Normen
32009L0104 Arbeitnehmer-RL Sicherheit Gesundheitsschutz 02te Art2 litb;
ArbeitsmittelV 2000 §17 Abs1;
ArbeitsmittelV 2000 §2;
ASchG 1994 §130 Abs1 Z16;
ASchG 1994 §33 Abs1;
B-VG Art130 Abs4;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art151 Abs51 Z8;
EURallg;
VStG §44a Z1;
VStG §51 Abs6;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015020143.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28. Oktober 2014 wurde der Revisionswerber als verantwortlicher Beauftragter der K. GmbH schuldig erkannt, er habe
"folgende Übertretung der Arbeitsmittel-Verordnung zu verantworten:
Die Arbeitsinspektorin (W.) vom Arbeitsinspektorat Linz hat bei einer Unfallerhebung am 19.5.2014 festgestellt, dass
am 19.5.2014
in der Arbeitsstätte (...) an der Furnierklebemaschine (...) der Arbeitnehmer (K.) mit Einstell- bzw. Störungsbeseitigungsarbeiten an einer in Betrieb befindlichen Maschine (Arbeitsmittel) beschäftigt wurde. Es wurden keine geeigneten Maßnahmen gegen ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel getroffen, vielmehr wurde der Arbeitnehmer bewusst im Gefahrenbereich an der sich in Betrieb befindlichen Maschine beschäftigt.
Dadurch wurde § 17 Abs. 1 AM-VO übertreten, wonach Einstell-, Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten sowie Arbeiten zur Beseitigung von Störungen dürfen nicht an in Betrieb befindlichen Arbeitsmitteln durchgeführt werden dürfen. Durch geeignete Maßnahmen ist ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern."
Der Revisionswerber habe dadurch § 130 Abs. 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) iVm § 17 Abs. 1 der Arbeitsmittel-Verordnung (AM-VO) verletzt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen) verhängt.
2. Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Diese wurde vom Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 2. Juni 2015 "mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im Spruch im Tatvorwurf im vorletzten Absatz der letzte Satz ('Durch geeignete Maßnahmen ist ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern') zu entfallen hat."
Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass gemäß § 25a VwGG gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.
3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4.1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, es liege eine durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeklärte Rechtsfrage zum Begriff der "Benutzung" im Sinne des § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG vor. Das angefochtene Erkenntnis betreffe ein - nach Ansicht des Revisionswerbers: vermeintliches - Fehlverhalten im Zusammenhang mit Arbeiten zur Störungsbeseitigung an einem Arbeitsmittel. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass diese Arbeiten die Benutzung eines Arbeitsmittels darstellen würden und verweise dabei auf die einschlägige Definition des § 2 Abs. 2 AM-VO. Damit verkenne es jedoch, dass die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 AM-VO bloß der Auslegung der AM-VO diene, während § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG im Lichte des Begriffsverständnisses des ASchG auszulegen sei. § 35 ASchG lege Grundsätze für die Benutzung von Arbeitsmitteln fest. Arbeitsmittel dürften nach § 35 Abs. 1 Z 5 ASchG nicht benutzt werden, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können, oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind. Würden Arbeiten zur Störungsbeseitigung als Benutzung eines Arbeitsmittels gelten, wie das Verwaltungsgericht meine, so dürften diese überhaupt nicht durchgeführt werden. Arbeiten zur Störungsbehebung seien in § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG nicht erwähnt; der Tatvorwurf sei nicht unter diese Bestimmung zu subsumieren.
4.2. Gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.
Gemäß § 17 Abs. 1 AM-VO dürfen Einstell-, Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten sowie Arbeiten zur Beseitigung von Störungen nicht an in Betrieb befindlichen Arbeitsmitteln durchgeführt werden. Durch geeignete Maßnahmen ist ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern.
Das ASchG dient, wie auch die AM-VO, unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 89/655/EWG (nunmehr 2009/104/EG) über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG ). Gemäß Art. 2 lit. b der Richtlinie 2009/104/EG gelten als "Benutzung von Arbeitsmitteln" alle ein Arbeitsmittel betreffenden Tätigkeiten wie An- oder Abschalten, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung und Wartung, einschließlich insbesondere Reinigung.
Schon vor dem Hintergrund der gebotenen unionskonformen Auslegung ist es eindeutig, dass dem Begriff der "Benutzung" von Arbeitsmitteln, wie er in § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG verwendet wird, dasselbe Begriffsverständnis zugrunde liegt, wie es in § 2 AM-VO (sowie in § 33 Abs. 1 ASchG) - dort in Anlehnung an Art. 2 lit. b der Richtlinie 2009/104/EG - definiert wird ("alle ein Arbeitsmittel betreffende Tätigkeiten wie In- und Außerbetriebnahme, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung, Wartung und Reinigung"). Ebenso wie nach der entsprechenden Richtlinienbestimmung ist diese Aufzählung zudem
nicht abschließend, sondern demonstrativ ("alle ... Tätigkeiten
wie ..."). Es unterliegt damit keinem Zweifel, dass die dem Revisionswerber als verantwortlichem Beauftragten vorgeworfenen Einstell- und Störungsbeseitigungsarbeiten an der in Betrieb befindlichen Maschine als "Benutzung" des Arbeitsmittels im Sinne des § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG iVm § 17 Abs. 1 AM-VO zu beurteilen sind. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage liegt damit auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
5.1. Als weiteren Grund für die Zulässigkeit der Revision macht der Revisionswerber geltend, dass der Tatvorwurf nicht ausreichend klar sei. Der Tatvorwurf laute im Wesentlichen dahingehend, dass die Arbeitsinspektorin festgestellt habe, dass an einer Furnierklebemaschine der Arbeitnehmer K. mit Einstell- bzw. Störungsbeseitigungsarbeiten an einer im Betrieb befindlichen Maschine beschäftigt worden sei. Im Ergebnis bedeute dies, dass dem Revisionswerber eine Feststellung der Arbeitsinspektorin vorgeworfen werde. § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG sehe jedoch nicht vor, dass die Feststellung einer Arbeitsinspektorin strafbar wäre.
5.2. Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (vgl. uva das hg. Erkenntnis vom 27. März 2015, Zl. Ra 2015/02/0025).
Durch die Abweisung der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, der nach § 44a Z 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hatte, mit einer - hier nicht relevanten - Maßgabe bestätigt.
Im vorliegenden Fall beginnt die Umschreibung der Tat mit dem Hinweis darauf, dass diese von einer näher genannten Arbeitsinspektorin bei einer Unfallerhebung am 19. Mai 2014 festgestellt worden sei. Dem Revisionswerber ist einzuräumen, dass dieser Beisatz bei einer ausschließlich grammatikalischen Auslegung zu dem von ihm dargelegten Verständnis des Tatvorwurfs führen könnte. Eine verständige, den Zusammenhang und den Sinn des Ausspruchs berücksichtigende Auslegung - auch im Hinblick darauf, dass das vom Revisionswerber dargelegte enge, rein grammatikalisch gewonnene Verständnis evident zu einem absurden Ergebnis führen würde (wonach nämlich der Revisionswerber für Feststellungen der Arbeitsinspektorin verantwortlich wäre) - ergibt jedoch, dass die Tat nicht in der Feststellung der Arbeitsinspektorin besteht. Von diesem Verständnis ist im Übrigen auch der Revisionswerber im Verfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde und vor dem Verwaltungsgericht ausgegangen, wie etwa seine Rechtfertigung vom 26. Juni 2014 und seine Beschwerde zeigen.
Der vom Revisionswerber behauptete Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Umschreibung der Tat nach § 44a Z 1 VStG liegt damit nicht vor.
6.1. Schließlich macht der Revisionswerber geltend, dass das angefochtene Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Reduktion der Strafhöhe bei eingeschränktem Tatvorwurf widerspreche. Das Verwaltungsgericht habe den Spruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land "konkretisiert, weil aus dem Tatvorwurf nicht ersichtlich war, welches konkrete Tatverhalten dem Revisionswerber vorgeworfen wurde." Dadurch seien die ursprünglich vorgeworfenen beiden Tatbestände des § 17 Abs. 1 AM-VO auf einen Tatvorwurf eingeschränkt worden. Dennoch habe es das Verwaltungsgericht verabsäumt, die Strafe herabzusetzen.
6.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist die bisherige Rechtsprechung zur Entscheidungsbefugnis der Berufungsinstanz und ihrer Verpflichtung zur Herabsetzung der Strafe im Falle der Reduktion des Tatvorwurfs grundsätzlich auf die Verwaltungsgerichte übertragbar (vgl. den hg. Beschluss vom 2. September 2014, Zl. Ra 2014/17/0019).
Das Verwaltungsgericht ist von dieser Rechtsprechung auch nicht abgewichen, weil es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers keine quantitative oder qualitative Reduktion des Tatvorwurfs vorgenommen hat. Das Verwaltungsgericht hat lediglich - wie sich aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ergibt - eine "Spruchberichtigung" vorgenommen, die seiner Ansicht nach zur Klarstellung erforderlich und in der gesetzlichen Bestimmung begründet gewesen sei. Der eigentliche Tatvorwurf, wie er in jenem Absatz des Spruchs, der dem modifizierten Spruchteil vorangeht, enthalten ist, blieb demgegenüber unverändert.
7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2015
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)