VwGH Ra 2015/02/0042

VwGHRa 2015/02/00426.7.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision des K in L, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 16. Februar 2015, Zl. LVwG-4/1513/2-2015, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §52 lita Z10a;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
StVO 1960 §99 Abs2d idF 2009/I/093;
StVO 1960 §99 Abs2e idF 2009/I/093;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
StVO 1960 §99;
VStG §19 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich seines Straf- und Kostenausspruchs wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 27. November 2014 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe am 20. September 2014 um 20:52 Uhr als Lenker an einem näher bestimmten Ort, welcher außerhalb eines Ortgebietes liege, die in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 64 km/h überschritten. Wegen einer Übertretung nach § 52 lit. a Z 10a StVO wurde über den Revisionswerber gemäß § 99 Abs. 2e StVO eine Strafe von EUR 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 84 Stunden) verhängt.

Die - nur gegen die Strafhöhe gerichtete - Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber als Lenker eines Kraftfahrzeuges im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liege, die dort kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 64 km/h, also um 91,43 % und somit gravierend überschritten habe. Der Schutzzweck der Norm, die den Lenker eines Kraftfahrzeuges verpflichte, die mit dem Vorschriftszeichen nach § 52 lit a Z 10a StVO angezeigten Geschwindigkeit nicht zu überschreiten, liege darin, alle Gefahren im Straßenverkehr zu vermeiden, die eine überhöhte Geschwindigkeit mit sich brächten. Diesem Schutzzweck werde durch die eklatante Überschreitung der festgelegten Höchstgeschwindigkeit um mehr als 91 % zuwider gehandelt, weshalb die gegenständliche Übertretung einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Vorschriften der StVO darstelle (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0063). Der Unrechtsgehalt dieser Übertretung sei daher als erheblich einzustufen. Durch die gravierende Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit werde die Verkehrssicherheit massiv reduziert, weil solch überhöhte Geschwindigkeiten wie in diesem Fall immer wieder Ursache für schwere und schwerste Verkehrsunfälle darstellen. Als nachteilige Folge der Tat sei anzuführen, dass durch vermehrten Schadstoffausstoß und erhöhte Lärmbelästigung eine erhöhte Umweltbelastung entstehe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. November 1989, Zl. 89/03/0278). Andere nachteilige Folgen seien nicht hervorgekommen.

Als strafmildernd wertete das Verwaltungsgericht die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, andere Milderungsgründe seien nicht hervorgekommen. An Verschulden sei dem Revisionswerber zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Aufgrund der vom Revisionswerber gemachten Angaben sei von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen. Die Strafhöhe sei auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen erforderlich.

Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zulassen, dieser Folge geben und das angefochtene Erkenntnis aufheben. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie beantragte, die Revision als unbegründet abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 99 Abs. 2e StVO in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 39/2013 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

2. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, er habe bereits in seiner Beschwerde ausgeführt, dass es der höchstgerichtlichen Judikatur zum Doppelverwertungsverbot widerspreche, wenn im Rahmen der Strafbemessung der Umstand herangezogen werde, dass bei einer derartigen Übertretung dem Schutzzweck der Norm gravierend zuwider gehandelt werde, weil dieses Wertungs- und Strafbemessungskriterium bereits der Gesetzgeber bei der Normierung des von der Behörde herangezogenen Strafrahmens des § 99 Abs. 2e StVO berücksichtigt habe. Das Verwaltungsgericht sei in seiner rechtlichen Beurteilung mit keinem Wort darauf eingegangen sei. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht mehrfach darauf hingewiesen, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 91 % gravierend sei und deshalb ein schwerwiegender Verstoß gegen die StVO vorliege. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürften Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafrahmen relevant sind, nicht zusätzlich als Strafbemessungsgründe berücksichtigt werden.

3. Die vorliegende Revision ist entgegen dem Ausspruch im angefochtenen Erkenntnis zulässig, weil das Verwaltungsgericht, wie der Revisionswerber zutreffend aufzeigt, bei der Strafbemessung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Zur Zulässigkeit ist außerdem festzuhalten, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung kein Fall des § 25a Abs. 4 VwGG vorliegt, weil der Strafrahmen des hier anzuwendenden § 99 Abs. 2e StVO bis zu EUR 2.180,-- beträgt.

4. Das Verwaltungsgericht vertritt unter Verweis auf die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0063, und vom 15. November 1989, Zl. 89/03/0278, zur Bemessung der Strafe im Wesentlichen die Ansicht, dass dem Schutzzweck der Norm, die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht zu überschreiten, durch die eklatante Überschreitung der festgelegten Höchstgeschwindigkeit zuwider gehandelt werde. Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Übertretung sei als erheblich einzustufen. Die Verkehrssicherheit werde massiv reduziert, außerdem komme es zu einer erhöhten Umweltbelastung.

Das Verwaltungsgericht übersieht bei dieser Beurteilung, dass sich die Rechtslage seit dem für die von ihm zitierten hg. Erkenntnisse maßgebenden Zeitpunkten geändert hat. Die hier maßgebende Bestimmung des § 99 Abs. 2e StVO wurde mit BGBl. I Nr. 93/2009 eingefügt, und sieht seitdem, gemeinsam mit dem ebenfalls neu eingefügten § 99 Abs. 2d StVO, Mindest- sowie Höchststrafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen ab einem bestimmten Ausmaß vor. Nach der für die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung maßgeblichen Rechtslage hingegen war eine derartige Gliederung der Strafrahmen nach dem Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung gesetzlich noch nicht vorgesehen. Es wurde nur zwischen qualifizierten (§ 99 Abs. 2 lit. c StVO) Geschwindigkeitsübertretungen - die unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit begangen wurden - und nicht-qualifizierten (§ 99 Abs. 3 lit. a StVO) Geschwindigkeitsüberschreitungen unterschieden.

5. Aufgrund des Doppelverwertungsverbotes dürfen Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2004, Zl. 2004/02/0037, m.w.N.). Da im gegenständlichen Fall das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung bereits für den anzuwendenden Strafsatz relevant ist, hätten die vom Verwaltungsgericht angeführten negativen Folgen der gegenüber der erlaubten Höchstgeschwindigkeit besonders stark ("um mehr als 91 Prozent") erhöhten Geschwindigkeit nicht auch noch bei der Strafbemessung berücksichtigt werden dürfen. Der Gesetzgeber hat diese Umstände bereits durch die Gliederung der Absätze in § 99 StVO mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen entsprechend gewichtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juli 2002, Zl. 2002/11/0113). Eine besonders massive Überschreitung der strafsatzbestimmenden Geschwindigkeitsgrenze (hier also der um 50 km/h erhöhten zulässigen Höchstgeschwindigkeit), die zulässigerweise im Rahmen der Strafbemessung nach § 99 Abs. 2e StVO berücksichtigt werden könnte, liegt im Anlassfall nicht vor.

6. Da das Verwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen hat, war das angefochtene Erkenntnis daher hinsichtlich des Straf- und Kostenausspruchs gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 6. Juli 2015

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