VwGH Ro 2015/05/0019

VwGHRo 2015/05/001920.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision 1. des K A und 2. der M A, beide in A, beide vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler, Mag. Helmut Leitner, Mag. Roland Stöglehner und Mag. Thomas Bodingbauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 31a, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 25. Februar 2015, Zl. LVwG-150192/10/VG, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Gemeinde A; Mitbeteiligte: A W in A, vertreten durch Dr. Guido Lepeska, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 37; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §31 Abs5;
BauO OÖ 1994 §35 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art139;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28;
BauO OÖ 1994 §31 Abs5;
BauO OÖ 1994 §35 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art139;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde Adlwang hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Die Mitbeteiligte ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 104 (KG E.) mit dem Grundstück Nr. 380/1, das unmittelbar an das im gemeinsamen Eigentum der Revisionswerber stehende Grundstück Nr. 378/4 angrenzt, und mit dem Grundstück Nr. .16, auf dem sich eine Tischlereibetriebsanlage befindet, für die im Jahr 1992 eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung erteilt wurde und die seither an diesem Standort betrieben wird.

Auf Grund des am 8. September 2006 beim Gemeindeamt der Gemeinde A. eingelangten Ansuchens der Revisionswerber um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit Garage auf dem Grundstück Nr. 378/4 wurde vom Bürgermeister dieser Gemeinde (im Folgenden: Bürgermeister) am 21. September 2006 eine Bauverhandlung durchgeführt. In dieser Verhandlung wies der bautechnische Amtssachverständige darauf hin, dass das zu bebauende Grundstück in dem von der Oberösterreichischen Landesregierung (im Folgenden: Landesregierung) am 26. Jänner 2006 genehmigten Flächenwidmungsplan Nr. 3 der genannten Gemeinde als "Wohngebiet" ausgewiesen sei, wobei über den äußersten südwestlichen Teil des Grundstückes Nr. 378/4 eine "Schutzzone im Bauland" gelegt worden sei, und dass das projektierte Wohngebäude zur südwestlichen Bauplatzgrenze mit der Liegenschaft der Mitbeteiligten einen Mindestabstand von 12,66 m habe.

Die Mitbeteiligte erhob in dieser Verhandlung gegen das Bauvorhaben Einwendungen und brachte (u.a.) vor, dass der genannte Flächenwidmungsplan gesetzwidrig sei, weil damit einerseits ihr Grundstück von "Betriebsbaugebiet" in ein "gemischtes Baugebiet" umgewidmet und gleichzeitig die Bauparzelle, auf welcher das Projekt errichtet werden solle, - neben anderen Grundstücken - als Wohngebiet gewidmet worden sei. Tischlereibetriebe dürften nur im Betriebsbaugebiet errichtet werden, und es sei, weil die Betriebsliegenschaft, auf welcher seit 1992 eine Tischlerei betrieben werde, nunmehr als gemischtes Baugebiet gewidmet sei, auf die bisherige widmungskonforme Nutzung keine Rücksicht genommen worden. Konkret habe die Gemeinde durch die Widmung in unmittelbarer Nähe des auf der Liegenschaft der Mitbeteiligten situierten emittierenden Betriebes einen Zustand der Immissionsbeeinträchtigung oder zumindest eine eminente Gefahr einer solchen für das Wohnbauland, insbesondere die gegenständliche Bauparzelle, geradezu herbeigeführt. Dabei gehe es vor allem auch um die Beeinträchtigung durch Lärm. Die auf dem Grundstück der Revisionswerber geschaffene Schutzzone habe lediglich eine Breite von 10 bis 13 m zur Grenze mit dem Grundstück der Mitbeteiligten. Dass eine Beeinträchtigung durch Emissionen/Immissionen, insbesondere in Form von Lärm, drohe, sei aktenkundig. Wie sich aus dem Betriebsanlagengenehmigungsakt ergebe, habe die Gewerbebehörde anlässlich der Verhandlung vor Ort ausdrücklich hervorgehoben, dass nicht nur wegen der konkreten Ausführung der Betriebsanlage, sondern (auch) "wegen der großen

Abstände der Nachbarhäuser ... keine unzumutbaren

Lärmbelästigungen auftreten werden". Die Betriebsanlage sei nach wie vor dieselbe, und die zuvor großen Nachbarabstände würden mit der geplanten Bauführung entscheidend verringert. Die Gemeinde habe weiters außer Acht gelassen, dass eine Erweiterung des Gewerbebetriebes geplant sei. Die Betriebserweiterung und die damit einhergehende Vergrößerung bzw. Intensivierung der Immissionen gerade im Hinblick auf die Revisionswerber seien dabei völlig ignoriert worden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 4. Oktober 2006 wurde den Revisionswerbern gemäß § 35 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 (BauO) die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit Garage auf deren Grundstück unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen erteilt.

Die Mitbeteiligte stellte mit Schriftsatz vom 6. November 2006 den Antrag, ihr eine Ausfertigung dieses Bescheides zuzustellen.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters vom 2. Mai 2007 als unbegründet abgewiesen.

Die von der Mitbeteiligten dagegen erhobene Berufung wurde aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde A. (im Folgenden: Gemeinderat) vom 20. November 2007 mit Bescheid vom selben Tag mit der Begründung abgewiesen, dass die Mitbeteiligte mangels Erhebung tauglicher Einwendungen gegen das Bauvorhaben die Parteistellung verloren habe.

Aufgrund der von der Mitbeteiligten dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Landesregierung vom 31. Oktober 2008 der genannte Bescheid des Gemeinderates behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an "die Gemeinde" zurückverwiesen. Dazu führte die Landesregierung (u.a.) aus, dass die Mitbeteiligte in der Bauverhandlung am 21. September 2006 mit ihrem Vorbringen, dass aufgrund des auf ihrer Liegenschaft situierten Betriebes eine Beeinträchtigung des Baugrundstückes durch Emissionen/Immissionen, insbesondere durch Lärm, drohe, eine zulässige Einwendung im Sinne des § 42 AVG iVm § 31 Abs. 5 BauO geltend gemacht habe. Ob im konkreten Fall die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 31 Abs. 5 BauO erfüllt seien, sei im Verfahren über die Erteilung der Baubewilligung zu prüfen.

Mit Schriftsatz vom 9. April 2009 ergänzte die Mitbeteiligte nach entsprechender Aufforderung durch den Bürgermeister ihr Vorbringen hinsichtlich ihrer Einwendungen unter anderem in Bezug auf die Emissionen des Tischlereibetriebes auf das Baugrundstück, worin sie auf den Inhalt des in den Jahren 1991 und 1992 geführten gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens (insbesondere auch die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung) verwies. Ferner beantragte sie die Einholung von Sachverständigengutachten, insbesondere aus den Fachbereichen "technische Akustik" und "Schallschutz", und legte ein Konvolut von Unterlagen aus diesem gewerbebehördlichen Verfahren vor.

Aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates vom 24. Juni 2010 wurde mit Bescheid vom 12. Juli 2010 (unter Spruchpunkt 2.) in Stattgebung der Berufung der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 2. Mai 2007 dem Antrag der Mitbeteiligten auf Zustellung einer Ausfertigung des Bescheides des Bürgermeisters vom 4. Oktober 2006 Folge gegeben.

In weiterer Folge erhob die Mitbeteiligte gegen diesen ihr sodann am 19. Juli 2010 zugestellten Bescheid mit Schriftsatz vom 29. Juli 2010 Berufung, die auf Grund des Beschlusses des Gemeinderates vom 14. Dezember 2010 mit Bescheid vom 29. Dezember 2010 als unbegründet abgewiesen wurde.

Darin führte die Berufungsbehörde in Bezug auf den Einwand der "heranrückenden Bebauung" (u.a.) aus, dass gemäß § 31 Abs. 5 BauO der Nachbar die entsprechenden Nachweise über die konsentierten Immissionen zu erbringen und die Mitbeteiligte dieser Forderung nicht Genüge getan habe. Was die behauptete Rechtswidrigkeit des Flächenwidmungsplanes anlange, so stehe dem Gemeinderat nicht zu, die von ihm anzuwendenden Gesetze und Verordnungen auf deren Gesetzes- oder Verfassungskonformität zu überprüfen.

Die von der Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Landesregierung vom 4. August 2011 als unbegründet abgewiesen. Darin führte die Landesregierung (u.a.) aus, dass die von der Mitbeteiligten zur Thematik der heranrückenden Wohnbebauung vorgelegten Unterlagen sowohl vom Sachverständigen als auch vom Gemeinderat in nachvollziehbarer Weise für eine entsprechende Beurteilung im Bauverfahren zutreffend als nicht ausreichend qualifiziert worden seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ein Verordnungsprüfungsverfahren einleitete.

Mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2014, V 42/2014 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof den genannten Flächenwidmungsplan im folgenden Umfang als gesetzwidrig auf:

"1. als 'Siedlungs- und Freiraumkonzept' bezeichneter Plan im örtlichen Entwicklungskonzept Nr 2 zur Gänze und

2. Widmung 'Bauland-Wohngebiet' für das Grundstück Nr. 378/4

... ."

Der Verfassungsgerichtshof begründete dieses Erkenntnis im Wesentlichen damit, dass im Vorfeld zur Erstellung des Flächenwidmungsplanes keine dem § 15 Abs. 1 Z 1 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (ROG) entsprechende Raumforschung erfolgt sei und insbesondere auch jede Auseinandersetzung mit der Frage der an die Betriebsanlage heranrückenden Wohnbebauung fehle.

Mit weiterem Erkenntnis vom 7. Oktober 2014, B 1114/2011, hob der Verfassungsgerichtshof den Vorstellungsbescheid vom 4. August 2011 auf.

Dazu führte der Verfassungsgerichtshof (u.a.) aus, mit der Argumentation, die Regelung des § 31 Abs. 5 BauO sei im Hinblick auf die darin enthaltene Nachweispflicht verfassungswidrig, sei die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Diese Nachweispflicht dürfe freilich bei verfassungskonformer Auslegung - auch im Lichte des Art. 11 Abs. 2 B-VG - nicht überspannt werden. So müsse es etwa im Falle von für die Behörde offenkundigen Tatsachen, die nach § 45 Abs. 1 AVG keines Beweises bedürften (z.B. einer bei der Behörde selbst aktenkundigen Betriebsanlagengenehmigung oder von im seinerzeitigen Betriebsanlagenverfahren erstellten lärmtechnischen Gutachten), ausreichen, auf diese Tatsachen hinreichend bestimmt hinzuweisen. Dennoch sei die Beschwerde begründet, weil die Landesregierung mit dem genannten Flächenwidmungsplan eine gesetzwidrige Verordnung angewendet habe und nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen sei, dass deren Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig gewesen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss des - gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 zuständig gewordenen - Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde unter Spruchpunkt I. der als Beschwerde zu behandelnden Vorstellung der Mitbeteiligten stattgegeben und der Bescheid des Gemeinderates vom 29. Dezember 2010 aufgehoben sowie die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an den Gemeinderat zurückverwiesen. Unter Spruchpunkt III. dieses Beschlusses erklärte das Verwaltungsgericht eine ordentliche Revision hinsichtlich des Spruchpunktes I. für zulässig.

Dazu führte das Verwaltungsgericht aus, dass es zwar grundsätzlich zur meritorischen Entscheidung verpflichtet sei. Dies gelte jedoch nicht, wenn der maßgebliche Sachverhalt nicht feststehe. Da der Verfassungsgerichtshof den genannten Flächenwidmungsplan im dargestellten Umfang als gesetzwidrig aufgehoben habe, sei der den Revisionswerbern erteilten Baubewilligung die Rechtsgrundlage entzogen worden. Der Wegfall dieser Grundlage bewirke, dass die darauf bezogenen Sachverhaltsannahmen der Baubehörde nunmehr unzutreffend seien. Damit stehe auch der für eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes maßgebliche Sachverhalt nicht (mehr) fest.

Eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes komme unter der Annahme, dass für das hier relevante Grundstück Nr. 378/4 nunmehr keine Flächenwidmung gelte (mit der Folge, dass das gegenständliche Wohnhaus jedenfalls nicht in Widerspruch zu einer Flächenwidmung stehen würde - Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes), schon deshalb nicht in Betracht, weil bei einer solchen Rechtsanschauung im Ergebnis die genannten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und insbesondere die dort angesprochene Thematik der an die Tischlereibetriebsanlage heranrückenden Wohnbebauung unterlaufen würden.

Die Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG sei auf einen Fall wie den gegenständlichen nicht anwendbar, weil der für eine allfällige Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes maßgebliche Sachverhalt schon aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht festgestellt werden könnte. Es werde vielmehr Aufgabe des Gemeinderates als Verordnungsgeber sein, hinsichtlich des Grundstückes der Bauwerber eine Flächenwidmung zu erlassen, die der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung trage. Erst wenn eine solche Flächenwidmung vorliege, könne der darauf bezogene, für die gegenständliche Rechtssache maßgebliche Sachverhalt im Sinne des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG festgestellt werden, sodass in weiterer Folge eine neue Sachentscheidung der Baubehörde getroffen werden könne.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vorliege, ob die Bestimmung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz iVm Abs. 2 Z 1 VwGVG das Verwaltungsgericht zu einer kassatorischen Entscheidung berechtige, wenn die für eine meritorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes maßgebliche Grundlage durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (hier: Aufhebung der für das Wohnbauvorhaben relevanten Widmung samt eines näher bezeichneten Planes im örtlichen Entwicklungskonzept) nachträglich wegfalle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, den angefochtenen Beschluss in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Gemeinderat erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unbegründet abzuweisen.

Auch die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revisionswerber bringen vor, das Verwaltungsgericht habe sich über das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/05/0005, hinweggesetzt. Da für das zu bebauende Grundstück derzeit keine Flächenwidmung gelte, könne der Baubewilligungsantrag der Revisionswerber schon begrifflich nicht in Widerspruch zu einer Flächenwidmung stehen. Der Verfassungsgerichtshof habe zwar in dem genannten Erkenntnis, B 1114/2011, ausgesprochen, es könne nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen werden, dass die Anwendung des aufgehobenen Flächenwidmungsplanes für die Rechtsstellung der Mitbeteiligten nachteilig gewesen sei. Er habe jedoch nicht näher ausgeführt, warum dieser konkret ein subjektives Recht auf Abweisung der beantragten Baubewilligung zukommen solle, wenn für das Baugrundstück gar keine Widmung gelte.

Im ersten Rechtsgang sei bereits abschließend geprüft worden, ob die beantragte Baubewilligung zu Lasten der Mitbeteiligten gegen § 31 Abs. 5 BauO verstoße. Die von dieser erhobenen Einwendungen seien allesamt verworfen worden. Es sei nicht erkennbar, was sich an dieser Rechtslage geändert haben solle, stelle doch § 31 Abs. 5 BauO nicht auf die Widmung des zum bestehenden Betrieb benachbarten Grundstückes, auf dem ein Wohngebäude errichtet werden solle, ab.

Ferner hätte das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abhalten und sodann den Bescheid des Gemeinderates bestätigen müssen.

Die Revision ist aus den im angefochtenen Beschluss zur Begründung der Zulässigkeit einer solchen getroffenen Ausführungen zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu.

Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die in diesem Zeitpunkt maßgebliche Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 19. Mai 2015, Ra 2015/05/0017, mwN).

§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG

lautet:

"Erkenntnisse

§ 28. ...

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

  1. 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
  2. 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

..."

Zur Frage der Zulässigkeit einer kassatorischen Entscheidung nach § 28 VwGVG ist auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, zu verweisen, worin der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt ist.

Mit dem genannten Erkenntnis, V 42/2014 ua, hat der Verfassungsgerichtshof (u.a.) die Widmung "Bauland-Wohngebiet" für das Baugrundstück Nr. 378/4 als gesetzwidrig aufgehoben. Die somit fehlende Widmung steht der Erteilung einer Baubewilligung nicht entgegen (vgl. dazu das bereits genannte Erkenntnis, Zl. 2002/05/0005, mwH auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes).

Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, es könne erst, wenn eine neue Flächenwidmung vorliege, der maßgebliche Sachverhalt festgestellt werden, findet in der hg. Judikatur somit keine Deckung. Insoweit hat das Verwaltungsgericht daher die Rechtslage verkannt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt hätte (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 2015, Ro 2015/05/0004, mwN, und vom 29. September 2015, Ra 2015/05/0039).

Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 20. Oktober 2015

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