VwGH Ra 2015/07/0001

VwGHRa 2015/07/000129.1.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision der *****, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. November 2014, Zl. LVwG-AV-34/001-2014, betreffend Aufhebung eines Bescheides und Zurückverweisung an die Behörde in einer Wassserrechtsangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: *****), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
B-VG Art130 Abs4 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;
AVG §37;
B-VG Art130 Abs4 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der revisionswerbenden Behörde (BH) vom 15. April 2008 wurde dem Erstmitbeteiligten die wasserrechtliche Bewilligung zur Wasserentnahme aus dem L.-Werkskanal linksufrig im Bereich eines näher genannten Grundstückes zur Beregnung eines Grundstückes erteilt. Einwendungen der zweitmitbeteiligten Partei wurden als unbegründet abgewiesen.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Zweitmitbeteiligte geltend, dass sich die dem Bescheid maßgeblich zu Grunde liegende Stellungnahme des hydrologischen Amtssachverständigen lediglich mit der Senkung des Wasserspiegels auf der Basis durchgeführter Messungen auseinander setze. Ihre konkrete Beeinträchtigung ergäbe sich jedoch daraus, dass die vom Erstmitbeteiligten entnommene Wassermenge letztendlich "zur Einspeisung in die Wasserkraftanlage" fehle, was zur Beeinträchtigung ihres Wasserbenutzungsrechtes führe. Die BH hätte vielmehr ein Gutachten darüber einzuholen gehabt, inwieweit die Produktions- und Einspeisungsmengen der Wasserkraftanlage der Zweitmitbeteiligten im Falle der Bewilligung des gegenständlichen Vorhabens beeinträchtigt würden. Nur dadurch wäre eine konkrete Beeinträchtigung ihrer Rechte darstellbar gewesen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) vom 30. April 2009 wurde die Berufung der Zweitmitbeteiligten als unbegründet abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 2010, 2009/07/0099, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof begründete dies u.a. damit, dass der hydrologische Amtssachverständige in seiner Stellungnahme lediglich Aussagen zur Absenkung des Wasserspiegels durch die Wasserentnahme bei unterschiedlicher Wasserführung im L.- Werkskanal getroffen und zu verstehen gegeben habe, dass die genannten Absenkungen rechnerische (theoretische) Ermittlungen seien. Die belangte Behörde übersehe, dass sich zu den Auswirkungen der Wasserentnahme durch den Erstmitbeteiligten auf die Wasserkraftanlage der Zweitmitbeteiligten in der Stellungnahme des hydrologischen Amtssachverständigen überhaupt keine Aussage finde. Wie der Amtssachverständige selbst zu verstehen gebe, enthalte seine Stellungnahme lediglich rechnerische Ermittlungen zur Absenkung des Wasserspiegels im L.-Werkskanal. Rechtliche Folgerungen aus einem Gutachten, wonach eine Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts gemäß § 12 Abs. 2 WRG 1959 nicht vorliege, setzten aber zum einen Feststellungen über Inhalt und Ausmaß dieses Rechtes und zum anderen ein auf sachverständiger Ebene erfolgtes Eingehen auf dieses Recht und dessen allfällige Beeinträchtigung voraus. Diesbezüglich fänden sich aber keine Feststellungen bzw. Gutachten, weshalb die belangte Behörde überhaupt keine rechtlichen Schlussfolgerungen über eine allfällige Beeinträchtigung des Wasserbenutzungsrechtes der Beschwerdeführerin vornehmen habe können.

Nach Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die als Beschwerde anzusehende Berufung auf das Landesverwaltungsgericht (LVwG) entschied dieses mit dem angefochtenen Beschluss dahingehend, dass der Bescheid der BH vom 15. April 2008 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die BH zurückverwiesen wurde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde als nicht zulässig erklärt.

In der Begründung wies das LVwG nach Wiedergabe des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls darauf hin, dass Feststellungen über den Inhalt und Ausmaß des Rechtes der Zweitmitbeteiligten fehlten. Auch fehlten Erhebungen im Hinblick auf einen möglichen Summationseffekt. Schließlich sei auch noch anzuführen, dass seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als sechs Jahre vergangen seien und daher auch aufgrund des langen Zeitablaufs eine aktuelle Erhebung des Sachverhalts erforderlich sei. Da es sich nicht um geringfügige Sachverhaltsmängel handle und auch die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht rascher durchgeführt werden könne, sei die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts durch die BH vorzunehmen.

Die ordentliche Revision sei auszuschließen, weil in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der vor dem LVwG belangten Behörde. Die Revisionswerberin meint, die Revision wäre zulässig, weil die im Beschluss vertretene Rechtsansicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Zurückverweisungsmöglichkeit des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stehe, und zitiert in diesem Zusammenhang das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063. Aus Sicht der Revisionswerberin könne nicht gesagt werden, dass jegliche Ermittlungstätigkeit oder jegliche Feststellungen des entscheidungswesentlichen Sachverhalts unterlassen worden sei. Das LVwG sei daher seiner Pflicht, in der Sache selbst zu entscheiden, nicht nachgekommen.

Die Revision erweist sich als unzulässig.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die in der außerordentlichen Revision als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geltend gemachte und als rechtswidrig dargestellte Vorgangsweise des LVwG widerspricht im vorliegenden Einzelfall den im hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, dargestellten Grundsätzen zum Verständnis des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte darin zum Ausdruck gebracht, dass die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht komme, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststehe. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt worden sei, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergebe. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, verlange, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen ließen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten hg. Vorerkenntnis vom 20. Mai 2010, 2009/07/0099, zum Ausdruck brachte, wurde der in Bezug auf die zu schützenden Wasserrechte der Zweitmitbeteiligten relevante Sachverhalt im behördlichen Verfahren gerade nicht geklärt. So wurden weder Feststellungen über das Recht der Zweitmitbeteiligten noch - auf fachlicher Ebene - über die Auswirkungen des verfahrensgegenständlichen Projekts des Erstmitbeteiligten auf diese Rechte der Zweitmitbeteiligten getroffen. Es fehlen hier sachverhaltsbezogen auf Verwaltungsebene die entscheidenden Schritte für die Klärung des rechtlich relevanten Sachverhaltes. Der maßgebliche Sachverhalt steht demnach hier nicht fest, die Behörde hat(te) vielmehr die notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen bzw. bloß ansatzweise ermittelt. Die von der Revisionswerberin in Abrede gestellten krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken liegen hier in Bezug auf die materiellrechtlich entscheidende Frage der Rechte der Zweitmitbeteiligten und deren mögliche Beeinträchtigung vor.

Das LVwG hat daher gegen seine Verpflichtung, in der Sache selbst zu entscheiden, im vorliegenden Fall nicht verstoßen; ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2015

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