VwGH Ro 2014/07/0092

VwGHRo 2014/07/009226.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der Gemeinde T, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19. Mai 2014, Zl. LVwG- 2014/35/0090-6, betreffend die Aufhebung von Ausschussbeschlüssen (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft T, vertreten durch Mag. Hubertus Weben, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 5; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwRallg;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Ausschuss der mitbeteiligten Agrargemeinschaft beschloss in seiner Sitzung am 24. Mai 2012 unter Tagesordnungspunkt 3 zum einen die Jahresabrechnungen 2010 und 2011 und zum anderen die Jahresvoranschläge 2011 und 2012. Der Vizebürgermeister der Gemeinde war als deren Vertreter anwesend, erteilte dem Beschluss über die Jahresabrechnungen 2010 und 2011 aber keine Zustimmung.

Die Jahresabschlüsse 2010 und 2011 wurden durch Anschlag in der Gemeinde im Zeitraum vom 29. Mai 2012 bis 5. Juni 2012 bekannt gemacht. Eine Bekanntmachung des Ausschussbeschlusses betreffend die Jahresvoranschläge 2011 und 2012 erfolgte hingegen nicht.

Die revisionswerbende Gemeinde beantragte mit Schriftsatz vom 30. Juli 2012 die Feststellung, dass die Jahresabrechnungen für die Jahre 2010 und 2011 sowie die Voranschläge für die Jahre 2011 und 2012 nicht rechtswirksam seien. Dies wurde unter Hinweis auf die Tiroler Gemeindeordnung in Bezug auf die Jahresvoranschläge im Wesentlichen damit begründet, dass die vom Vizebürgermeister erklärte Zustimmung nicht der Gemeinde zuzurechnen sei, weil er weder in seiner Eigenschaft als Vizebürgermeister noch in seiner Eigenschaft als von der Gemeinde in den Ausschuss der Agrargemeinschaft entsandter Vertreter berechtigt gewesen sei, die Gemeinde in Bezug auf die Zustimmung zu Rechnungsabschlüssen bzw. Jahresvoranschlägen der Agrargemeinschaft zu vertreten.

Dem entgegnete die Agrargemeinschaft mit einem Schriftsatz vom 5. September 2012.

Mit Bescheid vom 13. November 2012 entschied das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (unter anderem) über den Antrag der Gemeinde, indem es in Spruchpunkt II feststellte, dass die anlässlich der Ausschusssitzung der Agrargemeinschaft am 24. Mai 2012 unter Tagesordnungspunkt 3 beschlossenen Abrechnungen der Wirtschaftsjahre 2010 und 2011 sowie Voranschläge für die Jahre 2011 und 2012 nicht rechtswirksam zustande gekommen seien.

Unter Spruchpunkt III. behob die Agrarbehörde die anlässlich der Ausschusssitzung der Agrargemeinschaft am 24. Mai 2012 unter Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschlüsse gemäß § 37 Abs. 6 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996, LGBl. Nr. 74/1996 in der Fassung LGBl. Nr. 7/2010 (TFLG 1996), von Amts wegen.

Gegen diese Spruchpunkte des Bescheides der Verwaltungsbehörde erhob die Agrargemeinschaft Berufung, in der sie im Wesentlichen ausführte, es sei eine berechtigte, einheitliche und zustimmende Stimmabgabe des Gemeindevertreters sowohl zu den Jahresvoranschlägen als auch zu den Jahresabschlüssen vorgelegen.

Nach Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über diese (als Beschwerde anzusehende) Berufung der Agrargemeinschaft auf das Landesverwaltungsgericht Tirol führte dieses am 15. April 2014 eine mündliche Verhandlung durch.

Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis vom 19. Mai 2014 entschied das Landesverwaltungsgericht dahin, dass der Berufung der Agrargemeinschaft insofern stattgegeben wurde, als Spruchpunkt II des Bescheides der Agrarbehörde folgendermaßen zu lauten habe:

"II.

Auf Antrag der Gemeinde vom 30. Juli 2012 wird festgestellt, dass der anlässlich der Ausschusssitzung der Agrargemeinschaft am 24. Mai 2012 unter Tagesordnungspunkt 3. gefasste Beschluss über die Voranschläge der Jahre 2011 und 2012 nicht rechtswirksam ist.

Der Antrag der Gemeinde vom 30. Juli 2012 auf Feststellung, dass der anlässlich der Ausschusssitzung der Agrargemeinschaft am 24. Mai 2012 unter Tagesordnungspunkt 3. gefasste Beschluss über die Jahresabrechnungen der Wirtschaftsjahre 2010 und 2011 nicht rechtswirksam ist, wird als verspätet zurückgewiesen."

Im Übrigen wurde die als Beschwerde zu wertende Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde zugelassen.

Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich - soweit für den vorliegenden Fall von Relevanz - dass sich Spruchpunkt II des Bescheides der Behörde auf § 37 Abs. 7 TFLG 1996 stütze und sich die Antragsbefugnis der Gemeinde im vorliegenden Fall aus dieser Bestimmung ableiten lasse. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass nach § 37 Abs. 7 TFLG 1996 Anträge gegen Beschlüsse des Ausschusses der Agrargemeinschaft innerhalb von zwei Wochen nach der satzungsgemäßen Bekanntmachung einzubringen seien. Die Beschlüsse seien am 24. Mai 2012 gefasst und zwischen 29. Mai 2012 und 5. Juni 2012 angeschlagen worden. In diesem Anschlag werde allerdings nur auf den Beschluss der Jahresabschlüsse 2010 und 2011 verwiesen. In Bezug auf die Voranschläge sei keine ordnungsgemäße Bekanntmachung erfolgt. Der verfahrenseinleitende Antrag der Gemeinde sei am 31. Juli 2012 persönlich beim Amt der Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz abgegeben und insofern deutlich nach dem Ablauf von zwei Wochen nach der oben genannten satzungsgemäßen Bekanntmachung ab 29. Mai 2012 gestellt worden. Die Behörde hätte daher über den verfahrenseinleitenden Antrag der Gemeinde, soweit sich dieser auf die Jahresabschlüsse 2010 und 2011 beziehe, nicht in der Sache entscheiden dürfen, sondern diesen Antrag in diesem Umfang als verspätet zurückweisen müssen. Diese Unzuständigkeit sei vom Landesverwaltungsgericht aufzugreifen und Spruchpunkt II des Bescheides der Behörde daher dahingehend zu ändern gewesen, dass der verfahrenseinleitende Antrag der Gemeinde als verspätet zurückgewiesen werde, soweit er sich auf die Jahresabrechnungen 2010 und 2011 beziehe. Soweit er sich auf den Beschluss der Jahresvoranschläge 2011 und 2012 beziehe, sei hingegen mangels gesetzeskonformer Bekanntmachung von einer Verspätung nicht auszugehen.

Nach näheren Überlegungen zur Vertretung der Gemeinde im Ausschuss der Agrargemeinschaft und zum Zustimmungsrecht der Gemeinde zu Beschlüssen der Agrargemeinschaftsorgane - das Landesverwaltungsgericht vertrat die Ansicht, dass die Zustimmung der Gemeinde im Sinn des § 35 Abs. 7 TFLG 1996 durch den nach § 55 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung nach außen vertretungsbefugten Bürgermeister hätte erfolgen müssen -, heißt es im angefochtenen Erkenntnis zur (als Beschwerde zu wertenden) Berufung gegen Spruchpunkt III, dass auch diese als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Landesverwaltungsgericht aus, es fehle zu der im vorliegenden Fall wesentlichen Rechtsfrage, ob dem nach § 35 Abs. 7 erster Satz TFLG 1996 entsandten Gemeindevertreter auch die Erteilung der Zustimmung der Gemeinde im Sinne des zweiten Satzes der genannten Bestimmung obliege, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Gegen diesen Erkenntnis erhob die Gemeinde Revision an den Verwaltungsgerichtshof und bezeichnete als Anfechtungsumfang ausdrücklich nur den Teil des Erkenntnisses, mit dem ihr Antrag vom 30. Juli 2012 auf Feststellung der mangelnden Rechtswirksamkeit des Beschlusses über Jahresrechnungen der Wirtschaftsjahre 2010 und 2011 als verspätet zurückgewiesen worden war. In Bezug auf die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG führte die Revisionswerberin ins Treffen, dass der Frage grundsätzliche Bedeutung zukomme, ob die Bestimmung des § 37 Abs. 7 TFLG 1996, wonach Anträge auf Streitentscheidung, die sich gegen Ausschussbeschlüsse richteten, innerhalb von zwei Wochen nach der satzungsgemäßen Bekanntmachung einzubringen seien, auch für Streitigkeiten darüber gälten, ob eine gemäß § 35 Abs. 7 TFLG 1996 erforderliche Zustimmung der Gemeinde vorliege. Diese Rechtsfrage sei noch nie vom Verwaltungsgerichtshof entschieden worden.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Agrargemeinschaft erstatteten jeweils Revisionsbeantwortungen, in denen sie die kostenpflichtige Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragten.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die vorliegende Revision macht eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung als Revisionsgrund geltend, die vom Landesverwaltungsgericht nicht als Grund für die Zulassung der ordentlichen Revision ins Treffen geführt worden war. Die vom Landesverwaltungsgericht als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage der Vertretungsbefugnis des Gemeindevertreters wird in der Revision nicht erwähnt (und vom Verwaltungsgerichtshof daher auch nicht aufgegriffen), die Revisionswerberin nennt hingegen eine Rechtsfrage als eine solche mit grundsätzlicher Bedeutung, auf die das Landesverwaltungsgericht bei der Zulassung der Revision nicht abstellte.

Der Verwaltungsgerichtshof kann auch eine ordentliche Revision annehmen, die von einer anderen als der in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts in der Revision angesprochenen, grundsätzlichen Rechtsfrage abhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2014, Ro 2014/03/0078).

Aus nachstehenden Gründen stellt die in der Revision als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bezeichnete Frage (der Geltung der Befristung des § 37 Abs. 7 TFLG 1996 auch für nach § 35 Abs. 7 TFLG 1996 zustimmungspflichtige Beschlüsse des Ausschusses einer Gemeindegutsagrargemeinschaft) im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar:

Die Revisionswerberin übersieht, dass die Agrarbehörde in ihrem Bescheid vom 13. November 2012 in Spruchpunkt III die anlässlich der Ausschusssitzung der Agrargemeinschaft am 24. Mai 2012 gefassten Beschlüsse - darunter auch den Ausschussbeschluss betreffend die Jahresabrechnungen 2010 und 2011 - gemäß § 37 Abs. 6 TFLG 1996 von Amts wegen behoben hat. Dagegen erhob die Revisionswerberin keine Berufung, sodass dieser Spruchpunkt ihr gegenüber bereits damals formell rechtskräftig wurde.

Die (auch) gegen diesen Spruchpunkt gerichtete und als Beschwerde gewertete Berufung der Agrargemeinschaft wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen. Spätestens mit Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses sind die verfahrensgegenständlichen Beschlüsse der Agrargemeinschaft vom 24. Mai 2012 daher rechtlich nicht mehr existent.

Die Frage, ob die Voraussetzung des Art 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Juni 2014, Ra 2014/03/0005). Die Zulässigkeit einer Revision gem. Art 133 Abs. 4 B-VG setzt aber voraus, dass die in dieser Bestimmung genannte Rechtsfrage eine solche ist, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zumindest möglich ist. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig (vgl. die hg. Beschlüsse vom 12. August 2014, Ra 2014/06/0015, und vom 23. Oktober 2014, Ra 2014/07/0075).

Der verfahrensgegenständliche Antrag der Gemeinde richtete sich auf die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses über die Jahresabrechnungen der Jahre 2010 und 2011 vom 24. Mai 2012; dieser Beschluss gehört aber nicht mehr dem Rechtsbestand an. Die Zurückweisung des Antrags der Gemeinde als verspätet hat vor diesem Hintergrund keine rechtliche Bedeutung; angesichts der hier vorliegenden, besonderen Fallgestaltung bedarf es daher keiner Auseinandersetzung mit der in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 46 bis E 50 zu § 66, wiedergegebenen Rechtsprechung zu den mit einer Zurückweisung einer Berufung als verspätet verbundenen Rechtsfolgen für einen bekämpften Bescheid.

Ein Eingriff in ein subjektives Recht der Revisionswerberin im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG durch die Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags statt der begehrten Sachentscheidung über diesen Antrag ist daher nicht möglich. Die Lösung der in der Revision aufgeworfenen Frage stellt somit eine Lösung einer abstrakten Rechtsfrage dar, für die der Verwaltungsgerichtshof - wie dargestellt - nicht zuständig ist.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Februar 2015

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