VwGH Ra 2015/11/0028

VwGHRa 2015/11/00287.7.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision der *****, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 9. Februar 2015, Zl. LVwG-650238/18/BR, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens iA. Entziehung der Lenkberechtigung (mitbeteiligte Partei: *****), den Beschluss gefasst:

Normen

32006L0126 Führerschein-RL;
62010CJ0467 Akyüz VORAB;
FSG 1997 §30 Abs2;
32006L0126 Führerschein-RL;
62010CJ0467 Akyüz VORAB;
FSG 1997 §30 Abs2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (LVG) vom 3. November 2014 wurde der Bescheid der belangten Behörde (nunmehrige Revisionswerberin) vom 27. August 2014, mit welchem die in der Tschechischen Republik erworbene Lenkberechtigung der mitbeteiligten Partei mangels Wohnsitz im Ausstellerstaat entzogen worden war, ersatzlos behoben. In der Begründung führte das LVG unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 1. März 2012, C-467/20 10, "Akyüz", aus, dass die Entziehung der genannten Lenkberechtigung gemäß § 30 Abs. 2 FSG im Einklang mit dem Unionsrecht nur zulässig wäre, wenn der Wohnsitz der mitbeteiligten Partei im Ausstellerstaat (Tschechische Republik) aufgrund "unbestreitbar" anzusehender Informationen dieses Ausstellerstaates zu verneinen gewesen wäre, was gegenständlich aber nicht der Fall sei.

Mit Antrag vom 26. Jänner 2015 beantragte die Revisionswerberin die Wiederaufnahme des Entziehungsverfahrens, weil die mitbeteiligte Partei am 19. Dezember 2014 vor dem Arbeitsmarktservice (in einem Verfahren betreffend Streichung einer Sozialleistung) niederschriftlich angegeben habe, sich in Tschechien lediglich einen Tag lang, nämlich am Tag der Fahrprüfung (im Juni 2013), aufgehalten zu haben.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dieser Wideraufnahmeantrag gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG abgewiesen, weil die hervorgekommene genannte Niederschrift vom 19. Dezember 2014 zu keinem anders lautenden Erkenntnis geführt hätte. Dazu verwies das LVG auf das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2014, Zl. Ra 2014/11/0084, und erklärte die ordentliche Revision für unzulässig.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst geltend, dass das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. Ra 2014/11/0084, nicht auf den gegenständlichen Fall anwendbar sei, weil es nicht einen Fall betreffe, in welchem der Inhaber der Lenkberechtigung selbst in einem "schriftlichen Geständnis" das Fehlen des ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellerstaat im Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheines bestätigt habe. Das genannte Geständnis der mitbeteiligten Partei stelle eine "unbestreitbare Information" über das Fehlen ihres ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellerstaat im maßgeblichen Zeitpunkt dar, eine andere Auslegung würde die gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen gemäß der Führerschein-Richtlinie "ad absurdum führen".

Diesem Vorbringen der Revision ist entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis, Zl. Ra 2014/11/0084, die Frage, auf welche Beweismittel die Feststellung betreffend das Fehlen eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellerstaat gestützt werden kann, durch detaillierte Wiedergabe des genannten Urteils des EuGH C-467/20 10, Akyüz, bereits beantwortet hat. Demnach darf die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins dann verweigert werden, wenn nicht anhand von Informationen des Aufnahmemitgliedstaates, sondern aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat nicht beachtet wurde, wobei diese Erkenntnisquellen "abschließend und erschöpfend" sind (Rn 66 des zitierten EuGH-Urteils).

Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung steht einer auf irgendeine andere Information gestützten Weigerung entgegen (Rn 68), wozu der EuGH unter Rn 70 des zitierten Urteils ausdrücklich ausgeführt hat, dass "Erläuterungen oder Informationen, die der Inhaber eines Führerscheins im Verwaltungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren in Erfüllung einer ihm nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats obliegenden Mitwirkungspflicht erteilt hat, nicht als vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen qualifiziert werden (können), die beweisen, dass der Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seines Führerscheins seinen Wohnsitz nicht in diesem Mitgliedstaat hatte".

Entgegen dem Revisionsvorbringen führt dies die gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen nicht zwingend ad absurdum, hat doch der EuGH im zitierten Urteil "Akyüz" gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Bewertung von vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen dem nationalen Gericht obliegt, sodass dieses aufgrund von Informationen, die es auf die genannte Art erlangt hat, beurteilen kann, ob sich der Inhaber des Führerscheines im Ausstellermitgliedstaat "nur für ganz kurze Zeit aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen" (Rn 75 des zitierten EuGH-Urteils).

Nach dem Gesagten war die Revision zurückzuweisen. Wien, am 7. Juli 2015

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