VwGH Ra 2015/08/0172

VwGHRa 2015/08/01721.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der R S in S, vertreten durch die hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Jänner 2015, Zl. G305 2008620-1/5E, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Angelegenheit des ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Gebietskrankenkasse), den Beschluss

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGVG 2014 §14 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGVG 2014 §14 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs1;

 

Spruch:

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Revisionswerberin begehrte mit Klage vom 29. März 2013 die Zuerkennung einer Alterspension in gesetzlicher Höhe, u. a. unter Berücksichtigung von strittigen Versicherungszeiten vom 1. April 1976 bis zum 30. Juni 1982. Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: GKK) hatte mit Bescheid vom 16. Juni 1982 festgestellt, dass die Revisionswerberin in diesem Zeitraum nicht der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG unterlegen sei, weil sie die Tätigkeit im Unternehmen ihrer Mutter nicht in persönlicher Abhängigkeit verrichtet habe. Die Mutter der Revisionswerberin richtete daraufhin ein persönliches Schreiben vom 21. Juni 1982 an den Landeshauptmann von Steiermark, in dem sie sich unter Vorlage des Bescheides gegen dessen Begründung wandte und den Landeshauptmann "innigst" bat, ihr bei der "gebietskrankenkasserliche(n) Anerkennung" ihrer Tochter zu helfen.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht wertete dieses Schreiben in seinem Beschluss vom 29. Jänner 2014, 28 CGS 75/12g, als Einspruch, der beim Landeshauptmann gemäß § 412 Abs. 1 ASVG fristwahrend eingebracht worden sei, und unterbrach das Pensionsverfahren gemäß § 74 Abs. 1 ASGG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des "anhängigen Verwaltungsverfahrens bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse".

Die GKK richtete daraufhin einen mit "Beschwerdevorlage" betitelten Schriftsatz vom 2. Juni 2014 an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde darauf hingewiesen, dass in der Anlage ein mit 21. Juni 1982 datiertes, an den Landeshauptmann gerichtetes, durch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Einspruch nach § 412 ASVG gewertetes Schreiben und der gegenständliche Akt zur Entscheidung vorgelegt würden. Gleichzeitig brachte die GKK einen mit 28. Mai 2014 datierten Schriftsatz ein, in dem sie die Vorlage des Schreibens vom 21. Juni 1982 näher erläuterte und abschließend beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge aussprechen, dass der Bescheid vom 16. Juni 1982 rechtskräftig sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. Jänner 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht den "zum 28.05.2014 datierten, ha. am 10.06.2014 eingelangten" Antrag der GKK, das Bundesverwaltungsgericht wolle aussprechen, dass der Bescheid vom 16. Juni 1982 rechtskräftig sei, in Ermangelung einer sachlichen Zuständigkeit zurück.

Begründend wurde ausgeführt, die GKK habe dem Bundesverwaltungsgericht mit ihrer als "Beschwerdevorlage" titulierten Eingabe vom 10. Juni 2014 einen zum 28. Mai 2014 datierten Schriftsatz überreicht, verbunden mit dem Antrag, das Bundesverwaltungsgericht wolle aussprechen, dass der Bescheid vom 16. Juni 1982 rechtskräftig sei. Nach Darstellung des Verfahrensgangs folgerte das Bundesverwaltungsgericht, dass dieses Begehren keine Beschwerde im Sinn des Art. 130 Abs. 1 und 2 B-VG darstelle. Dem Bundesverwaltungsgericht komme von Gesetzes wegen eine Zuständigkeit zur beantragten Feststellung nicht zu.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die (außerordentliche) Revision, die dem Verwaltungsgerichtshof vom Bundesverwaltungsgericht am 18. November 2015 unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegt wurde.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG bringt die Revisionswerberin - entgegen dem den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG - vor, dass das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage nicht "in der Sache selbst" entschieden habe. Das Bundesverwaltungsgericht hätte die Eingabe der GKK ihrem Inhalt nach und unter Berücksichtigung der übermittelten Akteninhalte bewerten müssen. Anhand dieser Bewertung wäre es zweifelsfrei zur Erkenntnis gekommen, dass um die Beurteilung ersucht worden sei, ob gegen den Bescheid vom 16. Juni 1982 noch ein Rechtsmittel offen sei, sohin die Eingabe der Mutter der Revisionswerberin rechtzeitig erfolgt sei. Dem folgend hätte das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid vom 16. Juni 1982 aufheben und in der Sache selbst entscheiden müssen.

Damit zeigt die Revisionswerberin zwar im Ergebnis eine Verkennung der Rechtslage durch das Bundesverwaltungsgericht auf:

Die GKK hat dem Bundesverwaltungsgericht mit einem als "Beschwerdevorlage" betitelten Schriftsatz das vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz und von der Revisionswerberin selbst als Einspruch gewertete Schreiben vom 21. Juni 1982 unter Anschluss des Verfahrensaktes zur Entscheidung vorgelegt. Dies kann vor dem Hintergrund, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über am 31. Dezember 2013 von den Verwaltungsbehörden noch unerledigte Rechtsmittel gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf die Verwaltungsgerichte (in Angelegenheiten der Pflichtversicherung nach dem ASVG: auf das Bundesverwaltungsgericht) übergegangen ist, nur als Beschwerdevorlage im Sinn des § 14 Abs. 2 VwGVG gedeutet werden. Daran ändert nichts, dass das Begleitschreiben der GKK mit dem - isoliert freilich unzulässigen - Antrag endet, das Bundesverwaltungsgericht möge aussprechen, dass der Bescheid vom 16. Juni 1982 rechtskräftig sei.

Dass aber eine Beschwerdevorlage bzw. ein Vorlagebericht (samt einem allenfalls damit verbundenen Antrag) nicht zurückzuweisen ist, sondern das Verwaltungsgericht zu einer Entscheidung über das vorgelegte Rechtsmittel - sei es auch im Weg einer Zurückweisung dieses Rechtsmittels - verpflichtet, bedarf keiner näheren Erläuterung.

Durch die objektiv rechtswidrige Zurückweisung der Beschwerdevorlage bzw. des damit verbundenen Antrages der GKK konnte die Revisionswerberin jedoch nicht in den von ihr als Revisionspunkte geltend gemachten subjektiven Rechten verletzt werden:

Was zunächst das "Recht auf Zulassung der ordentlichen Revision" betrifft, so ist es kein tauglicher Revisionspunkt. Der Ausspruch, dass die Revision nicht zulässig sei, obwohl eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt, führt für sich allein auch nicht zur Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichts, sondern (nur) dazu, dass die (außerordentliche) Revision entgegen diesem Ausspruch zulässig ist.

Auch das "Recht auf richtige Anwendung der Gesetze durch das Bundesverwaltungsgericht" kommt für sich genommen nicht als Revisionspunkt in Betracht, weil es kein von materiellen subjektiven Rechten losgelöstes Recht auf richtige Gesetzesanwendung gibt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2007, Zl. 2005/05/0063).

Weiters erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem "Recht auf Parteistellung gem. § 8 AVG" verletzt. Richtig ist zwar, dass die Revisionswerberin als potentielle Versicherte Partei des Verfahrens über die Pflichtversicherung (sowohl vor der GKK als auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht) war bzw. ist. Inwieweit sie aber durch den angefochtenen Beschluss betreffend die Zurückweisung des Antrages der GKK in ihrem "Recht auf Parteistellung" oder einem daraus abgeleiteten Recht verletzt werden konnte, ist nicht ersichtlich.

Schließlich bringt die Revisionswerberin noch vor, der angefochtene Beschluss verletzte sie in ihrem "Recht auf behördliche Erledigung ihrer Eingabe (Einspruch)". Dabei übersieht sie zum einen, dass es sich nicht um ihre Eingabe, sondern jene ihrer Mutter gehandelt hat. Zum anderen könnte eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesverwaltungsgericht nur im Weg eines Fristsetzungsantrages geltend gemacht werden. Die hier bekämpfte Zurückweisung der Beschwerdevorlage bzw. des Antrages der GKK hat die Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht beseitigt. Es wird zu beurteilen haben, ob es sich beim Schreiben vom 21. Juni 1982 tatsächlich um einen Einspruch gehandelt hat und ob er - bejahendenfalls - rechtzeitig war. Dabei wäre im Übrigen - was das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz nicht berücksichtigt hat - § 412 Abs. 1 ASVG in der Stammfassung anzuwenden, wonach der Einspruch nur beim Versicherungsträger eingebracht werden konnte. Die Möglichkeit der fristwahrenden Einbringung beim Landeshauptmann, auf die sich das Landesgericht in seinem Beschluss vom 29. Jänner 2014 bezogen hat, wurde erst durch die Novelle BGBl. Nr. 676/1991 geschaffen.

Die Revision erweist sich mangels Möglichkeit der Verletzung in den geltend gemachten Rechten als unzulässig (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2008, Zl. 2005/07/0121, mwN).

Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Wien, am 1. Dezember 2015

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