VwGH 2013/06/0160

VwGH2013/06/016029.4.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der K H in A, vertreten durch die Dr. Zsizsik und Dr. Prattes Rechtsanwälte OG in 8600 Bruck/Mur, Hauptplatz 23, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. August 2013, Zl. ABT13- 12.10-A225/2013-2, betreffend Bauauftrag (mitbeteiligte Partei:

Gemeinde A, vertreten durch Mag. Dieter Koch, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Schiffgasse 8), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
AVG §38;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 2012 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 ein Beseitigungsauftrag für die auf dem im Freiland gelegenen Grundstück Nr. 43/2 KG A "im südöstlichen Grundstückseck" konsenslos errichtete Hütte mit einem Grundriss von ca. 10,66 m x 3,00 m erteilt. Zur Begründung führte der Bürgermeister im Wesentlichen aus, auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens (u.a. durch Einholung eines Gutachtens des Amtssachverständigen der Agrarbezirksbehörde L) sei davon auszugehen, dass kein land- und/oder forstwirtschaftlicher Betrieb vorliege. Die Voraussetzungen zur Anwendung der Ausnahmebewilligung gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 - StROG für die gegenständliche Bauführung seien nicht gegeben. Die zu beurteilende Hütte sei konsenslos errichtet worden. Es sei weder um eine Baubewilligung angesucht, noch sei eine Bauanzeige erstattet worden. Unabhängig davon widerspreche sie - wie dargestellt - § 33 Abs. 4 Z 2 StROG.

In der dagegen erhobenen Berufung vom 4. Jänner 2013 führte die Beschwerdeführerin unter anderem aus, das betreffende Grundstück im Ausmaß von 6.226 m2 bestehe hauptsächlich aus einer Waldfläche und einer landwirtschaftlich genutzten Fläche; es werde seit Generationen faktisch zur Brennholzgewinnung genutzt. Die bestehende Holzhütte diene hauptsächlich der Bearbeitung, Lagerung und Trocknung des Brennholzes. Darüber hinaus werde dort das nötige Werkzeug aufbewahrt. Als Verfahrensmangel machte die Beschwerdeführerin geltend, das Gutachten des agrartechnischen Amtssachverständigen sei ihr nicht zur Kenntnis gebracht worden.

Nach Übermittlung dieses Gutachtens brachte die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 19. Februar 2013 u. a. vor, es habe in diesem Bereich "schon seit jeher" eine kleine Hütte für Heu und Gerätschaften gegeben; die Mutter der Beschwerdeführerin sowie ihre Großeltern hätten eine kleine Landwirtschaft mit Rindern, Ziegen, Schweinen und Geflügel betrieben. Die Hütte sei nach und nach ausgebessert und schließlich etwas ausgebaut worden, vor allem das Flugdach des jetzigen Holztrocknungsplatzes. Vor Ausbau der Hütte habe sie mit dem Amtsvorstand R Kontakt aufgenommen; dieser habe auf Grund der (damals gesetzlich ausreichend) erfüllten Meldepflicht den Ausbau bewilligt. Es sei seinerzeit keine Betonierung vorgenommen worden, und es sei die zulässige Quadratmeterzahl bei weitem unterschritten worden.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. März 2013 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung vom 25. März 2013 machte die Beschwerdeführerin zusätzlich zu Ihrem Vorbringen in der Stellungnahme vom 19. Februar 2013 geltend, sie erachte sich in ihrem Recht auf Weiterbestand der seit Jahrzehnten bestehenden und 2003 mit Zustimmung der mitbeteiligten Gemeinde um ein Flugdach zur Holztrocknung erweiterten Hütte im Freiland, die für ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlich sei, verletzt.

Diese Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. August 2013 als unbegründet abgewiesen. Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, es sei im gegenständlichen Verfahren von Bedeutung, ob die Beschwerdeführerin einen land- bzw. forstwirtschaftlichen Betrieb führe, und gegebenenfalls, ob diese Hütte dafür erforderlich sei. Wenn dies nicht der Fall sei, handle es sich um eine vorschriftswidrige bauliche Anlage und es sei gemäß § 41 Abs. 1 Z. 3 Stmk BauG 1995 ein Beseitigungsauftrag zu erteilen. Dies ergebe sich aus § 21 Abs. 4 leg. cit., wonach durch baubewilligungsfreie Vorhaben Bau- und Raumordnungsvorschriften nicht verletzt werden dürften. Bei einer Verletzung dieser Vorschrift handle es sich demnach um eine vorschriftswidrige Bauführung bzw. um einen vorschriftswidrigen Bau, sodass die Baubehörde gemäß § 41 Abs. 1 Z. 3 bzw. § 41 Abs. 3 Stmk BauG die entsprechenden baupolizeilichen Aufträge zu erlassen habe.

Gegenständlich liege ein land- bzw. forstwirtschaftlicher Betrieb nicht vor (wird näher ausgeführt); daher sei das gegenständliche Nebengebäude keinesfalls als baubewilligungsfrei anzusehen. Der Beseitigungsauftrag sei daher zu Recht erlassen worden. Ein Begründungsmangel des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. März 2013 sei auf Grund der Darlegungen, aus welchen Gründen die Ansicht vertreten worden sei, dass kein land- bzw. forstwirtschaftlicher Betrieb vorliege, nicht zu erblicken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Gemeinde - in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage im Hinblick auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Berufungsbescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde von Bedeutung:

Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995) idF LGBl. Nr. 78/2003:

"Begriffsbestimmungen

§ 4. Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Gesetz folgende Bedeutung:

...

47. Nebengebäude: eingeschoßige, ebenerdige, unbewohnbare Bauten von untergeordneter Bedeutung mit einer Geschoßhöhe bis 3,0 m, einer Firsthöhe bis 5,0 m und bis zu einer bebauten Fläche von 40 m2;

...

64. Zubau: die Vergrößerung einer bestehenden baulichen Anlage der Höhe, Länge oder Breite nach bis zur Verdoppelung der bisherigen Geschoßflächen.

Baubewilligungsfreie Vorhaben

§ 21. (1) Zu den baubewilligungsfreien Vorhaben gehört die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von:

Nebengebäuden (mit Ausnahme von Garagen), landesüblichen Zäunen, Folientunnel, Hagelnetzanlagen, Flachsilos, Beregnungsanlagen u.dgl., jeweils nur im Rahmen der Land- und Fortwirtschaft, sofern keine Nachbarrechte im Sinne des § 26 Abs. 1 Z.1 und 2. berührt werden;

...

(4) Durch baubewilligungsfreie Vorhaben dürfen Bau- und Raumordnungsvorschriften, wie insbesondere festgelegte Bauflucht-, Baugrenz- und Straßenfluchtlinien, sowie die Vorschriften über Abstände nicht verletzt werden.

Entscheidung der Behörde

§ 29. (1) Die Behörde hat einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.

...

Rechtmäßiger Bestand

§ 40. (1) Bestehende bauliche Anlagen und Feuerstätten, für die eine Baubewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen ist und diese nicht nachgewiesen werden kann, gelten als rechtmäßig, wenn sie vor dem 1. Jänner 1969 errichtet wurden.

(2) Weiters gelten solche bauliche Anlagen und Feuerstätten als rechtmäßig, die zwischen dem 1. Jänner 1969 und 31. Dezember 1984 errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären.

(3) Die Rechtmäßigkeit nach Abs. 2 ist über Antrag des Bauwerbers oder von Amts wegen zu beurteilen. Dabei ist die zum Zeitpunkt der Errichtung des Baues maßgebliche Rechtslage zu berücksichtigen. Liegen die Voraussetzungen nach Abs. 2 vor, hat die Behörde die Rechtmäßigkeit festzustellen. Der Feststellungsbescheid gilt als Bau- und Benützungsbewilligung.

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

§ 41. (1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn

  1. 1. bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
  2. 2. anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder

    3. baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes ausgeführt werden.

    ...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

..."

Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 - StROG 2010, LGBl. Nr. 49:

"Freiland

§ 33. (1) ...

...

(4) Im Rahmen der land- und/oder forstwirtschaftlichen Nutzung sind im Freiland zulässig:

...

2. Neu- und Zubauten sowie Änderungen des Verwendungszweckes, die für einen land- und/oder forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlich und in ihrer standörtlichen Zuordnung betriebstypisch sind.

..."

Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, dass die gegenständliche Hütte "bereits vor langer Zeit" auf dem Grundstück errichtet und im Jahr 2003 um das für die Holztrocknung erforderliche Flugdach erweitert worden sei. Die gegenständliche Hütte sei ein Altbestand, auf den das Stmk ROG 2010 nicht anwendbar sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde erkennen müssen, dass ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vorliege und die gegenständliche Holzhütte für die Ausübung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erforderlich sei.

Gegenstand des vorliegenden Bauauftragsverfahrens ist eine zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt errichtete Hütte, die nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde für einen land-, zumindest aber forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlich war und nach wie vor ist und im Jahre 2003 durch ein Flugdach erweitert wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Erteilung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 nur dann in Betracht kommt, wenn die Errichtung eines bestimmten Baues sowohl zum Zeitpunkt der Bauausführung als auch zum Zeitpunkt der Erteilung des Beseitigungsauftrages bewilligungspflichtig bzw. anzeigepflichtig bzw. zwar bewilligungsfrei, aber gegen Bestimmungen des Stmk BauG 1995 verstoßend war. Die Frage der Rechtmäßigkeit einer baulichen Anlage ist als Vorfrage vor dem Erlassen eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 zu klären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 2014, Zl. 2012/06/0011, mwN).

Die belangte Behörde hat sich der Auffassung der Gemeindebehörden angeschlossen, dass nicht davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb führe, weshalb das in Rede stehende Nebengebäude keinesfalls als baubewilligungsfrei anzusehen sei, demnach der Beseitigungsauftrag zu Recht erlassen worden sei. Die Gemeindebehörden konnten sich zur Frage des derzeitigen Vorliegens eines land- und/oder forstwirtschaftlichen Betriebes auf ein agrartechnisches Sachverständigengutachten stützen. Es ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde in einer nicht als unschlüssig zu beanstandenden Beweiswürdigung (zur diesbezüglichen Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, VwSlg 11.894A/1985) in Auseinandersetzung mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten das Gutachten des Amtssachverständigen diesbezüglich ihren Erwägungen zu Grunde gelegt hat.

Damit ist jedoch nichts für die Frage gewonnen, ob die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage und allenfalls deren Erweiterung im Zeitpunkt der Bauausführung vorschriftwidrig war oder nicht. Das Verfahren vor den Gemeindebehörden ist diesbezüglich mangelhaft geblieben.

Da die belangte Behörde diese Mängel der Bescheide der Gemeindebehörden nicht aufgegriffen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr. 8/2014).

Wien, am 29. April 2015

Stichworte