VwGH Ra 2015/03/0094

VwGHRa 2015/03/009416.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ing. K B in W, vertreten durch Mag. Erwin Dirnberger, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2015, Zl W106 2114255-1/2E, betreffend Entziehung der Sachverständigeneigenschaft (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Handelsgerichts Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

ÄrzteG 1998 §4 Abs2 Z3;
FSG 1997 §34 Abs2;
KFG 1967 §57a Abs2;
PsychotherapieG §11 Z4;
RAO 1868 §5 Abs2;
SDG 1975 §10 Abs1 Z1;
SDG 1975 §2 Abs2 Z1 lite;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 2015 wurde dem Revisionswerber die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger gemäß § 10 Abs 1 Z 1 SDG entzogen.

Dem legte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes zu Grunde:

Der Revisionswerber - seit Juni 2002 als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Bauabwicklung, Gebäude plus Facility Management in die Sachverständigenliste eingetragen - war im Oktober 2010 als Schiedsgutachter bei Abwicklung eines Bauträgervertrages bestellt worden. Über Ersuchen des Treuhänders der Parteien des Kaufvertrags (der Vertrag über die vom Verkäufer noch zu errichtende Dachgeschoßwohnung hatte die Auszahlung des Kaufpreises nach einem an den jeweiligen Baufortschritt geknüpften Ratenplan vorgesehen) erstellte er eine Baufortschrittsmeldung. In dieser bestätigte er nach Besichtigung der Baustelle die "Fertigstellung Rohbau und Dach", obwohl tatsächlich weder Rohbau noch Dach fertiggestellt waren, und veranlasste damit die Auszahlung des diesbezüglichen Anteils am Kaufpreis. Von der Käuferin schadenersatzrechtlich auf Rückzahlung dieses Betrags auf das Treuhandkonto geklagt, wurde er, nachdem das Erstgericht das Klagebegehren wegen seitens der Verkäuferin zwischenzeitig erbrachter Bauleistungen in einem den Klagebetrag übersteigenden Wert abgewiesen hatte, letztlich rechtskräftig zur Rückzahlung verurteilt. Berufungsgericht und Oberster Gerichtshof bejahten ungeachtet des Wertes weiterer Bauleistungen das Bestehen eines - im Verlust der Absicherung für die Fertigstellung des betreffenden Bauabschnitts liegenden - Schadens.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, durch die objektiv unrichtige Baufortschrittsmeldung, die zur Auszahlung eines beträchtlichen Betrages (rund Euro 100.000,--) geführt habe, wobei der Revisionswerber ohne jede Einschränkung oder Anmerkung die Voraussetzungen für die "Fertigstellung Rohbau und Dach" festgestellt und den Kaufpreisanteil freigegeben habe, sei der nach dem BTVG verfolgte und auch im Bauträgervertrag vereinbarte Sicherungszweck einer abschnittsweisen Zahlung des Kaufpreises vereitelt worden. Dieses Vorgehen dokumentiere eine fehlende Achtung gesetzlicher wie vertraglicher Bestimmungen, die der Revisionswerber nach eigenem Gutdünken und gegen Wortlaut und Zweck unvertretbar - und in der Baufortschrittsmeldung nicht dokumentiert - ausgelegt habe.

Auch wenn der Revisionswerber eine derartige Vorgangsweise generell bis zum Anlassfall gehandhabt hatte, wenn er der Auffassung gewesen sei, dass die Auszahlung des Teilbetrages wegen teilweiser Erledigung anderer Bauabschnitte gerechtfertigt sei, belege dies entgegen seiner Auffassung nicht seine Vertrauenswürdigkeit, sondern zeige vielmehr, dass ihm zumindest Problembewusstsein und Sorgfalt fehlten.

Angesichts des objektiv krassen Fehlverhaltens sei das Vertrauen auf die Gesetzestreue, Sorgfalt und Korrektheit des Revisionswerbers in seiner Eigenschaft als Sachverständiger nicht wiederhergestellt.

Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Nach einer zusammenfassenden Darstellung des Verfahrensgangs (unter Übernahme der behördlichen Feststellungen) und des Inhalts der Beschwerde - danach habe der Revisionswerber im Wesentlichen mit näherer Begründung geltend gemacht, die inkriminierte Vorgangsweise sei vertretbar gewesen - führte das Verwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (zusammengefasst) aus, bei Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit, deren Wegfall nach § 10 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 2 Z 1 lit e SDG zur Entziehung zu führen habe, sei ein strenger Maßstab anzulegen. Entscheidend sei, dass der Betreffende in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtsuchende Bevölkerung von einem in die Sachverständigenliste Eingetragenen verlangen könne.

Die dem Revisionswerber angelastete Verfehlung führe zu einer ebenso schweren Störung der Vertrauenswürdigkeit wie in näher genannten, vom Verwaltungsgerichtshof bereits entschiedenen Fällen. Es sei der behördlichen Argumentation beizupflichten, dass sich der Revisionswerber bei der Erstellung einer Baufortschrittsmeldung an die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben zu halten habe. Vom klaren Wortlaut des Ratenplanes ausgehend, wonach 35 % des Kaufpreises nach Fertigstellung des Rohbaus und des Dachs zu zahlen seien, hätte der Revisionswerber - ohne jeden Interpretationsspielraum - bloß zu prüfen gehabt, ob diese Bauphase erreicht wurde. Es sei ihm, der gerade wegen seiner Fachkenntnisse als Schiedsrichter bestellt worden sei, um zu beurteilen, ob die einzelnen Bauphasen abgeschlossen seien, aber nicht oblegen, rechtliche Beurteilungen anzustellen. Zudem enthalte die von ihm erstattete - objektiv unrichtige - Baufortschrittsmeldung keinerlei Hinweise auf eine allfällige "Aufrechnung" mit Wertsteigerungen wegen anderer Bauleistungen. Der Revisionswerber sei seiner Aufgabe daher nicht mit der nötigen Sorgfalt und Rechtstreue nachgegangen.

Die Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte außerordentliche Revision.

1. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art 133 Abs 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art 133 Abs 9 B-VG).

Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

2. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

Die Revision erachtet entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Zulässigkeit deshalb als gegeben, weil es zur Rechtsfrage, ob ein einmaliger Fehler bei Erstattung einer Baufortschrittsmeldung, die zwar objektiv unrichtig, aber inhaltlich nicht unvertretbar sei, bzw dazu, ob die Erstattung eines objektiv unrichtigen Gutachtens alleine schon zur Vertrauensunwürdigkeit führe, keine Judikatur gebe. Die vom Verwaltungsgericht genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs seien mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar.

3. Mit diesem Vorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des vorliegenden Falles von der Beantwortung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhinge.

3.1. Gemäß § 2 Abs 1 SDG sind die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher einzutragen, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SDG, darunter die "Vertrauenswürdigkeit" (Z 1 lit e) des Bewerbers, gegeben sind.

Gemäß § 10 Abs 1 SDG ist die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger durch Bescheid ua dann zu entziehen, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung weggefallen sind (Z 1).

3.2. Das SDG enthält - wie auch weitere Gesetze, die als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufnahme und der weiteren Ausübung einer beruflichen Tätigkeit Vertrauenswürdigkeit normieren (vgl etwa § 5 Abs 2 RAO hinsichtlich der anwaltlichen Tätigkeit; § 34 Abs 2 FSG hinsichtlich der Tätigkeit als Sachverständiger zur Begutachtung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen; § 57a Abs 2 KFG 1967 hinsichtlich der Durchführung der wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen; § 4 Abs 2 Z 3 ÄrzteG 1998 hinsichtlich der ärztlichen Tätigkeit; § 11 Z 4 PsychotherapieG hinsichtlich der Tätigkeit als Psychotherapeut) - keine nähere Begriffsbestimmung der Vertrauenswürdigkeit.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs betrifft die Frage der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen iSd SDG seine persönlichen Eigenschaften. Es kommt darauf an, ob jemand in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtssuchende Bevölkerung von jemandem erwarten darf, der in die Liste der Sachverständigen eingetragen ist. In Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, darf daher nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen; bei dieser Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen; auch ein einmaliges - gravierendes - Fehlverhalten kann Vertrauensunwürdigkeit begründen (vgl etwa VwGH vom 23. März 1999, 96/19/1229, vom 3. Juli 2000, 98/10/0368, und vom 26. Juni 2008, 2008/06/0033).

Einem Zusammenhang mit der jeweiligen beruflichen Tätigkeit kommt bei Beurteilung des Erfordernisses der Vertrauenswürdigkeit besondere Bedeutung zu (vgl die zitierten hg Erkenntnisse 98/10/0368 und 2008/06/0033; VwGH vom 24. Februar 2005, 2003/11/0252, hinsichtlich der ärztlichen Tätigkeit, VwGH vom 27. September 2007, 2006/11/0230, betreffend eine Tätigkeit als Psychotherapeut).

3.3. Dem angefochtenen Erkenntnis liegt (wie schon dem behördlichen Bescheid) die Auffassung zu Grunde, der Revisionswerber sei bei Erstattung des in Rede stehenden Gutachtens (Baufortschrittsmeldung) nicht mit der nötigen Sorgfalt und Rechtstreue vorgegangen; es fehle ihm daher die - für einen Sachverständigen erforderliche - Seriosität, weshalb die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger zu entziehen gewesen sei.

3.4. Das - oben wiedergegebene - Revisionsvorbringen zeigt nicht auf, dass mit dieser Beurteilung die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien überschritten worden seien.

Entgegen der Auffassung der Revision kann der Beurteilung nämlich nicht zu Grunde gelegt werden, das vom Revisionswerber in seiner Eigenschaft als Sachverständiger erstattete Gutachten sei "inhaltlich nicht unvertretbar" gewesen. Wesentliche - und einzige - Frage des abzugebenden Gutachtens war, ob Rohbau und Dach des zu beurteilenden Bauvorhabens "fertiggestellt" waren, hingegen war keine Beurteilung des Werts erbrachter Bauleistungen vorzunehmen oder der Wert von über den definierten Baufortschritt hinausgehenden Leistungen demjenigen der für die Erreichung dieses Baufortschritts noch erforderlichen Leistungen gegenüberzustellen. Demgemäß enthält die inkriminierte Baufortschrittsmeldung auch die Wendung, es werde "aus technischer Sicht der Status ... festgestellt", aber keinen Hinweis auf eine - allenfalls in einem Schadenersatzprozess gegen Bauträger oder Sachverständigen relevante - wertmäßige Gegenüberstellung. Dem Revisionswerber musste dabei - schon aufgrund der Besichtigung der Baustelle - klar sein, dass weder Dach noch Rohbau fertiggestellt waren.

Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dieses Verhalten sei geeignet, das Vertrauen in die seriöse Arbeitsweise des Revisionswerbers als Sachverständiger begründet in Zweifel zu ziehen, ist angesichts des Gewichts der dem Revisionswerber angelasteten Verfehlung nicht zu beanstanden.

4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2015

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