Normen
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:2013100143.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid trug die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei unter Berufung auf § 55 Abs. 2 und 3 des Bgld. Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes - NG 1990, LGBl. Nr. 27/1991 idgF, auf, die ohne naturschutzbehördliche Bewilligung errichteten 12 Bootsanlegestege (13 Bootsliegeplätze) auf einem näher bezeichneten Grundstück in der KG N. innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung des Bescheides zu entfernen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, wobei die Lage der 12 Bootsanlagestege in einer als Bestandteil des angefochtenen Bescheides bezeichneten Beilage abgebildet wurde.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 7. Juli 2011 um die Erteilung einer nachträglichen naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung von 12 Bootsanlegestegen auf dem näher bezeichneten Grundstück in der KG N. anhand von eingebrachten Projektunterlagen angesucht habe. Dieses Ansuchen sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 2012, Zl. 5-N-B3940/19-2012, als dem Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde N. widersprechend abgewiesen worden. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Oktober 2012, Zl. 5-N-B3940/20-2012, sei ein neuerliches Ansuchen wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Eine naturschutzrechtliche Bewilligung gemäß § 3 der Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee für die Baumaßnahmen läge somit nicht vor. Im Rahmen einer behördlichen Überprüfung der Anlage "Segelhafen Seegärten" am 28. Februar 2011 sei festgestellt worden, dass im nördlichen Bereich des Grundstückes acht behördlich bewilligte Bootsliegeplätze vorhanden gewesen seien. Südlich angrenzend (im Abstand von einigen Metern) seien weitere neun Bootsliegeplätze bestehend aus einem begehbaren Holzsteg entlang der Uferbefestigung (ca. 30 m lang und ca. 1 m breit) sowie einer in Richtung Kanal ragenden, schwimmenden, durch jeweils einen Holzpiloten stabilisierten Steganlage angelegt worden. Die Stege seien jeweils uferseitig V-förmig auf ca. 1 m verbreitert und am Ufer befestigt worden. Der Achsabstand der Schwimmstege habe 7,65 m betragen. Die Bootsliegeplätze seien mit einem Stromanschluss versehen und für ortsübliche Segelschiffe konzipiert worden. Im Rahmen eines Augenscheins am 16. Mai 2011 sei die Errichtung weiterer Bootsliegeplätze festgestellt worden, sodass 12 Bootsliegeplätze vorhanden gewesen seien, was 13 Bootsliegeplätzen entspräche. Es sei daher gemäß § 55 Abs. 2 NG ein Auftrag zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes zu erlassen gewesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die beschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, auf die die beschwerdeführende Partei repliziert hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bgld. Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes - NG 1990, LGBl. Nr. 27/1991 idF LGBl. Nr. 7/2010, lauten:
"§ 55
Gefahr im Verzug und Wiederherstellung
...
(2) Wurden Maßnahmen, die nach diesem Gesetz oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung verboten oder bewilligungspflichtig sind, entgegen dem Verbot, ohne Bewilligung wesentlich abweichend von der Bewilligung oder entgegen einer Verfügung nach Abs. 1 ausgeführt oder ist eine Bewilligung nach § 53 Abs. 1 lit. c erloschen, ist die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes von der Behörde binnen angemessener festzusetzender Frist aufzutragen. Ist die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes nicht möglich oder zweckmäßig oder würde dies den Zielsetzungen dieses Gesetzes widersprechen, können entsprechende Maßnahmen zur Herbeiführung eines den Interessen des Schutzes und der Pflege der Natur und Landschaft möglichst weitgehend Rechnung tragenden Zustandes vorgeschrieben werden.
(3) Die Wiederherstellung oder sonstige nach Abs. 2 zu setzende Maßnahmen obliegen in den Fällen, in denen Maßnahmen abweichend von einer Bewilligung ausgeführt werden, der Antragstellerin oder dem Antragsteller sowie deren oder dessen Rechtsnachfolgerin oder Rechtsnachfolger; im Übrigen jener Person, welche die Maßnahmen veranlasst oder gesetzt hat. Die Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer und sonstige Berechtigte haben die Durchführung der Maßnahmen zu dulden."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee, LGBl. Nr. 22/1980, lauten:
"§ 3
In dem im § 1 bezeichneten Gebiet bedürfen Bauvorhaben aller Art einer Genehmigung der Landesregierung im Sinne des § 19 Abs. 2 des Naturschutzgesetzes."
Der angefochtene Bescheid ist von der auf § 3 der Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee gestützten Auffassung getragen, dass die verfahrensgegenständlichen Bootsanlegestege als ein "Bauvorhaben aller Art" einer naturschutzbehördlichen Bewilligung bedürften. Da eine solche Bewilligung im Sinne von § 3 der Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee nicht vorläge, sei die belangte Behörde gemäß § 55 Abs. 2 NG 1990 zur Erlassung des gegenständlichen Wiederherstellungsauftrages verpflichtet gewesen.
In ihrer Beschwerde bringt die beschwerdeführende Partei u. a. vor, dass die Feststellung der belangten Behörde, im Rahmen eines Augenscheins am 16. Mai 2011 seien 12 Bootsliegestege vorgefunden worden, aktenwidrig sei, weil sie im Widerspruch zu der Niederschrift vom 16. Mai 2011 stünde, wonach "südlich der Widmungsgrenze 13 Bootsliegeplätze, bestehend aus 7 Steganlagen, errichtet wurden". Außerdem seien in Natur lediglich 7 dieser 12 vormals zur Bewilligung beantragten Bootsanlegestege errichtet worden.
Mit dem Vorwurf der Aktenwidrigkeit zeigt die Beschwerde eine zur Aufhebung des Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:
Aktenwidrigkeit liegt dann vor, wenn der Bescheid in seiner Begründung von Sachverhalten ausgeht, die sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergeben, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch des Bescheides ausschlaggebend sind (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 25. April 2013, Zl. 2013/15/0130).
Nach den Darlegungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid sei im Rahmen eines Augenscheines am 16. Mai 2011 festgestellt worden, dass an diesem Tag 12 Bootsanlegestege bestanden hätten, was 13 Bootsliegeplätzen entspräche. Dem in den Verwaltungsakten einliegenden Protokoll über diesen Augenschein vom 16. Mai 2011 kann allerdings lediglich entnommen werden, dass "südlich der Widmungsgrenze 13 Bootsliegeplätze, bestehend aus 7 Steganlagen" errichtet worden seien. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid unterscheiden sich damit also von den aktenkundigen Ergebnissen des Ortsaugenscheines vom 16. Mai 2011 hinsichtlich der Anzahl der Steganlagen. Somit trifft es - ausgehend von der Aktenlage - nicht zu, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides tatsächlich 12 Bootsanlegestege bestanden hätten. Die in diesem für die behördliche Entscheidung wesentlichen Punkt anders lautenden Feststellungen der belangten Behörde stellen sich somit als aktenwidrig dar.
Vor diesem Hintergrund erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.
Der angefochtene Bescheid war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. I Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 22. April 2015
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