Normen
ASVG §111;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §67 Abs10;
StGB §153c Abs2;
VStG §9;
ASVG §111;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §67 Abs10;
StGB §153c Abs2;
VStG §9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2009 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vom Beschwerdeführer offene Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 114.773,03 eingefordert. Mit Bescheid vom 19.10.2011 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet sei, rückständige Sozialversicherungsbeiträge der E GmbH in der Höhe von EUR 14.616,70 zu bezahlen. Die belangte Behörde gab dem dagegen erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 15. Mai 2012 Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen bzw. der Begründung und zur Erlassung eines neues Bescheides an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zurück.
2. Mit Bescheid vom 2. August 2012 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als Vertreter der E GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Zahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 5.313,97.
Begründend führte die Gebietskrankenkasse aus, der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge als Geschäftsführer zur Vertretung der E GmbH berufen gewesen. Die aliquoten Sonderzahlungen sowie Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung und zur Urlaubsersatzleitung bzw. die Prämie seitens der Dienstgeberin betreffend acht näher genannte Dienstnehmer seien nicht ausbezahlt und nicht gemeldet worden, wobei alle Dienstnehmer ihren vorzeitigen berechtigten Austritt erklärt hätten.
3. In dem dagegen erhobenen Einspruch brachte der Beschwerdeführer vor, der Bescheid sei rechtswidrig infolge fehlenden Verschuldens und fehlender Kausalität sowie wesentlicher Verfahrensmängel. An der Kausalität habe es gefehlt, weil die finanzielle Situation der E GmbH bereits seit Ende 2007 äußerst angespannt gewesen sei. Der letzte Rettungsversuch sei auf Grund ungerechtfertigter Verweigerung von Zahlungen seitens dritter Investoren gescheitert. Zudem seien an die Dienstnehmer in den fraglichen Zeiträumen keine Gehälter mehr ausbezahlt worden. Selbst bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Meldepflichten hätten die Beiträge nicht einbringlich gemacht werden können.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die Rechtslage dar. Zum Sachverhalt stellte sie fest, dass der Beschwerdeführer im Beitragszeitraum Geschäftsführer der E GmbH gewesen sei. Die Uneinbringlichkeit der Beiträge ergebe sich dadurch, dass mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 1. Februar 2011 der Konkurs der E GmbH nach Verteilung gemäß § 139 Insolvenzordnung aufgehoben worden sei. Die Meldeverstöße seien im Bescheid der Gebietskrankenkasse ausreichend spezifiziert und vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten worden. Es handle sich dabei um acht Meldeverstöße. Nach den §§ 16 Abs. 1, 26 und 29 Angestelltengesetz, § 10 Urlaubsgesetz und § 10 des Kollektivvertrages für Angestellte des Gewerbes hätten die Dienstnehmer bereits zur Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses (Februar und März 2008) Anspruch auf Entlohnung entsprechend dem Verhältnis der Dienstperiode gehabt. Demnach seien die entsprechenden Meldeverstöße verwirklicht gewesen.
Zur Kausalität führte die belangte Behörde aus, dass beim Haftungsbetrag in der Höhe von EUR 5.313,97 bereits die Konkursquote berücksichtigt worden sei. Der Beschwerdeführer habe die Zuweisung der Konkursquote in diesem Verfahren auch nicht bestritten. Da er zudem nicht behauptet habe, dass zum Zeitpunkt der Meldepflichtverletzungen völlige Vermögenslosigkeit der E GmbH vorgelegen sei, und da anhand der erhaltenen Konkursquote habe geschlossen werden können, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Meldeverstöße nicht gänzlich vermögenslos gewesen sei, sei die Kausalität des Meldeverstoßes vorgelegen. Der Beschwerdeführer hafte für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen seien, ohne Bedachtnahme auf die Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge. Die Kausalität der Pflichtverletzung sei vorgelegen, weil keine Vermögenslosigkeit der Gesellschaft bestanden habe.
Hinsichtlich des Verschuldens hielt die belangte Behörde fest, dass die Personalverrechnung der E GmbH von Beginn an im Jahr 2004 bis zur Übergabe der Unterlagen an die Masseverwalterin im Konkurs durch eine externe Steuerberatungskanzlei besorgt worden sei. Es habe in Bezug auf die von der Steuerberatungskanzlei eingebrachten Meldungen zu keinem Zeitpunkt Beanstandungen durch die Gebietskrankenkasse gegeben. Demnach habe der Beschwerdeführer davon ausgehen und darauf vertrauen können, dass deren Tätigkeit stets ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Behörde habe daher ausschließen können, dass die Steuerberatungskanzlei vom Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen überwacht worden sei. Da sich der Beschwerdeführer als Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten notwendigen Kenntnisse verschaffen hätte müssen, gehe der Einwand, es sei Aufgabe der betrauten Steuerberatungskanzlei gewesen, ihn auf das Erfordernis solcher zusätzlicher Meldungen aufmerksam zu machen, ins Leere. Auch das Vorbringen, dass die Kenntnis von derart weitreichenden Meldeverpflichtungen nicht zu dem einem Meldepflichtigen zu unterstellenden Grundwissen im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gehöre, überzeuge nicht, weil der Beschwerdeführer mangels Kenntnis der Meldepflichten eine Erkundigungspflicht bei der Behörde bzw. bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person gehabt hätte. Laut Vorbringen im Einspruchsverfahren habe der Beschwerdeführer bis zur mündlichen Verhandlung am 13. März 2012 nicht gewusst, dass die Sonderzahlungen Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration sowie die Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung separat zu melden seien. Somit habe er sich offensichtlich nicht über die Vertretbarkeit seiner Rechtsansicht erkundigt und sei ihm die darauf zurückzuführende Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zuzurechnen. Im Übrigen ergebe sich dies auch aus der vom Beschwerdeführer im Einspruch zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die Gebietskrankenkasse habe auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung keine Feststellungen darüber getroffen, ob in den fraglichen Beitragszeiträumen bzw. davor überhaupt Gehaltszahlungen an die angeführten Dienstnehmer erfolgt seien, verwies die belangte Behörde auf die schon zur Kausalität angeführte Rechtsprechung, wonach beim Tatbestand der Meldepflichtverletzung keine Verpflichtung bestehe, die Gleichbehandlung der Gläubiger zu prüfen. Lediglich bei gänzlicher Vermögenslosigkeit wäre die Kausalität zu verneinen gewesen. Gänzliche Vermögenslosigkeit sei jedoch nicht vorgelegen, weshalb der entsprechende Einwand ins Leere gehe. Somit sei der von der Gebietskrankenkasse errechnete Haftungsbetrag dem Bescheid zugrunde zu legen und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Von der beantragten Einvernahme einer informierten Person der Steuerberatungskanzlei habe man abgesehen, weil die Übertragung der Aufgaben an diese nicht strittig sei und der Beschwerdeführer lediglich behaupte, er habe auf deren ordnungsgemäße Tätigkeit vertrauen dürfen und hätte von dieser über Meldepflichten informiert werden müssen. Dabei handle es sich jedoch um eine Rechtsfrage, die von der erkennenden Behörde zu beurteilen sei. Auch von der zeugenschaftlichen Einvernahme der Dienstnehmer zum Beweis dafür, dass an diese in den fraglichen Zeiträumen keine Gehälter ausbezahlt worden seien, habe abgesehen werden können, da dies für die Beurteilung des Sachverhaltes keine Bedeutung habe.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
1.2. Nach § 67 Abs. 10 ASVG haften (ua.) die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 62/2010 (SRÄG 2010) gehört zu den den Vertretern auferlegten Pflichten im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG nicht auch die allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Vielmehr sind unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne dieser Gesetzesstelle im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese im § 111 ASVG iVm § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG (vgl. nunmehr § 153c Abs. 2 StGB) umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen. Für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind, haben die Geschäftsführer der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ohne Bedachtnahme auf die Frage der Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern und ohne Bedachtnahme auf die bei Fälligkeit oder bei tatsächlich erfolgter Lohnzahlung noch vorhandenen Mittel im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze zu haften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2014, 2012/08/0216, mwN).
2. Der Beschwerdeführer bestreitet die Kausalität der Meldeverstöße. Die Ansicht der belangten Behörde, schon aus dem Erhalt einer Konkursquote von 1,8446 % ergebe sich, dass die
E GmbH zum Zeitpunkt der Meldeverstöße nicht völlig vermögenslos gewesen sei und deshalb die Kausalität der Meldeverstöße gefehlt habe, sei unrichtig. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen. Es sei mehrfach vorgebracht worden, dass die Beiträge schon im Zeitpunkt, in dem die Meldepflicht zu erfüllen gewesen wäre, uneinbringlich gewesen seien, insbesondere weil man keine Gehälter mehr ausbezahlt habe.
3. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:
Ein Meldeverstoß ist dann nicht kausal für die Uneinbringlichkeit, wenn die Beiträge auch bei ordnungsgemäßer Meldung nicht hätten einbringlich gemacht werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, 2002/08/0212). Im vorliegenden Fall betrifft der vorgeworfene Meldeverstoß ausschließlich die aliquoten Sonderzahlungen sowie Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung und zur Urlaubsersatzleistung bzw. die Prämie seitens der Dienstgeberin hinsichtlich acht ausgetretener Dienstnehmer. Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer behauptet, die Beiträge seien schon im Zeitpunkt, in dem die Meldepflicht zu erfüllen gewesen wäre, uneinbringlich gewesen bzw. die E GmbH sei vor einer finanziell äußerst angespannten Situation gestanden. Mit diesem Einwand hätte sich die belangte Behörde aber konkret auseinander setzen müssen, zumal schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht wurde, dass keine Gehälter mehr ausbezahlt worden seien, und zudem Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass auch jene Beiträge, hinsichtlich deren eine ordnungsgemäße Meldung an die Gebietskrankenkasse erfolgt ist, nicht einbringlich gemacht werden konnten (was auch für die Beurteilung der Kausalität des vorgeworfenen Meldeverstoßes eine Rolle spielen würde).
4. Durch den Verstoß der belangten Behörde gegen ihre Ermittlungspflicht leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Altfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
6. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 17. Dezember 2015
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