Normen
EStG §16 Abs1 Z8 litb;
EStG §16 Abs1 Z8 lite;
VwGG §42 Abs2 Z3;
EStG §16 Abs1 Z8 litb;
EStG §16 Abs1 Z8 lite;
VwGG §42 Abs2 Z3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erwarb Ende 2000 mit Stichtag 1. Jänner 2001 unentgeltlich ein Mietwohngrundstück und machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 8 lit. b zweiter Satz EStG 1988 (in der Fassung vor dem Schenkungsmeldegesetz 2008) als Absetzung für Abnutzung 4 % von (fiktiven) Anschaffungskosten in der Höhe von EUR 455.000,--, somit EUR 18.200,--, geltend.
In ihrer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vom 19. Februar 2003, in dem nur eine Absetzung von EUR 497,70 anerkannt wurde, begehrte sie ausgehend von den schon geltend gemachten fiktiven Anschaffungskosten die Berücksichtigung von (nur mehr) 2 % abzüglich eines Anteils von 10,92 % Eigennutzung für die von ihr selbst in dem Objekt bewohnte Wohnung, somit EUR 8.106,28.
Es folgten eine Mehrzahl von Vorhalten des Finanzamts und deren Beantwortung durch die Beschwerdeführerin, wobei sich - bei gleichbleibenden Prozentsätzen von 2 % und 10,92 % - durch jeweils höhere Neuberechnungen der fiktiven Anschaffungskosten beantragte Absetzungen von EUR 9.264,-- (Schriftsatz vom 29. Oktober 2003, Anschaffungskosten EUR 520.000,--), EUR 15.803,-- (Schriftsatz vom 13. Dezember 2004, Anschaffungskosten EUR 887.000,--) und schließlich EUR 17.563,-- ergaben (Schriftsatz vom 21. Mai 2005, Anschaffungskosten EUR 986.000,--).
Im Mai 2005 legte das Finanzamt die Berufung der belangten Behörde vor. Ein Erörterungstermin am 26. März 2010 mit der Beschwerdeführerin und einem Vertreter des Finanzamts führte zu keiner Einigung, woraufhin die Beschwerdeführerin im September 2010 ein Sachverständigengutachten vorlegte, aus dem sich eine "Abschreibungsquote pro Jahr" in der Höhe von EUR 12.814,-- ergeben sollte. In den Abschnitt "Potential Dachgeschoss" dieses Gutachtens war als Subgutachten ein Gutachten über die Möglichkeiten eines Dachbodenausbaus integriert.
Mit Schreiben vom 28. März 2011 richtete die belangte Behörde einen ausführlichen Vorhalt von Bedenken gegen das Gutachten an die Beschwerdeführerin. Diese reagierte darauf mit insgesamt vier Fristverlängerungsersuchen. Im dritten dieser Ersuchen teilte sie mit, die Stellungnahme der Gutachtensverfasser zum Vorhalt sei "nicht befriedigend", weshalb sie einen neuen Gutachter beauftragt habe. Dessen Gutachten werde "bis spätestens Ende August 2011 vorliegen". Im letzten, von der belangten Behörde abgewiesenen Ersuchen um Verlängerung der Frist bis zum 30. September 2011 brachte die Beschwerdeführerin vor, das Gutachten werde "bis spätestens Ende September 2011 fertiggestellt sein".
Nach Abweisung dieses Ersuchens erkundigte sich der neu beauftragte Gutachter in einem im angefochtenen Bescheid erwähnten Telefonat, über das kein Aktenvermerk vorliegt, gegen Ende September 2011 beim Referenten der belangten Behörde, ob eine Gutachtensabgabe noch sinnvoll sei. Nach der Darstellung im angefochtenen Bescheid antwortete der Referent, er werde noch einen Monat zuwarten. Zur Vorlage eines Gutachtens des neu beauftragten Gutachters kam es jedoch nicht.
Am 4. Oktober 2011 wurde eine Niederschrift über ein Erörterungsgespräch zwischen dem Referenten der belangten Behörde und einem Subvertreter der neu einschreitenden nunmehrigen Vertreterin der Beschwerdeführerin aufgenommen. Letzterer präsentierte dabei eine Neuberechnung auf der Basis des "Mittelwerts für gebrauchte Eigentumswohnungen" in dem Wiener Bezirk, in dem sich das (keine Eigentumswohnungen aufweisende) Mietobjekt der Beschwerdeführerin befand. Unter Bezugnahme auf "allfällige Bedenken im Hinblick auf Liebhaberei" verwies er - im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt - auf die vielen Neuvermietungen "in den Jahren zwischen 2001 und 2010", weshalb "die Mieteinnahmen kontinuierlich gestiegen" seien. Zu berücksichtigen sei u.a. auch, dass für das (seit 2002) leerstehende Gasthaus im Erdgeschoss "eine ertragreiche Verwendung gefunden werden wird" und eine Nutzung des Hofes für Motorradeinstellplätze beabsichtigt sei. Eine Aufstellung der Entwicklung der Mieteinnahmen von 2001 bis 2009 findet sich im - ungeordnet und unpaginiert vorgelegten - Akt der belangten Behörde im Anschluss an die vom einschreitenden Subvertreter vorgelegte Vollmachtsurkunde. Die Niederschrift endet mit dem Hinweis, die "Frage des Abzugs der Leerstehung" werde "noch mit der Bw. geklärt". Eine darüber hinausgehende Erörterung des Gutachtens vom September 2010 und des darauf bezogenen Bedenkenvorhaltes der belangten Behörde ist in der Niederschrift nicht festgehalten.
Im Anschluss an dieses Erörterungsgespräch kam es zu einem Telefonat, über das die vorgelegten Akten keinen Vermerk enthalten. Nach der Darstellung in der Gegenschrift soll "seitens der steuerlichen Vertreterin oder der Bf" mitgeteilt worden sein, "dass der Abzug sich als zutreffend erwiesen habe". Nach der Darstellung in der Beschwerde sei dem Referenten mitgeteilt worden, dass "die Fragen noch nicht geklärt" seien, worauf der Referent geantwortet habe, er werde "mit der Entscheidung noch zuwarten".
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. November 2011 gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge, indem sie auf Grund eigener, an das Gutachten vom September 2010 angelehnter und dessen Ansätze modifizierender Berechnungen zu fiktiven Anschaffungskosten in der Höhe von EUR 301.000,-- gelangte, woraus sich unter Abstandnahme von der Annahme einer Restnutzungsdauer von nur 50 Jahren und Anwendung des in § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e (nunmehr lit. d) EStG 1988 genannten Prozentsatzes von 1,5 % (und nicht 2 %) für die jährliche Absetzung nach Abzug von 10,92 % Privatnutzung eine "anzuerkennende Afa" von gerundet EUR 4.022,-- ergab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer von der Beschwerdeführerin mit einer Replik beantworteten Gegenschrift erwogen hat:
Die Beschwerde übt umfangreiche Kritik an der Berechnung der belangten Behörde und zeigt mit einem Teil dieser Ausführungen wesentliche Begründungsmängel auf. Dies gilt zunächst für den von der belangten Behörde aufgegriffenen Umstand, dass das Gutachten vom September 2010 zwar fiktive Erträge des ausbaufähigen Dachbodens, aber keine Herstellungskosten für den Ausbau berücksichtigte. Dieser Umstand kam im Bedenkenvorhalt der belangten Behörde zur Sprache (vgl. Seite 42 des angefochtenen Bescheides). Wenn die belangte Behörde in ihre Berechnung Herstellungskosten aufnahm (als deren Grundlage sie entgegen den Behauptungen in der Beschwerde Werte "ohne Mehrwertsteuer" nannte, vgl. Seite 43 des Bescheides), so hätte sie sich zur Begründung des von ihr angenommenen Widerspruchs im vorgelegten Gutachten aber im Sinne der in der Beschwerde geübten Kritik mit der auffallend niedrigen Höhe der im Gutachten für den Dachboden angesetzten fiktiven Miete auseinandersetzen müssen. Die Beschwerdeführerin hatte in ihren Schriftsätzen vom 13. Dezember 2004 und vom 21. Mai 2005 eine Miete von EUR 15,-- pro m2 veranschlagt (und Herstellungskosten berücksichtigt), während die im Gutachten angesetzte fiktive Miete nur EUR 2,-- pro m2 betrug, woraus die Beschwerde ableitet, es sei erkennbar Miete für einen vom Mieter auszubauenden Dachboden gemeint gewesen. Die belangte Behörde bezeichnet dies in der Gegenschrift als "wirklichkeitsfremd", ohne darauf einzugehen, dass sie selbst - dem Gutachten insoweit folgend - für die (Anfang 2001) leerstehende Wohnung Top 4 und für die von der Beschwerdeführerin bewohnte Wohnung Top 7 eine fiktive Miete von EUR 4,40 und somit mehr als das Doppelte der im Gutachten - und auch von der belangten Behörde - für den Dachboden veranschlagten Miete angenommen hat. Ohne Auseinandersetzung mit dieser Divergenz ist die am Gutachten in diesem Punkt geübte Kritik nicht schlüssig begründet.
Ein weiterer Kritikpunkt der Beschwerde betrifft den von der belangten Behörde angesetzten Zuschlag von 20 % "für erhoffte Mietzinssteigerungen (z.B. durch Neuvermietungen)", der nicht Gegenstand ihres Vorhalts gewesen war. Die belangte Behörde führt dazu in der Gegenschrift aus, wenn sich die Beschwerdeführerin "gegen den Ansatz" dieses Zuschlags wende, so sei sie bezüglich der "Notwendigkeit des Ansatzes eines solchen Zuschlages" auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. August 2005, 2002/13/0132, VwSlg 8051/F, zu verweisen. Die Beschwerdeführerin wendet sich aber nicht gegen den Ansatz eines solchen Zuschlages. Sie macht geltend, er sei "bei weitem zu gering und hätte mit mindestens 50 %-Punkten angesetzt werden müssen", und verweist dazu auf die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides aktenkundige Entwicklung der tatsächlichen Mieteinnahmen, die eine viel stärkere Steigerung erkennen ließen. Warum diese aus der Perspektive des Erwerbszeitpunkts unberücksichtigt zu bleiben und der Zuschlag nicht mehr als 20 % zu betragen hatte, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor, weshalb er sich auch insoweit als nicht ausreichend begründet erweist. Im Zusammenhang mit diesem Kritikpunkt - und nicht, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, mit der Frage einer Nutzungsdauer von 50 oder 67 Jahren - steht auch der in der Gegenschrift als "bedeutungslos" bezeichnete Hinweis der Beschwerde auf das hohe Alter einer der Mieterinnen.
In der Beschwerde wird schließlich noch dargelegt, der Abzug von 10,92 % Privatnutzung habe sich auf den Flächenanteil ohne Dachboden bezogen, was nach den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Zahlen zutrifft. Gründe dafür, den Abzug in dieser Höhe in eine Berechnung aufzunehmen, die von fiktiver Vermietung auch des Dachbodens ausgeht, sind dem angefochtenen Bescheid - und auch der Gegenschrift, die auf diesen Punkt nicht eingeht - nicht entnehmbar.
Der angefochtene Bescheid war schon im Hinblick auf diese Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Umfang des Begehrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 29. April 2015
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