VwGH Ro 2014/15/0018

VwGHRo 2014/15/001830.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Univ. Prof. Dr. F Z in L, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 23. Dezember 2013, Zl. RV/1089-L/10, miterledigt RV/1090-L/10, RV/1345-L/10, betreffend Einkommensteuer 2005, 2006 und 2008, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §4 Abs4 Z4 idF 2005/I/161;
EStG 1988 §4 Abs4 Z4 idF 2007/I/024;
EStG 1988 §4 Abs4 Z4a idF 2002/I/068;
EStG 1988 §4 Abs4 Z4 idF 2005/I/161;
EStG 1988 §4 Abs4 Z4 idF 2007/I/024;
EStG 1988 §4 Abs4 Z4a idF 2002/I/068;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Revision und dem mit ihr vorgelegten Bescheid geht hervor:

Der Revisionswerber ist Professor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät einer österreichischen Universität. Neben Einkünften aus dem Dienstverhältnis und Vermietungen erzielte er in den Streitjahren selbständige Einkünfte aus Rechtsberatungen bzw. Rechtsgutachten.

In den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 sowie in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 beantragte der Revisionswerber, bei den selbständigen Einkünften einen Forschungsfreibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 ("Frascati-Freibetrag") gewinnmindernd in Ansatz zu bringen. Nach den Angaben eines Beraters entspreche ein Großteil seiner Tätigkeit den Begriffsbestimmungen der Verordnung BGBl. II Nr. 506/2002.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen des Revisionswerbers betreffend Einkommensteuer 2005, 2006 und 2008 ab und änderte den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2008 ab. Der jeweils geltend gemachte "Frascati-Freibetrag" wurde von der belangten Behörde nicht gewinnmindernd berücksichtigt.

Die belangte Behörde führte - nach Schilderung des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, die zu beurteilenden Rechtsgutachten würden Feststellungen und Lösungsansätze zur Geltung, Anwendbarkeit und Interpretation von nationalen, europarechtlichen und völkerrechtlichen Rechtsnormen für spezifische Gestaltungsakte der jeweiligen Auftraggeber (vorwiegend öffentliche Hand bzw. Betriebe in deren Einflussbereich) zu folgenden Themen betreffen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

§ 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 (in der Fassung des AbgÄG 2005, BGBl. I Nr. 161/2005) lautete:

"Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls:

4. Ein Forschungsfreibetrag in Höhe von 25% für Aufwendungen (Ausgaben) zur Forschung und experimentellen Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kritierien zur Festlegung der förderbaren Forschungsaufwendungen (-ausgaben) mittels Verordnung festzulegen. Der Freibetrag kann von jenen Aufwendungen nicht geltend gemacht werden, die Grundlage eines Forschungsfreibetrages gemäß Z 4a sind. Die Geltendmachung kann auch außerbilanzmäßig erfolgen. Voraussetzung ist, dass der Freibetrag in der Steuererklärung an der dafür vorgesehenen Stelle ausgewiesen wird. Eine Berichtigung einer unrichtigen oder unterlassenen Eintragung ist bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich."

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl. I Nr. 24/2007, wurde der vierte Satz dieser Bestimmung geändert und lautete sodann:

"Der Freibetrag kann von Aufwendungen nicht geltend gemacht werden, die einem Betrieb oder einer Betriebsstätte außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes zuzurechnen sind oder die Grundlage eines Forschungsfreibetrages gemäß Z 4a sind."

Der Forschungsfreibetrag wurde - damals als § 4 Abs. 4 Z 4a EStG 1988 - mit dem Konjunkturbelebungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 68/2002, eingeführt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (977 BlgNR 21. GP , 12 f) wurde hiezu ausgeführt:

"Im Vergleich zu der in § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 derzeit gebrauchten Definition von 'Forschungsaufwendungen' ist dieser Begriff nach der OECD-Definition weiter gefasst. Es zählen dazu - auf der Grundlage des so genannten 'Frascati Manual' - Aufwendungen für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, die über die nach der derzeit primär am Erfindungsbegriff orientierten Abgrenzung hinausgehen. Im Hinblick auf eine stärkere Ausrichtung der Forschungsförderung auf international gebräuchliche Standards, soll neben dem - weiter bestehen bleibenden - bisherigen Forschungsfreibetrag ein neuer Forschungsfreibetrag auf Basis des weiter gefassten Begriffes von Forschungsaufwendungen eingeführt werden.

Unter Forschung und Entwicklung ist nach der in der OECD gebräuchlichen Definition schöpferische Tätigkeit zu verstehen, welche auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Dies umfasst ua. auch Forschungen im Bereich von Dienstleistungen. Nicht unter Forschung und Entwicklung fallen weiterhin zB Versuchsproduktionen und erforderliche Werkzeugausrüstung, die Marktentwicklung von Produkten bzw. die Vorproduktionsplanung, nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit F&E-Projekten stehende administrative und juristische Patent- und Lizenzarbeiten, routinemäßige Qualitäts- und Produktionskontrollen sowie Materialprüfungen, Datensammlung und Dokumentation (außer direkt für ein bestimmtes Forschungsprojekt), Marktforschung und routinemäßige Herstellung von Software.

(...)

Um Betrieben, die eine ungünstige Ertragslage haben, ebenfalls eine steuerliche Forschungsförderung zuteil werden zu lassen, wird für Forschungsaufwendungen im Sinne der weiten Definition nach dem Frascati Manual wahlweise eine Forschungsprämie in Höhe von 3% eingeführt (siehe dazu § 108c)."

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Kriterien zur Festlegung förderbarer Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (-ausgaben) gemäß § 4 Abs. 4 Z 4a bzw. § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988, BGBl. II Nr. 506/2002, lautet auszugsweise:

"Anhang I

Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen

A. Allgemeine Begriffsbestimmungen

1. Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 4a EStG 1988 ist eine schöpferische Tätigkeit, die auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Forschung und experimentelle Entwicklung in diesem Sinne umfasst Grundlagenforschung (Z 2) und/oder angewandte Forschung (Z 3) und/oder experimentelle Entwicklung (Z 4). Sie umfasst sowohl den naturwissenschaftlich-technischen als auch den sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich.

2. Grundlagenforschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens ohne Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel zu vermehren.

3. Angewandte Forschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens zu vermehren, jedoch mit Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel.

4. Experimentelle Entwicklung umfasst den systematischen Einsatz von Wissen mit dem Ziel, neue oder wesentlich verbesserte Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Methoden oder Systeme hervorzubringen.

5. Fehlgeschlagene Forschung und experimentelle Entwicklung:

Unter den Voraussetzungen der Punkte 1. bis 4. sind auch Aufwendungen (Ausgaben) für eine fehlgeschlagene Forschung und experimentelle Entwicklung begünstigt.

Als Grundsatz gilt, dass Forschung und experimentelle Entwicklung (Z 1) in Tätigkeiten besteht, deren primäres Ziel die weitere technische Verbesserung des Produktes oder des Verfahrens ist. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung der experimentellen Entwicklung von Produktionstätigkeiten. Sind hingegen das Produkt oder das Verfahren im Wesentlichen festgelegt und ist das primäre Ziel der weiteren Arbeiten die Marktentwicklung oder soll durch diese Arbeiten das Produktionssystem zum reibungslosen Funktionieren gebracht werden, können diese Tätigkeiten nicht mehr der Forschung und experimentellen Entwicklung (Z 1) zugerechnet werden."

Die Verordnung enthält in der Folge "weitere Abgrenzungen".

Juristische Arbeiten werden in folgenden Punkten angeführt:

"5. Lizenzarbeiten: Administrative und juristische Arbeiten, die im Zusammenhang mit Lizenzen stehen, fallen nur dann unter Forschung und experimentelle Entwicklung (Teil A, Z 1), wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten (Teil A, Z 1) stehen. (...)

8. Patentarbeiten: Administrative und juristische Arbeiten, die im Zusammenhang mit Patenten stehen, fallen nur dann unter Forschung und experimentelle Entwicklung (Teil A, Z 1), wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten (Teil A, Z 1) stehen."

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage sollte der Begriff der Forschung und Entwicklung über die bisherige - am Erfindungsbegriff orientierte - Abgrenzung hinausgehen. Die Forschungsförderung solle auf international gebräuchliche Standards ausgerichtet werden. Hiezu wurde die OECD-Definition im "Frascati Manual" genannt. Es entspricht also offenkundig der Absicht des Gesetzgebers, dieses "Frascati Manual" zur Auslegung des Begriffes Forschung und Entwicklung (ergänzend) heranzuziehen (vgl. nunmehr die ausdrückliche Regelung in Anhang I, Allgemeine Begriffsbestimmungen, der Forschungsprämienverordnung, BGBl. II Nr. 515/2012).

Das "Frascati-Manual 2002" ("The Measurement of Scientific and Technological Activities - Proposed Standard Practice for Surveys on Research and Experimental Development"), herausgegeben von der OECD, definiert Forschung und Entwicklung als (Tz 63):

"Research and experimental development (R&D) comprise creative work undertaken on a systematic basis in order to increase the stock of knowledge, including knowledge of man, culture and society, and the use of this stock of knowledge to devise new applications."

Bereits in Tz 19 Frascati-Manual wird darauf verwiesen, dass die UNESCO einen weiteren Begriff der wissenschaftlichen und technologischen Aktivitäten ("Scientific and Technological Activities") entwickelt habe. Dieser umfasse - über Forschung und Entwicklung hinaus - etwa auch Beratungsleistungen ("client counselling and advisory services").

In Tz 65 Frascati-Manual wird darauf verwiesen, dass Forschung und Entwicklung unterschieden werden müsse von verwandten Tätigkeiten mit einer wissenschaftlichen und technologischen Grundlage. Dies betreffe u.a. "policy-related studies" (Tz 76), die etwa bestehende Programme analysierten und bewerteten.

Das grundlegende Kriterium für die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung von verwandten Tätigkeiten sei das Vorhandensein eines nennenswerten Elementes der Neuheit sowie die Lösung einer wissenschaftlichen oder technologischen Unsicherheit (Tz 84). Im Bereich der "Social Sciences" - die Rechtswissenschaften zählen nach der im Frascati Manual dargelegten Klassifizierung zu den "Social Sciences" (vgl. Tabelle 3.2; ebenso die Österreichische Systematik der Wissenschaftszweige 2012 der Statistik Austria) - sei es häufig der Zweck einer Studie, eine Entscheidung (von Regierungsstellen oder auch von Unternehmen) vorzubereiten. Üblicherweise würden solche Studien bereits vorhandene Methoden verwenden. Manchmal sei es aber notwendig, vorhandene Methoden zu modifizieren oder neue zu entwickeln. Diese Modifikationen und Entwicklungen sollten als Forschung und Entwicklung beurteilt werden (Tz 109; hiezu wird verwiesen auf Abschnitt 2.4.2 des Manuals).

In jenem Abschnitt (Tz 143 f) wird sodann ausgeführt, im Bereich der "Social Sciences" sei wiederum der Umstand, dass ein nennenswertes Element der Neuheit oder die Lösung einer wissenschaftlichen oder technologischen Unsicherheit vorliege, ein nützliches Kriterium für die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung. Das Element der Neuheit könne sich auf den konzeptionellen, methodischen oder empirischen Teil des Projektes beziehen. Routineprojekte, in denen Sozialwissenschaftler vorhandene Methoden, Grundsätze und Modelle ihrer Wissenschaft auf ein bestimmtes Problem anwenden, könnten nicht als Forschung qualifiziert werden. Als Beispiel wird ein Kommentar zu den wahrscheinlichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Änderung der Steuerstruktur unter Verwendung vorhandener wirtschaftlicher Daten angeführt.

Daraus erhellt, dass die aufgrund bestehender Methoden angewandte Forschung im Bereich der Sozialwissenschaften einen Freibetrag iSd § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 nicht vermittelt.

Auf die Ausführungen in der Stellungnahme der FFG kommt es sohin nicht an, sodass eine Relevanz des in der Revision behaupteten Verfahrensmangels nicht erkennbar ist.

Da der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG - mit der dort angeführten Maßgabe - iVm § 28 Abs. 5 BFGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 30. September 2015

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