Normen
AHG 1949 §11;
B-VG Art133 Abs1 Z1;
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §87 Abs3;
VwGG §26 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §58 Abs2;
VwGVG 2014 §13 Abs2;
VwGVG 2014 §14 Abs1;
VwGVG 2014 §15 Abs1;
VwGVG 2014 §15 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015080111.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1. Mit Bescheid vom 16. März 2015 verhängte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W. (im Folgenden: AMS) gegenüber dem Revisionswerber eine Sperre der Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum vom 12. Februar bis zum 5. März 2015 (dem Ende des Leistungsanspruchs). Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen.
Der Revisionswerber erhob sowohl gegen den Spruch in der Hauptsache als auch gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. April 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ab. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber ein konkretes, auf seine Person bezogenes Vorbringen in Bezug auf die vorzunehmende Interessenabwägung unterlassen habe.
Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber am 28. April 2015 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2015, E 902/2015, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der Folge führte der Revisionswerber die vorliegende Revision aus, die am 17. August 2015 per ERV beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde.
Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichthof gab das AMS bekannt, dass der Beschwerde gegen den Bescheid vom 16. März 2015 mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. Mai 2015 stattgegeben worden sei.
2. Zu den Prozessvoraussetzungen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren gehört - wie insbesondere aus § 58 Abs. 2 VwGG abzuleiten ist - das Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers. Es besteht bei Revisionen nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG im objektiven Interesse des Revisionswerbers an einer Beseitigung der angefochtenen, ihn beschwerenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dieses Interesse ist daher immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Revisionswerber keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen also nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen. Fehlte es schon im Zeitpunkt der Revisionserhebung am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, führt dies gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zu einer Zurückweisung der Revision (vgl. - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zum VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 - den hg. Beschluss vom 22. April 2015, Ra 2014/12/0023).
3. Im vorliegenden Fall ist durch die Entscheidung des AMS über die Beschwerde des Revisionswerbers dessen Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf das hier angefochtene Erkenntnis über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der - nunmehr durch Beschwerdevorentscheidung erledigten - Beschwerde gegen den ursprünglichen Bescheid des AMS weggefallen (vgl. zum Wegfall des Rechtschutzinteresses hinsichtlich einer Entscheidung über die aufschiebende Wirkung etwa auch den hg. Beschluss vom 28. April 2015, Ra 2014/02/0023). Ein Weiterbestehen des Rechtsschutzinteresses wäre nur für den Fall anzunehmen, dass ein Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG gestellt wird, weil dem Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 2 VwGVG (nur) unter der Voraussetzung aufschiebende Wirkung zukommt, dass schon die Beschwerde aufschiebende Wirkung hatte. Ein Vorlageantrag wurde vom Revisionswerber aber - zumal seiner Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vollumfänglich stattgegeben wurde - nicht gestellt.
Am fehlenden Rechtschutzinteresse ändert nichts, dass das angefochtene Erkenntnis noch dem Rechtsbestand angehört, da es den Revisionswerber nicht mehr beschwert.
Auch ein weiterhin vorhandenes abstraktes Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage - mag sich diese auch, wie der Revisionswerber in seiner Stellungnahme vom 29. Oktober 2015 ausführt, in zahlreichen anderen Fällen stellen - ändert nichts an der Unzulässigkeit (oder allenfalls Gegenstandslosigkeit) der Revision, wenn das mit ihr verfolgte konkrete Rechtsschutzinteresse nicht (mehr) vorhanden ist. Es ist nämlich nur derjenige legitimiert, gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichtes Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, dessen Rechtstellung je nachdem eine verschiedene ist, ob die bekämpfte Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird; zu einer lediglich abstrakt-theoretischen Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen (vgl. den hg. Beschluss vom 23. April 2015, Ro 2015/07/0001, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung zum VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013).
Schließlich begründen auch mögliche Amtshaftungsansprüche nicht die Zulässigkeit der Revision. Das Unterbleiben einer Sachentscheidung hindert nämlich das Amtshaftungsgericht nicht, einen Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nach § 11 AHG zu stellen. Demnach zählen Rechtspositionen, die im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden können, nicht zu der rechtlich geschützten Interessensphäre, die den Revisionswerber zur Revisionserhebung legitimiert (vgl. in diesem Sinn die zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ergangene Rechtsprechung, etwa den hg. Beschluss vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0151, mwN).
4. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist noch vor dem Wegfall des Rechtsschutzinteresses erhoben worden. Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet aber - anders als bei der "Sukzessivbeschwerde" nach der Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - nicht über diese, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG und § 87 Abs. 3 VfGG dem Verwaltungsgerichtshof "abgetretene" Beschwerde, sondern über die innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG auszuführende Revision (vgl. in diesem Sinn auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 2014, E 30/2014, VfSlg. 19.867). Fehlt es daher zum Zeitpunkt der Erhebung der Revision (durch Einbringung beim Verwaltungsgericht) an einer Prozessvoraussetzung, so ist die Revision auch dann zurückzuweisen (und nicht das Verfahren einzustellen), wenn zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof noch sämtliche Prozessvoraussetzungen vorgelegen sind. Umgekehrt führt aber die Unzulässigkeit der "abgetretenen" Beschwerde - insbesondere wegen Versäumung der Beschwerdefrist - jedenfalls auch zur Unzulässigkeit der in der Folge ausgeführten Revision, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in diesen Fällen (endgültig) unanfechtbar geworden ist.
5. Da es zum Zeitpunkt der Erhebung der Revision infolge der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung bereits an einem Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers gefehlt hat, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
Dem AMS war kein Aufwandersatz zuzusprechen, weil eine Gegenschrift nicht erstattet wurde und ein Ersatz von Vorlageaufwand nach dem VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 nicht mehr vorgesehen ist.
Wien, am 30. November 2015
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