VwGH Ro 2015/21/0024

VwGHRo 2015/21/002430.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des H R in W, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14, gegen das am 29. Jänner 2015 mündlich verkündete und am 5. Juni 2015 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, Zl. W163 2017593-1/28E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

32013R0604 Dublin-III Art2 litn;
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art28;
EURallg;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
32013R0604 Dublin-III Art2 litn;
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art28;
EURallg;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das bekämpfte Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt A.II.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein unter Aliasidentitäten aufgetretener afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner von Ungarn aus erfolgten illegalen Einreise am 25. Mai 2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22. Oktober 2014 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und Ungarn für die Prüfung des Antrages für zuständig erklärt. Unter einem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung des Revisionswerbers angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ungarn zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Nachdem der Revisionswerber zweimal nach Ungarn überstellt worden war, wurde er am 18. Jänner 2015 nach seiner neuerlichen Rückkehr in einem Reisezug bei einer Kontrolle kurz vor Salzburg aufgegriffen und festgenommen. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 19. Jänner 2015 wurde über den Revisionswerber sodann gemäß Art. 28 der Dublin III-Verordnung in Verbindung mit "§ 76 Absatz 1/Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz" Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung verhängt.

Mit Erkenntnis vom 19. Jänner 2015, das spätestens am 28. Jänner 2015 wirksam zugestellt wurde, wies das BVwG schließlich die im Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab.

Gegen die Anordnung der Schubhaft und die darauf gegründete Anhaltung erhob der Revisionswerber (vertreten durch einen bevollmächtigten Rechtsberater) mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2014 eine Beschwerde.

Dieser Beschwerde hat das BVwG mit dem angefochtenen, in der mündlichen Verhandlung am 29. Jänner 2015 verkündeten und am 5. Juni 2015 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis gemäß § 76 FPG iVm § 22a BFA-VG stattgegeben. Unter einem wurden der Schubhaftbescheid und die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft vom 19. Jänner 2015 bis 29. Jänner 2015 für rechtswidrig erklärt (Spruchpunkt A.I.). Weiters wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 der Dublin III-Verordnung und § 76 Abs. 1 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Sodann hat das BVwG - unter Abweisung eines Mehrbegehrens - den Bund gemäß § 35 VwGVG zur Zahlung von ziffernmäßig näher bestimmtem Aufwandersatz an den Revisionswerber verpflichtet (Spruchpunkt A.III.) Abschließend wurde die Revision (u.a.) gegen Spruchpunkt A.II. gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt B.).

Gegen die mit Spruchpunkt A.II. getroffene Feststellung betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft richtet sich die gegenständliche Revision, die sich als zulässig und berechtigt erweist. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In seinem Erkenntnis vom 19. Februar 2015, Ro 2014/21/0075, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass Schubhaft zur Sicherung einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nur auf Grundlage von Art. 28 Dublin III-Verordnung, der diesbezüglich autonome Vorschriften enthält, in Betracht kommt. Das haben zwar sowohl das BFA als auch das BVwG erkannt. In diesem Erkenntnis, auf dessen Begründung des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, wurde aber auch festgehalten, dass es am Boden von Art. 2 lit. n Dublin III-Verordnung ergänzend innerstaatlich gesetzlich festgelegter Kriterien zur Konkretisierung der in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr" bedarf. Gemäß dem genannten Erkenntnis vom 19. Februar 2015 werden die dort konkret behandelten Schubhafttatbestände (§ 76 Abs. 2 Z 2 und 4 FPG) diesem Erfordernis nicht gerecht. Dasselbe gilt für den Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 1 FPG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, Ro 2014/21/0080).

Auf diesen Schubhaftgrund hat das BVwG im vorliegenden "Dublin-Überstellungsfall" jedoch den hier gegenständlichen Fortsetzungsausspruch als innerstaatliche Norm gestützt. Demnach erweist sich der von der Revision bekämpfte Spruchpunkt A.II. als inhaltlich rechtswidrig, weshalb das angefochtene Erkenntnis in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. Juni 2015

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