VwGH 2011/07/0004

VwGH2011/07/000425.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Ing. M M in O, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 27. Oktober 2010, Zl. Senat-GF-09-0011, in der Fassung des Berichtigungsbescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 3. Februar 2011, Zl. Senat-GF-09-0011-2, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

StGB §33 Z2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;
StGB §33 Z2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Spruchpunktes III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (im Folgenden: LH) vom 14. Juni 1999 wurde der W. T. GesmbH eine wasserrechtliche Bewilligung zur Trockenbaggerung zwecks Gewinnung von Kies unter Einhaltung von Auflagen erteilt. Am 13. März 2008 wurde vom Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz festgestellt, dass die W. T. GesmbH näher genannte Auflagen des Bewilligungsbescheides nicht eingehalten habe.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (im Folgenden: BH) vom 22. Juli 2009 wurde über den Beschwerdeführer (als verantwortlicher Beauftragter der W. T. GesmbH) wegen Übertretung des § 137 Abs. 2 Z 7 WRG1959 iVm den Auflagen 1), 2), 3), 4), 5), 9) und 10) des Bescheides des LH vom 14. Juni 1999 Geldstrafen in der Höhe von insgesamt EUR 6.500,-

- (Ersatzfreiheitsstrafen: 288 Stunden) verhängt.

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Oktober 2010 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich der Spruchpunkte 2., 5., 6., und 7. aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren zu diesen Spruchpunkten eingestellt (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides) sowie hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 3. und 4. die verhängten Strafen auf EUR 1.600,--, EUR 300,-- und EUR 250,-- (mit jeweils gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid verminderter Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt (Spruchpunkt III.).

Gleichzeitig wurden die Strafnorm im Spruch des erstinstanzlichen Strafbescheides mit § 137 Abs. 2 Einleitungssatz WRG 1959 neu gefasst und der vom Beschwerdeführer zu entrichtende Betrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit insgesamt EUR 210,-- und der zu bezahlende Gesamtbetrag mit EUR 2.260,-- neu bestimmt.

In ihren Erwägungen führte die belangte Behörde - soweit für das vorliegende Verfahren von Relevanz - aus, der Beschwerdeführer habe hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 3. und 4. des erstinstanzlichen Strafbescheides (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) im Zuge der mündlichen Verhandlung am 23. September 2010 die Berufung auf die Strafhöhe eingeschränkt. Auf Grund dieser Einschränkung seien die Schuldsprüche hinsichtlich der genannten Übertretungen in Rechtskraft erwachsen. Es sei daher nur zu prüfen, ob bei der Strafbemessung dem durch § 19 VStG vorgegebenen Maßstab entsprochen worden sei bzw. die Voraussetzungen nach § 21 VStG vorlägen.

Durch die vom Beschwerdeführer zu vertretende Nichteinhaltung der im Spruch genannten Auflagen seien die vom Gesetz geschützten Interessen nicht unmaßgeblich beeinträchtigt worden, solle doch gerade durch die im Zusammenhang mit der gegenständlich erteilten wasserrechtlichen Bewilligung erfolgte Auflagenvorschreibung eine Hintanhaltung von negativen Auswirkungen auf das Grundwasser sichergestellt werden. Konkrete nachteilige Folgen des vom Beschwerdeführer zu vertretenden Verhaltens seien allerdings nach der Aktenlage nicht verifizierbar gewesen.

Mildernd sei neben dem schuldeinsichtigen Verhalten des Beschwerdeführers auch zu werten, dass dieser ernsthaft bemüht gewesen sei, den gesetzeskonformen Zustand unverzüglich herzustellen. Erschwerend habe aber "die einschlägige Verwaltungsvorstrafe" berücksichtigt werden müssen.

Hinsichtlich des Verschuldens sei zumindest von einem fahrlässigen Verhalten auszugehen. Ein mangelndes Verschulden habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können. Als verantwortlicher Beauftragter hätte sich der Beschwerdeführer um die Einhaltung der Auflagen des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides kümmern müssen, wobei der Umstand, dass der Beschwerdeführer schon seit Jahren mit einem näher bezeichneten Unternehmen kooperiere und es seit dem Jahr 1992 trotz ständiger Zusammenarbeit bis zum Jahr 2006 niemals zu Beanstandungen gekommen sei, ebenfalls bei der Strafbemessung berücksichtigt worden sei.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und den von der Behörde erster Instanz angenommenen und vom Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung bestätigten Einkommensverhältnissen könne - so die belangte Behörde - zu den zuvor genannten (erstinstanzlichen) Spruchpunkten auch mit niedrigeren Strafen das Auslangen gefunden werden. Eine weitergehende Herabsetzung der Strafbeträge sei aus spezial- und generalpräventiven Überlegungen jedoch nicht möglich. Auch die Anwendung des § 21 VStG komme nicht in Betracht, weil das Verschulden des Beschwerdeführers als zumindest fahrlässig und nicht als geringfügig zu qualifizieren sei.

Gegen den Spruchpunkt III. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde aus den Gründen der Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. In dieser Gegenschrift führte sie u.a. aus, dass es sich bezüglich der im Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zitierten und in Beschwerde gezogenen Beträge (Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie zu zahlender Gesamtbetrag) um offenbar auf Rechenfehler beruhende Unrichtigkeiten gehandelt habe und diesbezüglich auch ein Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom 27. Jänner 2011 (laut Akt richtig: vom 3. Februar 2011) erlassen worden sei.

Mit diesem - vom Beschwerdeführer nicht angefochtenen - Berichtigungsbescheid vom 3. Februar 2011 wurden gemäß § 62 Abs. 4 AVG der vom Beschwerdeführer zu entrichtende Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit insgesamt EUR 215,-- und der zu bezahlende Gesamtbetrag mit EUR 2.365,-- neu bestimmt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde gehe bei der Strafzumessung von einer einschlägigen Verwaltungsvorstrafe aus. Mangels anderer verwaltungsstrafrechtlicher Vorstrafen nehme sie offenbar auf den Bescheid der belangten Behörde vom 17. November 2008 Bezug. Dieser sei dem Beschwerdeführer erst am 21. November 2008 zugestellt worden. Zum Zeitpunkt der Begehung der neuen Straftat - mit dem nun angefochtenen Bescheid würden die am 13. März 2008 begangenen Verwaltungsübertretungen geahndet - sei der Bescheid vom 17. November 2008 somit noch nicht rechtskräftig gewesen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch macht. Dabei ist es Sache der Behörde, die für die Strafzumessung maßgebenden Erwägungen darzustellen, um so dem Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit zur Überprüfung zu eröffnen, ob vom Ermessen gesetzesgemäß Gebrauch gemacht worden ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 99/09/0140, mwN).

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist gemäß § 19 Abs. 1 VStG idF BGBl. Nr. 52/1991 stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Milderungs- und Erschwerungsgründe sind im VStG nicht taxativ aufgezählt. Das Unterbleiben der Feststellung vorhandener Milderungsgründe bzw. die unzutreffende Wertung von Umständen als Erschwerungsgründe belastet einen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1985, Zl. 84/07/0378, und vom 12. Dezember 1995, Zl. 94/09/0197).

Der Erschwerungsgrund, schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden zu sein (§ 33 Z 2 StGB) muss aber - unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts - als rechtskräftige Bestrafung zum Zeitpunkt der durch sie erschwerten Tat, für die die Strafe bemessen werden soll, bereits vorgelegen sein (vgl. dazu nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 84/07/0378, sowie das Erkenntnis vom 13. März 1991, Zl. 90/03/0016; sh. ferner das Erkenntnis vom 18. März 2004, Zl. 2003/05/0201).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde bei der Strafbemessung eine - nicht näher bezeichnete - "einschlägige Verwaltungsvorstrafe" als erschwerend berücksichtigt. Das Beschwerdevorbringen, dabei werde offensichtlich auf den bereits erwähnten Bescheid vom 17. November 2008 Bezug genommen, der sich auf Verwaltungsübertretungen im Zeitraum vom 25. Juli 2006 bis 13. Dezember 2006 bezogen habe, wird in der Gegenschrift der belangten Behörde im Ergebnis bestätigt.

Da der Bescheid vom 17. November 2008 dem Beschwerdeführer erst am 21. November 2008 zugestellt worden ist, war im Zeitpunkt der nun in Rede stehenden Verwaltungsübertretung (Tatzeitpunkt), sohin zum 13. März 2008, die frühere Verwaltungsübertretung für den Zeitraum vom 25. Juli 2006 bis 13. Dezember 2006 noch nicht formell rechtskräftig. Der Erschwerungsgrund des § 33 Z 2 StGB wurde somit zu Unrecht bei der Strafbemessung herangezogen, weshalb der Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet wurde.

Daran ändert auch das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift nichts, wonach - hier zusammengefasst - schon aus einem Vergleich der im Bescheid vom 17. November 2008 und der im nunmehr angefochtenen Bescheid erfolgten Strafbemessung ersichtlich sei, dass dem im angefochtenen Bescheid herangezogenen "Milderungs- bzw. Erschwerungsgrund" kein entscheidendes Gewicht bei der Strafbemessung zugekommen sei und dem Beschwerdeführer bereits nach Erlassung des "ersten" Straferkenntnisses vom 7. August 2007 offenbar sein schuldhaftes Verhalten bewusst gewesen sei. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist nämlich unzweifelhaft zu entnehmen, dass die einschlägige Verwaltungsvorstrafe als Erschwerungsgrund in die Strafbemessung eingeflossen ist.

Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, es sei nicht nachvollziehbar, welche Geldstrafen dem Beschwerdeführer durch den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides auferlegt worden seien, weil der im letzten Absatz dieses Spruchpunktes genannte Gesamtbetrag im Widerspruch zu den mit den Spruchpunkten 1., 3., und 4. verhängten Strafen stehe, genügt es, auf den - vom Beschwerdeführer nicht angefochtenen - Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 2011 zu verweisen.

Nach § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde jederzeit von Amts wegen Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden berichtigen. Der Berichtigungsbescheid wirkt dabei auf den Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides zurück und bildet mit diesem eine Einheit. Wurde der ursprüngliche Bescheid schon vor seiner Berichtigung angefochten, ist er in der durch die Berichtigung geänderten Fassung zu überprüfen, auch wenn der Berichtigungsbescheid selbst nicht angefochten wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. März 2011, Zl. 2009/07/0128, mwN). Somit war der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof der angefochtene Bescheid in der durch den Berichtigungsbescheid geänderten Fassung zugrunde zu legen.

Daraus ergäbe sich insoweit eine Klaglosstellung des Beschwerdeführers.

Der Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war jedoch aus den oben dargestellten Gründen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Infolge dessen waren von der Aufhebung auch die im Spruch des angefochtenen Bescheides in der Fassung des Berichtigungsbescheides festgelegten, vom Beschwerdeführer zu entrichtenden Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und der bestimmte Gesamtbetrag betroffen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. Juni 2014

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