vorliegens der geltend gemachten Rechtsverletzung ermöglicht. Lässt die Begründung eines angefochtenen Bescheides eine solche Beurteilung nicht zu, dann führt ein solcher Begründungsmangel gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zwangsläufig schon aus diesem Grund (vgl VwGH vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).
17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die nach § 93 Abs 3 lit a BAO gebotene Begründung eines Abgabenbescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde (Feststellungen), aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt (Beweiswürdigung) und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (rechtliche Beurteilung). Ohne hinreichende Darstellung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes ist eine Gesetzmäßigkeitskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof mangels Nachvollziehbarkeit nicht möglich (vgl ua VwGH vom 11. September 2015, 2012/17/0310). Dieser Anforderung wird nicht etwa mit der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens einschließlich des Vorbringens des Abgabepflichtigen entsprochen. Mit der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung als dem zentralen Begründungselement eines Bescheides ist vielmehr die Anführung jenes Sachverhaltes, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt, gemeint (vgl ua VwGH vom 26. November 2015, 2012/15/0023).
18 Der angefochtene Bescheid wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Er enthält keine zusammenhängende Darstellung des der Abgabenvorschreibung zu Grunde gelegten Sachverhalts in Form behördlicher Feststellungen. Vielmehr erschöpft sich der angefochtene Bescheid in der bruchstückhaften Wiedergabe von Sachverhaltselementen, die aber nicht sämtliche für die Beurteilung des Bestehens einer Abgabenschuld wesentlichen Tatsachen umfassen. So ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, welche Tatsachenannahmen die belangte Behörde ihrer rechtlichen Schlussfolgerung, es liege ein Neubau und nicht eine sonstige Baumassenvergrößerung (iSd § 7 Abs 1 bzw § 19 Abs 1 TVAAG 2011) vor, zugrunde gelegt hat. Es gibt auch keine Feststellungen dahingehend, ob es sich überhaupt um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben gehandelt hat, ob und wann die Baubewilligung in Rechtskraft erwachsen ist bzw wann mit der Durchführung des Bauvorhabens begonnen wurde (§§ 12 und 22 TVAAG 2011). Dem angefochtenen Bescheid ist auch nicht zu entnehmen, wer in den genannten Zeitpunkten Eigentümer des Grundstücksteils, auf den sich das Bauvorhaben der beschwerdeführenden Parteien bezieht, gewesen ist. Diese Feststellungen sind aber unerlässlich, um die Erfüllung des Abgabentatbestandes, den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches und die Person des bzw der Abgabenschuldner zu bestimmen. Darüber hinaus fehlen auch nachvollziehbare Feststellungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen.
19 Auch der Verweis auf die Berufungsvorentscheidung vom 22. Februar 2013 vermag die fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen, enthält dieser doch ebenfalls lediglich bruchstückhafte Feststellungen (zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit eines Verweises auf die Berufungsvorentscheidung vgl VwGH vom 22. Dezember 2004, 2000/15/0205).
20 Da sich der angefochtene Bescheid einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof als nicht zugänglich erweist, war er schon aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde einzugehen war.
21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.
Wien, am 18. Mai 2016
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