VwGH Ro 2014/02/0121

VwGHRo 2014/02/012130.1.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, die Hofräte Mag. Dr. Köller, Dr. Lehofer, Dr. N. Bachler und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutschinson, über die Revision des W in K, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 22. Juli 2014, Zl. LVwG-600000/19/Bi/CG, betreffend Übertretungen des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf), zu Recht erkannt:

Normen

AufwandersatzV VwGH 2014;
VStG §31;
VStG §32 Abs2;
VwGG §21 Abs1 Z2;
VwGG §47 Abs2 Z2;
VwGG §48 Abs2;
VwGG §49 Abs2;
AufwandersatzV VwGH 2014;
VStG §31;
VStG §32 Abs2;
VwGG §21 Abs1 Z2;
VwGG §47 Abs2 Z2;
VwGG §48 Abs2;
VwGG §49 Abs2;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 24. Oktober 2013 wurde der Revisionswerber in dem hier nur mehr interessierenden Spruchpunkt 3) schuldig erkannt, er habe sich als Lenker eines näher genannten Pkw, zugelassen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG entspreche, weil festgestellt worden sei, dass für den Pkw keine vorgeschriebene Haftpflichtversicherung bestanden habe. Er habe dadurch § 36 lit. d KFG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 110,-

- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Revisionswerbers zu Spruchpunkt 3) keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Schuldspruch dahin ergänzt wurde, dass für den Pkw nicht nur keine vorgeschriebene Haftpflichtversicherung, sondern auch keine Haftung bestanden habe.

Begründend stellte das Verwaltungsgericht - soweit hier relevant - fest, der Revisionswerber sei deutscher Staatsangehöriger mit österreichischem Hauptwohnsitz und habe einen österreichischen Führerschein. Bei einer Kontrolle am 5. Mai 2013 habe er für das von ihm gelenkte Fahrzeug mit einem Kennzeichen der Vereinigten Arabischen Emirate einen Zulassungsschein der Vereinigten Arabischen Emirate mit Ablaufdatum 1. April 2013 und Versicherungsablaufdatum 1. Mai 2013 vorgewiesen, der auf seinen Namen gelautet habe. Der Pkw sei zunächst am 3. August 2011 in Deutschland mit einem für einen Monat gültigen Ausfuhrkennzeichen und im Anschluss (laut Vehicle Licence) ab dem 2. April 2012 in den Vereinigten Arabischen Emiraten zugelassen worden. Die vorgelegte Grüne Versicherungskarte sei von der H Versicherungs-AG in Deutschland ohne Nennung des Kennzeichens auf den nach der Fahrgestellnummer individualisierten Pkw des Revisionswerbers für den Gültigkeitszeitraum 3. August 2011 bis 30. Juni 2013 ausgestellt worden. Die H Versicherungs-AG habe auf Anfrage im November 2013 mitgeteilt, dass für den Pkw mit dieser Fahrgestellnummer und hinsichtlich des Revisionswerbers selbst kein Versicherungsvertrag festzustellen sei und es sich bei der vorgelegten Grünen Karte "eindeutig um ein Plagiat" handle.

Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, der Tatvorwurf sei auf die 2. Alternative des § 36 lit. d KFG dahingehend ausgedehnt worden, dass auch "keine Haftung" bestanden habe. Diese Ausweitung sei insofern zulässig gewesen, als die Verfolgungsverjährungsfrist am 5. Mai 2013 mit dem Lenken des Pkw zu laufen begonnen habe und auf der Grundlage der mit 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Änderung des § 31 Abs. 1 VStG (Verlängerung der Verjährungsfrist von sechs Monaten auf ein Jahr) am 5. Mai 2014 abgelaufen sei. Diese Bestimmung sehe keine Übergangsregelung vor, sodass sie in noch laufende Verjährungsfristen nahtlos eingreife. Das Bestehen einer Haftung richte sich nach § 62 KFG, weil sich der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren ausschließlich auf die Grüne Karte gestützt und keine Versicherungspolizze vorgelegt habe. Die Gültigkeit der vorgelegten Grünen Karte sei nicht gegeben, weil die H Versicherungs-AG, welche die Grüne Karte ausgestellt hätte, davon keine Kenntnis habe und den Pkw nicht zuordnen könne. Auf dieser Grundlage sei davon auszugehen, dass keine Haftung für den Pkw des Revisionswerbers gegeben sei, weshalb der Revisionswerber beide Alternativen des ihm im modifizierten Punkt 3) des Straferkenntnisses zur Last gelegten Tatbestandes des § 36 lit. d KFG (kein Versicherungsvertrag und keine Haftung) erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten habe, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht gelungen sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die BH Kirchdorf hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach § 36 lit. d KFG dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger außer Anhängern, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs. 7 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn für sie die vorgeschriebene Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (§ 59) oder Haftung (§ 62) besteht.

Gemäß § 62 Abs. 1 KFG muss für Kraftfahrzeuge und Anhänger mit ausländischem Kennzeichen, die nicht auf Grund des Art. 4 lit. b der Richtlinie 72/166/EWG (ABl. Nr. L 103 vom 2.5.1972, S. 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/14/EG , ABl. Nr. L 149 vom 11.6.2005, S. 14) von der Versicherungspflicht ausgenommen sind, wenn sie im Inland auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden, die Haftung des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs auf der Grundlage einer Grünen Karte oder auf der Grundlage einer unterstellten Versicherungsdeckung im Sinn des Übereinkommens zwischen den nationalen Versicherungsbüros der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und anderen assoziierten Staaten vom 30. Mai 2002 (ABl. Nr. L 192 vom 31.7.2003, S. 23) oder auf Grund eines beim Eintritt in das Bundesgebiet abgeschlossenen Versicherungsvertrages (Grenzversicherung) bestehen.

Mit dem genannten Übereinkommen vom 30. Mai 2002 verpflichteten sich die nationalen Versicherungsbüros zur Befolgung der am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen "Geschäftsordnung des Rates der Büros" (in der Folge "Geschäftsordnung"). An diesem Tag ist die "Geschäftsordnung" an die Stelle des Vorgängerabkommens, des sogenannten "Londoner Abkommens", getreten (vgl. Erwägungsgrund (5) der Entscheidung der Kommission vom 28. Juli 2003 zur Durchführung der Richtlinie 72/166/EWG des Rates in Bezug auf die Kontrolle der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und Artikel 3 des Übereinkommens vom 30. Mai 2002).

Unmittelbare Rechtsgrundlage der Haftung des Verbandes der Österreichischen Versicherungsunternehmen für Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen auf der Grundlage einer Grünen Karte ist ein bilaterales Abkommen zwischen den Büros (Art. 16 "Geschäftsordnung").

Art. 7 Z 2 der "Geschäftsordnung" sieht vor, dass jedes nationale Versicherungsbüro seine Mitglieder, die Versicherer, ermächtigt, für ihre Versicherten Grüne Karte(n) nur für Fahrzeuge auszustellen, die in dem Land, für das es zuständig ist, zugelassen sind.

Art. 7 Z 3 der "Geschäftsordnung" sieht ergänzend vor, dass jedes Mitglied von seinem Büro ermächtigt werden kann, seinen Versicherten in allen Ländern, in denen es kein Büro gibt, Grüne Karten auszuhändigen, sofern das Mitglied in diesem Land niedergelassen ist. Diese Möglichkeit wurde auf Fahrzeuge beschränkt, die im betreffenden Land zugelassen sind.

Nach Art. 9 der "Geschäftsordnung" übernimmt für jegliche Grüne Karte, die in einem Land, für das sie gültig ist, vorgelegt wird und die angeblich mit der Genehmigung eines Büros ausgegeben wurde, dieses Büro die Garantie, selbst wenn sie gefälscht, unbefugt ausgegeben oder widerrechtlich geändert worden sein sollte. Jedoch gilt die Garantie dieses Büros nicht, wenn sich eine Grüne Karte auf ein Fahrzeug bezieht, das im Land des Büros nicht rechtmäßig zugelassen ist, mit Ausnahme der in Artikel 7 Z 3 des Abkommens beschriebenen Umstände.

Nach den Feststellungen war der Pkw des Revisionswerbers im Tatzeitpunkt in den Vereinigten Arabischen Emiraten zugelassen. Er hat nicht behauptet, dass die Grüne Karte von einem Versicherer in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die im Übrigen nicht Mitglied des Übereinkommens vom 30. Mai 2002 sind, ausgestellt worden ist. Selbst wenn man entgegen der Auskunft der H Versicherungs-AG von der Ausstellung der Grünen Karte in Deutschland für einen Zeitraum ab 3. August 2011 ausgeht, gälte die Garantie des deutschen Büros nach Art. 9 der "Geschäftsordnung" jedenfalls nicht, weil der Pkw im Tatzeitpunkt im Land des Büros (Deutschland) nicht rechtmäßig zugelassen war.

Das vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des OGH vom 18. Mai 1989, 7 Ob 13/89, hat das mittlerweile nicht mehr in Kraft befindliche "Londoner Abkommen" zum Gegenstand und ist daher schon deshalb für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung.

Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht daher für die Bestrafung nach § 36 lit. d KFG den Umstand herangezogen, dass im Tatzeitpunkt keine Haftpflichtversicherung und keine Haftung des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs gemäß § 62 KFG bestanden hat.

Schließlich wendet sich der Revisionswerber gegen die Ausweitung des Tatvorwurfes auf die 2. Alternative des § 36 lit. d KFG. Mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-AusführungsG 2013, BGBl I 2013/33, sei § 31 VStG neu gefasst und die Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten auf ein Jahr erweitert worden. In der vom Verwaltungsgericht angenommenen Verlängerung der Frist für die Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs. 1 VStG liege eine Umgehung des Rückwirkungsverbotes eines Strafgesetzes.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift zu beziehen. Die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Ob dem Revisionswerber somit im Zusammenhang mit den ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen in jedem Punkt richtige Normen vorgehalten worden sind, spielt für die Frage der Verfolgungsverjährung keine Rolle (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Zl. Ra 2014/03/0006, mwN).

Angesichts dieser Rechtsprechung kommt es auf eine Verlängerung der seinerzeitigen Verjährungsfrist von sechs Monaten im Revisionsfall gar nicht an, weil schon innerhalb dieser Frist die für die Bestrafung notwendigen Verfolgungshandlungen gesetzt wurden. Bereits die Anzeige vom 5. Mai 2013 enthält neben dem Tatvorwurf des Fehlens der vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung in "Übertretung 3" den Hinweis, dass der Revisionswerber "eine grüne Versicherungskarte bzw. einen sonstigen Nachweis über einen Versicherungsschutz" nicht habe vorweisen können. Dies setzt voraus, dass der Revisionswerber mit letzterem Vorwurf konfrontiert worden ist, was sich auch aus seiner Stellungnahme vom 19. Juli 2013 ergibt, mit der er im Übrigen auch die Kopie einer Grünen Karte vorgelegt hat. Der Vorwurf, dass keine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und keine Grundlagen für eine "Haftung" (etwa in Form einer Grüne Karte) bestanden haben, wurden dem Revisionswerber somit innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist zur Kenntnis gebracht.

Insgesamt erweist sich die Revision als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF. BGBl. II Nr. 8/2014. Den Ersatz eines Vorlageaufwandes für die Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG sieht das Gesetz nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen war.

Wien, am 30. Jänner 2015

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