VwGH 2013/13/0001

VwGH2013/13/000127.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des Mag. H in X, vertreten durch die Treuhand - Salzburg GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 5020 Salzburg, Kleßheimer Allee 47, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 20. November 2012, Zl. RV/2668-W/10, betreffend Einkommensteuer 2007, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §67 Abs3;
EStG 1988 §67 Abs8 lita idF 2002/I/100;
EStG §67 Abs3;
EStG 1988 §67 Abs8 lita idF 2002/I/100;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. November 2009 wurde der Beschwerdeführer erklärungsgemäß zur Einkommensteuer für das Streitjahr 2007 veranlagt.

Mit Schreiben vom 4. März 2010 setzte das Betriebsstättenfinanzamt des ehemaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers dessen Wohnsitzfinanzamt davon in Kenntnis, dass dem Beschwerdeführer mit "Gerichtsurteil" des Arbeits- und Sozialgerichts vom 6. Juni 2007 eine "Abfertigung" in Höhe von EUR 36.000,-- "brutto" zugesprochen worden sei. Der Beschwerdeführer habe zunächst EUR 373.697,72 klagsweise geltend macht. Dieser Betrag habe sich laut Klagsschrift aus ausstehenden Gehältern, Sachbezug, aliquoten Sonderzahlungen, Gewinnbeteiligungen, Abfertigung und betrieblicher Pensionsversicherung zusammengesetzt. Aufgrund des abgeschlossenen Vergleichs habe der ehemalige Arbeitgeber von dem als "Abfertigung" bezeichneten Betrag 6% Lohnsteuer einbehalten und dem Beschwerdeführer im Juni 2007 einen Betrag von EUR 33.840,-- ausbezahlt. Ein entsprechender Lohnzettel sei dem Finanzamt jedoch nicht übermittelt worden. Im Zuge einer Nachschau beim ehemaligen Arbeitgeber des Beschwerdeführers sei festgestellt worden, dass nur 12,64% (EUR 4.500,40) der Vergleichssumme auf die Abfertigung, ein Fünftel des Gesamtbetrags auf sonstige steuerfreie Bezüge und 2,02% (EUR 727,20) auf den Versicherungsbeitrag für die betriebliche Pension entfielen. Der Restbetrag (EUR 24.577,92) sei als steuerpflichtiger Bezug der Lohnsteuer zu unterwerfen. Ein entsprechender Lohnzettel sei vom Finanzamt erstellt und in der Lohnzetteldatenbank angemerkt worden.

Nach Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO setzte das Wohnsitzfinanzamt des Beschwerdeführers die Einkommensteuer für das Jahr 2007 unter Berücksichtigung des vom Betriebsstättenfinanzamt des ehemaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers erstellten Lohnzettels mit EUR 5.293,39 fest.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe mit seinem ehemaligen Arbeitgeber im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs die Auszahlung einer "gesetzlichen Abfertigung (alt)" in Höhe von EUR 36.000,-- abzüglich 6% Lohnsteuer gemäß § 67 Abs. 3 bis 8 EStG 1988 vereinbart. Zum Beweis dafür legte der Beschwerdeführer der Berufung den zwischen ihm und seinem ehemaligen Arbeitgeber abgeschlossenen Vergleich bei. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

"1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, aus den einvernehmlich am 11.5.2005 beendeten Dienstverhältnissen,

a) dem Erstkläger (Anm: der Beschwerdeführer) EUR 36.000,-- brutto

b) dem Zweitkläger (...) EUR 40.000,-- brutto

jeweils an Abfertigung binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit des Vergleiches zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen.

2. Durch diesen Vergleich sind sämtliche zwischen den Parteien allfällig bestehenden Ansprüche und Forderungen bereinigt und verglichen."

Weiters legte der Beschwerdeführer einen Lohnzettel seines ehemaligen Arbeitgebers datiert mit 18. Oktober 2007 vor, in dem der Betrag in Höhe von EUR 36.000,-- als "Bezüge gemäß § 67 Abs. 3 bis 8" mit dem festen Steuersatz von 6% ausgewiesen war, sowie einen ihn begünstigenden Überweisungsbeleg mit dem Betrag von EUR 33.840,--, auf dem als Verwendungszweck: "Vergleichsbetrag netto (Abfertigung abzüglich Lohnsteuer)" angeführt war.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 5. Mai 2010 wies das Finanzamt die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Eine (nochmalige) Überprüfung durch das Betriebsstättenfinanzamt des ehemaligen Arbeitgebers habe ergeben, dass der dem bekämpften Bescheid zugrunde liegende Lohnzettel richtig sei. Bei einem Vergleich, der geringer als der geforderte Betrag in der Klagsschrift ausfalle, werde eine prozentuelle Aufteilung der in der Klagsschrift geforderten Entschädigungen z.B. Abfertigung, Kündigungsentschädigung usw. durchgeführt. Die Vergleichssumme könne in diesem Fall nicht nur aus einer steuerlich begünstigten Abfertigung bestehen.

Im Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, aus Punkt 8 lit. a der Klagsschrift sei eindeutig ersichtlich, dass der Beschwerdeführer einen Abfertigungsanspruch in Höhe von EUR 47.221,-- gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber geltend gemacht habe. Es stehe den Vertragsparteien frei, begünstigte Entgelte bis zur strittigen Höhe zu begleichen und auf nicht begünstigte Gehaltsbestandteile zu verzichten. Ohne ausdrückliche Widmung sei ein pauschaler Vergleichsbetrag den zuletzt strittigen Forderungen anteilig zuzuordnen. Im Rahmen des Vergleichs sei die Auszahlung einer gesetzlichen Abfertigung (alt) in Höhe von EUR 36.000,-- vereinbart worden. Da dieser Betrag unter dem strittigen bzw. klagsgegenständlichen Ausmaß der Abfertigung in Höhe von EUR 47.221,-- liege, sei der gesamte Vergleichsbetrag dem begünstigten Lohnsteuersatz von 6% zu unterwerfen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei eine begünstigte Besteuerung der Vergleichssumme als Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1988 nur dann zulässig, wenn eindeutig erkennbar sei, in welchem Ausmaß die Vergleichssumme auf einen derartigen Betrag entfalle. Die Aussage in einem Vergleich, wonach es sich bei einer Zahlung um eine Abfertigung handle, genüge nicht, wenn dies nicht dem wahren wirtschaftlichen Gehalt entspreche. Zwar werde im Vergleich der Betrag in Höhe von EUR 36.000,-- als Abfertigung bezeichnet, jedoch sei dort auch festgehalten, dass damit sämtliche zwischen den Parteien allfällig bestehende Ansprüche und Forderungen bereinigt und verglichen seien. In der Vergleichsausfertigung sei damit nicht eindeutig klar gelegt worden, dass es sich bei dem zugesprochenen Betrag tatsächlich um eine gesetzliche Abfertigung (alt) handle. Da der Beschwerdeführer neben der Abfertigung auch andere Gehaltsbestandteile eingeklagt habe und die Vergleichsausfertigung keinen Hinweis darauf enthalte, dass die Forderungen auf die Abfertigung eingeschränkt worden seien, ergebe sich, dass mit der Zahlung strittige Ansprüche aller Art ("sämtliche" Ansprüche und Forderungen) abgegolten werden sollten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in der Beschwerde durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Gewährung der Lohnsteuerbegünstigung des § 67 Abs. 3 EStG 1988 für den im Rahmen eines Vergleichs ausgezahlten Abfertigungsbetrag von EUR 36.000,-- verletzt.

Nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 71/2003) wird die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, so berechnet, dass die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrags angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes des Abs. 1 niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigung nach dieser Bestimmung.

Nach § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 100/2002) sind auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der dem Beschwerdeführer aufgrund eines zwischen ihm und seinem ehemaligen Arbeitgeber abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs zustehende Betrag zur Gänze der begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 unterliegt.

Aus § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 folgt, dass eine gesetzliche Abfertigung auch dann nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 zu versteuern ist, wenn ein solcher Bezug von einem Vergleich umfasst ist. Dies setzt voraus, dass erkennbar ist, in welchem Ausmaß eine Vergleichssumme auf einen derartigen Anspruch entfällt. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Gegenstand des Verfahrens nur ein derartiger Anspruch war, oder wenn von mehreren Ansprüchen durch (Teil‑)Vergleich ein solcher Anspruch verglichen werden soll, während die übrigen Ansprüche strittig bleiben, oder wenn in sonst erkennbarer Weise im Vergleich erklärt wird, welcher von mehreren Ansprüchen mit welchem Betrag verglichen werden soll (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juli 1995, 92/15/0104, VwSlg. 7021/F).

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zur Auffassung gelangt, die Vergleichssumme sei nur aliquot - nämlich im Verhältnis des klagsweise geltend gemachten Abfertigungsanspruchs zur gesamten Forderung laut Klagschrift - der begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 zu unterwerfen, so kann dem nicht gefolgt werden. Wie in der Beschwerde zu Recht ausgeführt wird, wurde im abgeschlossenen Vergleich der gesamte Betrag in Höhe von EUR 36.000,-- ausdrücklich als "Abfertigung" bezeichnet. Auch der ehemalige Arbeitgeber hat, was durch Vorlage des Lohnzettels und des Überweisungsbelegs vom Beschwerdeführer dargetan wurde, die Vergleichssumme als solche behandelt. Zwar ist der belangten Behörde zuzustimmen, wonach die bloße Bezeichnung der Vergleichssumme als "Abfertigung" für die Inanspruchnahme der begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 nicht genügt, wenn dies nicht dem wahren wirtschaftlichen Gehalt entspricht (vgl. insoweit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1986, 85/14/0162, VwSlg. 6101/F). Jedoch lässt alleine die Formulierung im Vergleich, wonach mit diesem sämtliche Forderungen und Ansprüche bereinigt und verglichen seien, einen solchen Rückschluss nicht zu, wenn - wie im Beschwerdefall unstrittig - der Beschwerdeführer nach einvernehmlicher Beendigung des Dienstverhältnisses neben einer Reihe weiterer Ansprüche auch einen die Vergleichssumme betragsmäßig übersteigenden Abfertigungsanspruch im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1988 gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber klagsweise geltend gemacht hat.

Mit der Annahme, dass die Vergleichssumme nur aliquot - nämlich im Verhältnis des klagsweise geltend gemachten Abfertigungsanspruchs zur gesamten Forderung laut Klagsschrift - der begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 zu unterwerfen ist, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 27. Jänner 2016

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