VwGH Ra 2014/08/0051

VwGHRa 2014/08/005123.1.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision der T M in Wien, vertreten durch Dr. Ingo Riss, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. September 2014, Zl. W218 2009694-1/4E, betreffend Verlust des Arbeitslosengeldes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z3;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass die Revisionswerberin den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 5. Mai bis zum 15. Juni 2014 verliere. Gemäß § 25a VwGG sei die ordentliche Revision nicht zulässig.

Es stellte fest, die Revisionswerberin hätte "zur Verbesserung ihrer Ausgangssituation" ab dem 5. Mai 2014 an der Maßnahme (iSd § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG) "ACE-Aktivierung, Coaching und EDV" teilnehmen sollen und sei über die Folgen einer Nichtteilnahme aufgeklärt worden. Sie sei am 5. Mai 2014 nicht zum Kursbeginn erschienen. Ein späterer Kurseinstieg sei nicht möglich gewesen. Im Rahmen der Beweiswürdigung traf das Bundesverwaltungsgericht die weitere Feststellung, zwischen der Vereinbarung des Besuches der Maßnahme am 29. April 2014 und dem Kursbeginn liege nicht einmal eine Woche. Ein sorgfältiger Mensch könne sich diesen Termin merken und im Zweifelsfalle auf der Vereinbarung nachsehen. Als die Revisionswerberin am darauffolgenden Tag (6. Mai 2014) im Kurs erschienen sei, habe der Kursleiter ihre Teilnahme nicht mehr zugelassen. Ein nachträglicher Einstieg in den Kurs sei nicht möglich gewesen, weil dies ein neuerliches "Zubuchen des AMS" erfordert hätte. Vor der belangten Behörde habe die Revisionswerberin angegeben, sie habe den Kursbeginn verwechselt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, das Versäumen von Kurstagen würde eine Sanktion nach § 10 Abs. 1 AlVG nach sich ziehen, wenn dies die erfolgreiche Absolvierung der Schulung unmöglich mache. Der mit dem SRÄG 2012 eingefügte, am 1. Jänner 2014 in Kraft getretene § 10 Abs. 4 AlVG habe zwar die Möglichkeit eines partiellen Anspruchsverlusts geschaffen, da die Revisionswerberin aber bereits den Kursbeginn samt Informationsveranstaltung versäumt habe, sodass ein weiterer Besuch nicht möglich gewesen sei, finde Abs. 4 leg. cit. keine Anwendung. Ein "Vergessen" des Zeitpunktes des Kursbeginns könne nicht als wichtiger Grund (iSd § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG) gewertet werden.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Akten des Verfahrens vorgelegt. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Revision bringt vor, ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Kursbesuch würde (nur) bei Erreichen einer gewissen Häufigkeit und Intensität als Verweigerung der Teilnahme an einer Maßnahme gewertet werden können. Das Verwaltungsgericht habe nicht festgestellt, dass die Revisionswerberin mutwillig (vorsätzlich) dem Kurs ferngeblieben sei. Die Versäumung des Kursbeginns sei auf ein Versehen zurückzuführen.

2. Die Revision ist zulässig, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Voraussetzung dafür, dass die Vereitelung des Erfolges einer (Um‑)Schulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme angenommen werden kann, ist ein Verschulden des Leistungsbeziehers in Form des Vorsatzes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2006, Zl. 2005/08/0027, und vom 28. März 2012, Zl. 2010/08/0017). Das Bundesverwaltungsgericht hat fahrlässiges Verhalten (eine Verwechslung aus Versehen) festgestellt.

3. Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

4. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. Jänner 2015

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