VwGH 2013/06/0037

VwGH2013/06/003714.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der C D in H, vertreten durch die Gratl & Anker Rechtsanwaltspartnerschaft in 6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 4, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 10. Jänner 2013, Zl. I-Präs- 00824e/2012, betreffend Bauauftrag und Feststellung nach § 39 Abs. 5 TBO 2011 (weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 2001 §19 lita;
BauO Tir 2011 §2 Abs16;
BauO Tir 2011 §2 Abs9;
BauO Tir 2011 §21 Abs1 lita;
BauO Tir 2011 §21 Abs2 lita;
BauO Tir 2011 §39 Abs1;
BauO Tir 2011 §39 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauO Tir 2001 §19 lita;
BauO Tir 2011 §2 Abs16;
BauO Tir 2011 §2 Abs9;
BauO Tir 2011 §21 Abs1 lita;
BauO Tir 2011 §21 Abs2 lita;
BauO Tir 2011 §39 Abs1;
BauO Tir 2011 §39 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung der Beschwerdeführerin gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 4. September 2012 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Für das verfahrensgegenständliche Grundstück der Beschwerdeführerin (Anwesen Ing. S-Straße 21) gilt der am 7. Juli 2010 in Kraft getretene ergänzende Bebauungsplan HA-B13/1. Des Weiteren wurden örtliche Bauvorschriften gemäß § 19 TBO 2001 verordnet, die ebenso am 7. Juli 2010 in Kraft getreten sind.

2 Mit Bescheid des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 4. September 2012 wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der baulichen Anlage im Anwesen Ing. S-Straße 21 gemäß § 39 Abs. 1 TBO 2011 die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes binnen einer Frist von 2 Monaten ab Rechtkraft dieses Bescheides aufgetragen (Spruchpunkt I.).

3 Des Weiteren wurde gemäß § 39 Abs. 5 TBO 2011 festgestellt, dass der nachträglichen Erteilung der Baubewilligung ein Abweisungsgrund nach § 27 Abs. 3 leg. cit. entgegenstehe, die Baubewilligung somit zu versagen wäre (Spruchpunkt II.).

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin vom 21. September 2012 wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. Jänner 2013 als unbegründet abgewiesen. Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 23. Jänner 2012 die Baubewilligung für diverse bauliche Änderungen an der Anlage im Anwesen Ing. S-Straße 21 erteilt worden. In der Folge sei baupolizeilich festgestellt worden, dass die bewilligten Änderungen nicht gemäß dem Bewilligungsbescheid vom 23. Jänner 2012 ausgeführt worden seien. Der Balkon im Süden sei nicht wie bewilligt in Form zweier Einzelplatten (Anmerkung: zwei kleine offene Balkone mit 1,50 m Tiefe und jeweils 2,10 m2 Nutzfläche), sondern entgegen der Bewilligung als durchgehende Platte mit einer Länge von 4,80 m ausgeführt worden; dies werde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

5 Im erstinstanzlichen Bewilligungsverfahren für diverse Änderungen an der baulichen Anlage im Anwesen Ing. S-Straße 21, im Zuge dessen der gegenständliche Balkon bewilligt worden sei, sei seitens der Magistratsabteilung III, Stadtplanung, festgestellt worden, dass ein durchgehender Balkon mit einer Länge von 4,80 m den örtlichen Bauvorschriften widerspreche. Die Stadtplanung habe dazu in ihrer Stellungnahme vom 5. September 2011 wie folgt ausgeführt:

"Mit dem Planaustausch vom 29. Juni 2011 wurde in Abänderung ein zusätzlicher Balkon mit einer Einzellänge von 4,80 m im Obergeschoss eingereicht. Dieser Balkon widerspricht aufgrund seiner eingereichten Größenordnung den örtlichen Bauvorschriften, wonach die Einzellänge von untergeordneten Bauteilen, die vor die zulässige Gebäudekontur ragen, 2,50 m nicht überschreiten darf. Der eingereichte Balkon ist entsprechend auf die Länge von 2,50 Meter zu reduzieren."

Aufgrund dieser Stellungnahme sei von der Beschwerdeführerin eine neuerliche Planänderung vorgenommen worden, die mit dem angeführten Bescheid vom 23. Jänner 2012 bewilligt worden sei.

6 Der Umbau von Gebäuden stelle nach § 21 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 9 TBO 2011 eine bewilligungspflichtige Maßnahme dar. Dabei verstehe man unter dem Begriff "Umbau" eine bauliche Änderung eines Gebäudes, durch die dessen Außenmaße nicht geändert würden und die geeignet sei, die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, die Brandsicherheit oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wesentlich zu berühren. Gegenständlich werde durch die geänderte Ausführung des Balkons jedenfalls das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wesentlich berührt. Außerdem sei die Maßnahme geeignet, die mechanische Festigkeit und Standsicherheit des Gebäudes zu beeinflussen, weshalb die Änderung der Balkonausführung eine bewilligungspflichtige Baumaßnahme darstelle. Im Übrigen wäre auch das Vorliegen eines offensichtlichen Untersagungsgrundes für die Ausführung eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens nach § 27 Abs. 3 TBO 2011 mittels Bescheides gemäß § 39 Abs. 5 TBO 2011 festzustellen.

7 Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmungen der örtlichen Bauvorschriften betreffend untergeordnete Bauteile handle es sich lediglich um eine beispielsweise Aufzählung ("untergeordnete Bauteile, wie..."). Der Begriff "untergeordnete Bauteile" sei nach den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Verordnung betreffend die örtlichen Bauvorschriften (Inkrafttreten 7. Juli 2010) auszulegen. Die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Definition des Begriffes "untergeordneter Bauteil" in § 2 Abs. 16 TBO 2001 bestimme (u.a.), dass offene Balkone untergeordnete Bauteile seien. Es könne gegenständlich dahingestellt bleiben, ob der Balkon in der Form als durchgehende Einzelplatte aufgrund seiner Dimensionierung im Verhältnis zum übrigen Gebäude noch als untergeordneter Bauteil zu betrachten sei oder nicht. Würde man nämlich den gegenständlichen durchgehenden Balkon nicht als untergeordneten Bauteil im Sinne dieser Bestimmung interpretieren, so wäre dessen Errichtung ohnehin unzulässig, weil er über die im Bebauungsplan bestimmte zulässige Gebäudekontur hinausgehe. Über die verordnete zulässige Gebäudekontur hinausgehend dürften nur untergeordnete Bauteile errichtet werden. Die untergeordneten Bauteile wiederum müssten den in den örtlichen Bauvorschriften beschriebenen Merkmalen entsprechen. Da der gegenständliche Balkon in der derzeitigen, nicht bescheidgemäßen Ausführung in einer durchgehenden Länge von 4,80 m diesen Merkmalen nicht entspreche, sei er in dieser Form weder als untergeordneter noch als nicht untergeordneter Bauteil zulässig.

8 Es sei nicht zielführend, aus dem baulichen Bestand auf anderen Liegenschaften Rückschlüsse auf die Sinnhaftigkeit der Bestimmungen in den örtlichen Bauvorschriften bzw. im Bebauungsplan zu ziehen. Sowohl der gegenständliche Bebauungsplan als auch die örtlichen Bauvorschriften seien am 7. Juli 2010 in Kraft getreten und könnten daher nur auf Bauvorhaben Anwendung finden, die nach diesem Datum baurechtlich bewilligt worden seien.

9 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

10 Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Zurück-, in eventu die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

13 Im Beschwerdefall ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung der belangten Behörde (9. Jänner 2013) folgende Rechtslage von Bedeutung:

Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) idF LGBl. Nr. 57/2011

(auszugsweise):

"§ 2

Begriffsbestimmungen

...

(9) Umbau ist die bauliche Änderung eines Gebäudes, durch die dessen Außenmaße nicht geändert werden und die geeignet ist, die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, die Brandsicherheit oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wesentlich zu berühren.

...

(16) Untergeordnete Bauteile sind Vordächer, Dachkapfer, Fänge, Windfänge, Freitreppen, offene Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte offene Schutzdächer sowie an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen, Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen.

...

§ 21

Bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige Bauvorhaben,

Ausnahmen

(1) Einer Baubewilligung bedürfen, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt:

  1. a) der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden;
  2. b) die sonstige Änderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden;

    ...

(2) Die sonstige Änderung von Gebäuden sowie die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen sind, sofern sie nicht nach Abs. 1 lit. b oder e einer Baubewilligung bedürfen, der Behörde anzuzeigen. Jedenfalls sind der Behörde anzuzeigen:

c) die Anbringung und Änderung von untergeordneten Bauteilen und von Balkonverglasungen bei bestehenden baulichen Anlagen;

...

(3) Weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürfen:

...

§ 27

Baubewilligung

...

(3) Das Bauansuchen ist ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn bereits aufgrund des Ansuchens offenkundig ist, dass

d) das Bauvorhaben,

2. außer im Fall von Gebäuden im Sinn des § 1 Abs. 3 lit. d dem Flächenwidmungsplan,

3. einem Bebauungsplan, Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 hinsichtlich der Bebauung oder

4. örtlichen Bauvorschriften

widerspricht oder

...

§ 39

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen. Wurde eine solche bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufzutragen. Dies gilt auch, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung bzw. Bauanzeige ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige erforderlich wäre. Ist die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage stattdessen deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.

(2) Abs. 1 gilt auch, wenn die Ausführung eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens untersagt wurde.

...

(5) Ist anlässlich der Erteilung des Auftrages nach Abs. 1 offenkundig, dass der nachträglichen Erteilung der Baubewilligung für ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ein Abweisungsgrund nach § 27 Abs. 3 bzw. der Ausführung eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens ein dieser Bestimmung entsprechender Untersagungsgrund entgegenstehen würde, so hat die Behörde dies, sofern die Baubewilligung nicht bereits versagt bzw. die Ausführung des Bauvorhabens nicht bereits untersagt wurde, in einem mit der Erteilung des Auftrages festzustellen. Eine solche Feststellung ist einer Versagung der Baubewilligung bzw. der Untersagung der Ausführung des Bauvorhabens gleichzuhalten.

..."

14 Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, das vom Leitsatz des Bebauungsplanes verordnete charakteristische Erscheinungsbild der Siedlung werde durch den ausgeführten Balkon in einer Länge von 4,80 m jedenfalls nicht berührt. Es gebe unzählige Gebäude in dieser Siedlungsgegend, welche ähnliche Balkone oder Bauteile aufwiesen, sodass das errichtete Gebäude mit dem Balkon von einer Länge von 4,80 m jedenfalls in das charakteristische Erscheinungsbild der Siedlung passe. Die Ausführungen der Berufungsbehörde, dass auf die Gestaltung von baulichen Anlagen vor Erlassung des Bebauungsplanes keine Rücksicht genommen werden könne, seien in Bezug auf die vom Bebauungsplan gewählte Formulierung unrichtig. Tatsächlich schreibe der Bebauungsplan vor, dass das charakteristische Erscheinungsbild der Siedlung gewahrt bzw. weitergeführt werde. Dies lasse nur die Interpretation zu, dass das Erscheinungsbild auch älterer, vor Erlassung des Bebauungsplanes errichteter baulicher Anlagen die Charakteristika der Siedlung bilde. Gerade dieses Erscheinungsbild solle mit dem Bebauungsplan gewahrt bleiben und werde durch die derzeitige Ausführung nicht berührt.

15 Selbst wenn man die im Bebauungsplan (gemeint wohl: in den örtlichen Bauvorschriften) angeführte Bestimmung betreffend "untergeordnete Bauteile" als demonstrative Aufzählung ansehe, müsse doch die gesamte Bestimmung zur Interpretation herangezogen werden, insbesondere die darauffolgenden technischen Ausführungen. Dies könne bei näherer Betrachtung, insbesondere im Zusammenhang mit dem vorhergehenden Punkt "Gebäude", nur die Interpretation zulassen, dass die Behörde bei Erlassung des Bebauungsplanes gerade nicht sämtliche untergeordnete Bauteile der Tiroler Bauordnung den technischen Einschränkungen (Ausmaß, Länge...) unterwerfen, sondern deren Anwendung auf bestimmte Bauteile einschränken habe wollen und zum besseren Verständnis beispielhaft betroffene untergeordnete Bauteile anführe. Die angeführten untergeordneten Bauteile hätten gemeinsam, dass sie allesamt überdacht und in das Gebäude "integriert" bzw. eingebunden seien. Entsprechend seien die Voraussetzungen dafür auch in den nachfolgenden technischen Beschreibungen formuliert. Insbesondere hätten Balkone kein Dach und entspräche die Ausbildung von mehreren Balkonen, wovon jeder nicht länger als 2,50 m betragen dürfe, gerade nicht dem charakteristischen Erscheinungsbild der Siedlung. Außerdem seien Balkone nicht wie Erker, Dachkapfer oder Windfänge in das Gebäude "integriert" und eingebunden oder umschlossen.

16 Gemäß § 39 Abs. 1 dritter Satz TBO 2011 hat die Behörde dann, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung bzw. Bauanzeige ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbständigen Vornahme eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige erforderlich wäre, dem Eigentümer der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung bzw. Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufzutragen.

17 Die Ansicht der Baubehörden, die verfahrensgegenständliche von der Baubewilligung mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 23. Jänner 2012 abweichende Ausführung des Balkons stelle eine Änderung der baulichen Anlage dar, zu deren selbständigen Vornahme eine Baubewilligung oder eine Bauanzeige erforderlich wäre, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen:

Eine Änderung dergestalt, dass ein Balkon mit einer Länge von 4,80 m und (nach der unstrittigen Aktenlage) einer Tiefe von 1,50 m statt zweier kleiner Balkone mit jeweils 1,50 m Tiefe und 2,10 m2 Nutzfläche errichtet wird, ist schon deshalb bewilligungspflichtig nach § 21 Abs. 1 lit. a TBO 2011, weil sie geeignet ist, das äußere Erscheinungsbild wesentlich zu berühren (§ 2 Abs. 9 leg. cit.). Auch wenn man davon ausginge, dass gegenständlicher Balkon ein untergeordneter Bauteil nach § 2 Abs. 16 TBO 2011 sei, was dahingestellt bleiben kann (vgl. hierzu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Zl. 2013/06/0234, wonach ein Bauteil nicht schon deshalb, weil er in § 2 Abs. 16 TBO 2011 genannt ist, ohne Rücksicht auf seine Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk jedenfalls als "untergeordneter Bauteil" anzusehen und auch auf das Verhältnis zum restlichen Bauwerk Bedacht zu nehmen ist), wäre jedenfalls eine Bauanzeige nach § 21 Abs. 2 lit. a TBO 2011 erforderlich. Da aber nach der unbestrittenen Aktenlage eine Baubewilligung (bzw. eine Bauanzeige) nicht vorliegt, erfolgte der diesbezügliche Bauauftrag zu Recht.

18 Die Beschwerdeführerin ist aber mit ihrem Vorbringen im Recht, die Bestimmung betreffend untergeordnete Bauteile in den örtlichen Bauvorschriften beziehe sich nicht auf sämtliche untergeordnete Bauteile, vielmehr nur auf bestimmte überdachte Bauteile.

19 In den gemäß § 19 lit. a TBO 2001 gegenständlich verordneten örtlichen Bauvorschriften heißt es unter der Überschrift "Untergeordnete Bauteile":

"Über die zulässigen Baukörper hinaus sind untergeordnete Bauteile, wie am Terrain beginnende bzw. über die Traufe hinausführende Erker sowie Dachkapfer, Windfänge und Kombinationen davon, zulässig, wenn sie im Verhältnis zum Baukörper untergeordnet und insgesamt maßstäblich gestaltet sind. Sie sind so auszubilden, dass deren Dach die maximale Dachhöhe des Hauptkörpers unterschreitet. Zudem sind sie von den Gebäudekanten des Einzelhauses mindestens 1,50 m zurückzusetzen. Die Einzellänge darf 2,50 m, die Summe der Einzellängen 40% der jeweiligen Baukörperlänge nicht überschreiten."

20 Ein offener Balkon wie gegenständlich hat im Gegensatz zu den angeführten Bauteilen jedenfalls kein Dach. Vor diesem Hintergrund kann mit dieser Bestimmung in den örtlichen Bauvorschriften ein solcher nicht gemeint sein (arg. "Sie sind so auszubilden, dass deren Dach die maximale Dachhöhe des Hauptbaukörpers unterschreitet"). Daran ändert auch nichts, dass ein offener Balkon zweifellos (bei Vorliegen der Voraussetzungen) ein untergeordneter Bauteil im Sinne des § 2 Abs. 16 TBO 2011 sein kann.

21 Nach Ansicht der belangten Behörde entspricht der verfahrensgegenständliche offene Balkon - unter der Annahme, er sei ein untergeordneter Bauteil - nicht den in den örtlichen Bauvorschriften normierten Bestimmungen. Unter der Annahme, er sei kein untergeordneter Bauteil, sei er nicht zulässig, weil über die verordnete zulässige Gebäudekontur hinausgehend nur untergeordnete Bauteile errichtet werden dürften. Dem kann nicht gefolgt werden, weil - wie dargelegt - offene Balkone von der Bestimmung betreffend untergeordnete Bauteile in den örtlichen Bauvorschriften nicht erfasst sind und mit dieser Bestimmung (nur) eine Regelung über die Zulässigkeit über den Baukörper hinauszubauen für die mit dieser Bestimmung angesprochenen untergeordneten Bauteile normiert wurde. Hinsichtlich offener Balkone wird mit dieser Bestimmung aber nichts ausgesagt.

22 Die in der Gegenschrift der belangten Behörde angeführte nachträgliche, insbesondere stadtplanerische Aspekte betreffende Begründung, in der auf das nach Erlassung des angefochtenen Bescheides datierte Schreiben der Magistratsabteilung III, Stadtplanung, vom 18. April 2014, hinsichtlich des Erscheinungsbildes verwiesen wird, kann an diesem Ergebnis nichts ändern, hätten diese Ausführungen doch bereits im Verwaltungsverfahren erfolgen müssen. Die Gegenschrift dient nicht zur Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 97/06/0048 mwN).

23 Der angefochtene Bescheid ist somit im angeführten Umfang mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

24 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr. 8/2014).

Wien, am 14. April 2016

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