VwGH 2013/08/0292

VwGH2013/08/029213.10.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision (§ 4 Abs. 1 zweiter Satz VwGbk-ÜG) des Ing. M W in E, vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 26. November 2013, Zl. BMASK-425948/0005-II/A/3/2013, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien:

1. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3, 2. L B, Adresse unbekannt,

3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen (Ersatz‑)Bescheid vom 26. November 2013 sprach die belangte Behörde aus, dass der Zweitmitbeteiligte vom 1. März bis 26. Oktober 2007 auf Grund seiner Tätigkeit für den Revisionswerber gemäß § 4 Abs. 2 ASVG der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Der Revisionswerber betreibe ein Unternehmen im Bereich Maschinen- und Fertigungstechnik und sei als Subunternehmer der R. GmbH tätig gewesen. Im Rahmen des Werkvertrages mit der der R. GmbH sei auch die Montage von Lichtkuppeln vorgesehen gewesen.

Der Zweitmitbeteiligte, ein slowakischer Staatsangehöriger, betreibe in der Slowakei ein Unternehmen, welches sich mit Fenstermontage beschäftige. Er sei in der Slowakei auch Inhaber eines Gewerbescheines.

Am 5. Oktober 2007 sei der Zweitmitbeteiligte auf der Baustelle des Revisionswerbers in Linz vom Finanzamt Linz/Team KIAB betreten worden. Der Revisionswerber habe dem Zweitmitbeteiligten mitgeteilt, auf welchen Baustellen er zu arbeiten habe. Die Tätigkeit des Zweitmitbeteiligten habe darin bestanden, als Helfer bei der Montage von Lichtkuppeln mitzuwirken. Das dafür notwendige Werkzeug habe der Zweitmitbeteiligte vom Revisionswerber bzw. vom Vorarbeiter K. erhalten. K. habe dem Zweitmitbeteiligten auch Weisungen hinsichtlich der Art und Weise erteilt, wie er die Tätigkeit auszuüben habe. Eine diesbezügliche Kontrolle sei ebenfalls durch K. erfolgt. Der Zweitmitbeteiligte habe sich den Arbeitsbeginn und das Arbeitsende selbst einteilen können, jedoch nur insoweit, als "die Montage der seitens des (Revisionswerbers) vorgegebenen Lichtkuppeln auch montiert wurden". Vereinbart seien 40 Stunden pro Woche gewesen. Eine Vertretung sei nicht vorgesehen gewesen und in der Praxis auch nicht vorgekommen. Wenn der Zweitmitbeteiligte krank gewesen sei, habe er den Revisionswerber darüber zu informieren gehabt. Der Zweitmitbeteiligte sei vom Revisionswerber bezahlt worden. Sechs Wochen vor der Betretung habe der Zweitmitbeteiligte gegen Legung einer Rechnung ein Entgelt in der Höhe von EUR 1.500,-- erhalten. Sein Einkommen sei damit weit über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Der Zweitmitbeteiligte sei ausschließlich für den Revisionswerber tätig gewesen. Dieser habe das Haftungs- und Gewährleistungsrisiko getragen.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zweitmitbeteiligte das "Amtsdeutsch" nicht richtig verstanden und deshalb (die an ihn gerichteten Fragen) nicht richtig beantwortet habe. Vielmehr habe der Zweitmitbeteiligte bei der niederschriftlichen Befragung angegeben, dass er die deutsche Sprache verstehe und auch lesen könne. Das Vorliegen einer Entsendung sei weder vom Revisionswerber noch vom Zweitmitbeteiligten behauptet worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, zwischen dem Revisionswerber und dem Zweitmitbeteiligten bestehe kein Werkvertrag. Die Erbringung von Hilfstätigkeiten bei der Montage von Lichtkuppeln würde keine in sich geschlossene Einheit darstellen, sondern weise den Charakter von Dienstleistungen auf. Richtig sei, dass der Zweitmitbeteiligte den Beginn und das Ende der Arbeitszeit selbst habe regeln können, wobei ein bestimmter Fertigstellungstermin einzuhalten gewesen sei. Der Zweitmitbeteiligte habe als Helfer eine ihm vorgegebene Anzahl von Lichtkuppeln bis zu einem bestimmten Termin zu montieren gehabt. Darüber hinaus sei eine 40 Stunden-Woche vereinbart worden. Daran zeige sich, dass der Zweitmitbeteiligte sich an den Bedürfnissen des Unternehmens des Revisionswerbers zu orientieren gehabt habe, weil dieser auch seine Termine gegenüber der R. GmbH einzuhalten gehabt habe. Hilfstätigkeiten bei der Montage von Lichtkuppeln würden einfache manuelle Tätigkeiten darstellen. Der Zweitmitbeteiligte sei vom Revisionswerber oder vom Vorarbeiter K. kontrolliert und wenn notwendig aufgefordert worden, Mängel zu beheben. Sämtliche Betriebsmittel seien vom Revisionswerber zur Verfügung gestellt worden. Der Zweitmitbeteiligte unterliege im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei dem Revisionswerber der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde, in der ausgeführt wird, dass der angefochtene Bescheid am 10. Dezember 2013 zugestellt wurde. Da somit die Beschwerdefrist am 31. Dezember 2013 noch offen war, gilt die vorliegende Beschwerde gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, als Revision.

Für die Behandlung dieser Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. die Bestimmungen des VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (abgesehen von der gegenständlich ohnedies nicht in Betracht kommenden Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG) sinngemäß.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Revision führt aus, der Zweitmitbeteiligte habe "offensichtlich Fragen nicht richtig verstanden und deshalb auch nicht richtig beantwortet". Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft, weil kein Dolmetscher beigezogen worden sei. Die belangte Behörde habe keinerlei Feststellungen zu Art und Umfang der tatsächlichen Tätigkeit des Zweitmitbeteiligten getroffen. Dieser habe Spezialwerkzeuge der R. GmbH verwendet, die eine gewisse Fachkenntnis voraussetzen würden. Es habe sich nicht um einfache manuelle Hilfstätigkeiten, sondern um qualifizierte Montagearbeiten gehandelt. Bei seiner Einvernahme durch die KIAB habe der Zweitmitbeteiligte ausgeführt, dass K. das Haftungsbzw. Gewährleistungsrisiko gegenüber der R. GmbH treffen würde. Dies zeige, dass der Zweitmitbeteiligte in der Sache gar nicht verstanden habe, was die Behörde von ihm gewollt habe. Die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Zweitmitbeteiligte vom 1. März bis zum 26. Oktober 2007 (durchgehend) beschäftigt worden sei. Der Zweitmitbeteiligte sei am 5. Oktober 2007, als er von der KIAB betreten worden sei, für den Revisionswerber in welcher Ausgestaltung auch immer tätig gewesen. Darüber hinausgehende Erkenntnisse, wann der Zweitmitbeteiligte noch für den Revisionswerber gearbeitet habe, würden nicht vorliegen. Bereits der UVS habe in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2010 darauf verwiesen, dass die tatsächliche Dauer der Tätigkeiten "nach dem Akteninhalt" sich lediglich auf einzelne kurze Zeiten innerhalb des bezeichneten Zeitraumes erstreckt hätten. Der Revisionswerber sei keineswegs durchgehend im genannten Zeitraum tätig gewesen. Nachgewiesen sei lediglich ein Tag, nämlich der 5. Oktober 2007.

Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Festzuhalten ist, dass der Revisionswerber bereits in seiner Berufung vorgebracht hat, dass der Zweitmitbeteiligte nicht durchgehend, sondern lediglich für einzelne kurze Zeiten innerhalb des gegenständlichen Zeitraumes beschäftigt gewesen sei. Die belangte Behörde hat zum einen lediglich die Feststellung getroffen, dass "40 Stunden pro Woche" vereinbart gewesen seien. Selbst wenn die belangte Behörde damit zum Ausdruck hätte bringen wollen, dass der Zweitmitbeteiligte im genannten Zeitraum durchgehend 40 Stunden pro Woche gearbeitet hat, so lässt sie jegliche Begründung vermissen, auf Grund welcher Beweismittel bzw. mit welcher Beweiswürdigung sie zu dieser Auffassung gelangt bzw. aus welchen Gründen das Vorbringen des Revisionswerbers in der Berufung nicht zutrifft. Dazu kommt, dass die von der belangten Behörde erwähnte niederschriftliche Befragung des Zweitmitbeteiligten bzw. die vom Revisionswerber erwähnten Angaben vor der KIAB in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten sind. Die rechtliche Schlussfolgerung einer durchgehenden Pflichtversicherung ist daher nicht nachvollziehbar.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Übergangsfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 13. Oktober 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte