VwGH 2013/22/0051

VwGH2013/22/005117.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden 1. der N, 2. des F und

3. der Z, alle vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom 6. Februar 2013,

  1. 1.) Zl. 159.541/2-III/4/11, 2.) Zl. 159.541/4-III/4/11 und
  2. 3.) Zl. 159.541/3-III/4/11, jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §10;
EMRK Art8;
NAG 2005 §43 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2013220051.X00

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der beiden weiteren minderjährigen beschwerdeführenden Parteien. Alle sind türkische Staatsangehörige.

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden bestätigte die belangte Behörde die in erster Instanz ergangenen Zurückweisungen der Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 43 Abs. 3 iVm § 44b Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

Begründend führte die belangte Behörde - im Wesentlichen gleichlautend - aus, die Erstbeschwerdeführerin sei am 7. Juli 2005 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Am 18. Juli 2005 habe sie einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei vom Bundesasylamt in erster Instanz mit Bescheid vom 23. Mai 2006 abgewiesen worden. Gleichzeitig sei gegen sie eine Ausweisung erlassen worden.

Der Zweitbeschwerdeführer sei am 19. März 2010 und die Drittbeschwerdeführerin am 5. Jänner 2007 in Österreich geboren worden. Für beide seien kurz nach der Geburt Anträge auf internationalen Schutz gestellt worden, die in erster Instanz mit Bescheid vom 15. April 2010 (Zweitbeschwerdeführer) bzw. vom 13. Juni 2007 (Drittbeschwerdeführerin) abgewiesen worden seien. Gegen sie seien mit diesen Bescheiden unter einem auch Ausweisungen ausgesprochen worden.

Die von allen beschwerdeführenden Parteien im Asylverfahren eingebrachten Rechtsmittel seien vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. April 2011 abgewiesen worden. Auch sämtliche Ausweisungsentscheidungen seien bestätigt worden. Die Ausweisungen seien am 25. April 2011 in Rechtskraft erwachsen.

Die hier gegenständlichen Anträge hätten die beschwerdeführenden Parteien am 29. April 2011 gestellt. Die Erstbeschwerdeführerin habe mit dem Antrag Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen, die im Jahr 2006 und im Jahr 2009 stattgefunden hätten, vorgelegt. Weiters sei eine Lohnbestätigung des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin sowie eine Kopie des Mietvertrages beigebracht worden. In einem Begleitschreiben sei weiters die familiäre Situation und die "bisher erfolgte Integration" geschildert worden.

Daraufhin habe die Behörde erster Instanz, nachdem den beschwerdeführenden Parteien die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, zu den beabsichtigten Zurückweisungen Stellung zu nehmen, wovon aber kein Gebrauch gemacht worden sei, die gegenständlichen Anträge (jeweils mit Bescheid vom 22. Juni 2011) zurückgewiesen.

In ihrer rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde davon aus, dass der Asylgerichtshof im April 2011 unter Berücksichtigung aller ihm damals zur Verfügung stehenden Informationen davon ausgegangen sei, die Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Das schließe es aus, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten wäre. Die Zurückweisung der verfahrensgegenständlichen Anträge wäre lediglich dann nicht vorzunehmen, wenn im Hinblick auf seit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung eingetretene maßgebliche Sachverhaltsänderungen eine neuerliche Beurteilung der gegenständlichen Fälle unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK erforderlich wäre. Bei dieser Beurteilung sei fallbezogen der Zeitraum zwischen der jeweiligen "zweitinstanzlich erlassenen Ausweisung des AGH" und der Entscheidung der Niederlassungsbehörde erster Instanz in den Blick zu nehmen.

Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren erster Instanz lediglich einen Nachweis über den Besuch von Deutschkursen vorgelegt. Daraus ergebe sich aber noch keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes im Sinn des § 44b Abs. 1 NAG. Auch den übrigen im Verfahren vorgelegten Unterlagen könne eine maßgebliche Änderung nicht entnommen werden. Es seien daher die in erster Instanz ergangenen Zurückweisungen zu bestätigen gewesen.

Im Übrigen werde noch darauf hingewiesen, dass auch dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin (dem Vater der weiteren beschwerdeführenden Parteien) kein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erteilt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden, die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 43 Abs. 3 und § 44b Abs. 1 NAG (samt Überschrift) lauten (das NAG stellt sich in allen Fällen im Hinblick auf die Zeitpunkte der Erlassung der angefochtenen Bescheide (im Februar 2013) in der Fassung des BGBl. I Nr. 50/2012 als maßgeblich dar):

"Niederlassungsbewilligung

§ 43. …

(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine 'Niederlassungsbewilligung' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist."

"§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder

3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

Die Beschwerden lassen unbestritten, dass die beschwerdeführenden Parteien jeweils mit - am 25. April 2011 in Rechtskraft erwachsenem - Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11. April 2011 ausgewiesen wurden. Die Anträge der beschwerdeführenden Parteien waren daher gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG zurückzuweisen, es sei denn, es wäre im Hinblick auf seit den Ausweisungen maßgebliche Sachverhaltsänderungen eine Neubeurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK erforderlich.

Die belangte Behörde gelangte zu dem Ergebnis, dass in den hier gegenständlichen Fällen keine derartige Sachverhaltsänderung eingetreten sei.

Die beschwerdeführenden Parteien wenden sich gegen diese Auffassung und machen dazu geltend, die Erstbeschwerdeführerin sei mit ihrem Ehemann und den anderen beschwerdeführenden Parteien an einer gemeinsamen Adresse ordnungsgemäß gemeldet und wohnhaft. Sie seien sozial integriert. Die soziale Integration sei allein schon dadurch dokumentiert, dass die Erstbeschwerdeführerin "bereits zahlreiche Deutschkurse absolviert" habe und solche Kurse weiterhin besuche. Der Ehemann der Beschwerdeführerin gehe einer geregelten Beschäftigung nach. Der Unterhalt der beschwerdeführenden Parteien sei daher gesichert.

Damit wenden sich die beschwerdeführenden Parteien in Wahrheit aber in unzulässiger Weise - die Überprüfung der im Asylverfahren ergangenen Ausweisung ist nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Niederlassungsbehörde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 2011, Zl. 2011/22/0112, mwN) - gegen die im Asylverfahren getroffene Beurteilung.

Inwieweit ein seit der Erlassung der Ausweisungen geänderter Sachverhalt vorliege, der eine Neubeurteilung nach Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätte, legen die beschwerdeführenden Parteien nicht konkret dar. Mit den bloß pauschalen Behauptungen, die belangte Behörde hätte in ihrer Beurteilung geirrt und diese hätte den Fortschritt der sozialen Integration berücksichtigen müssen, bleibt gänzlich im Dunkeln, worin der seit der Ausweisungsentscheidung wesentlich geänderte Sachverhalt zu sehen wäre. Insbesondere ist im gegebenen Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch die ins Treffen geführten Deutschkurse von der Erstbeschwerdeführerin nach den - insoweit unbestritten gebliebenen - Feststellungen bereits vor Erlassung der Ausweisung absolviert wurden. Aber auch das Vorbringen, die Erstbeschwerdeführerin besuche weiterhin Deutschkurse, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet darzulegen, dass ein seit der Ausweisung maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinn des § 44b Abs. 1 NAG vorläge.

Es ist sohin zusammengefasst nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde davon ausging, ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der eine Neubeurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK erfordert hätte, liege nicht vor (vgl. zur Relevanz des dabei zu berücksichtigenden Zeitpunktes der Entscheidung der Behörde erster Instanz das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, Zl. 2012/22/0167, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, Zlen. 2011/22/0035 bis 0039).

Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die jeweils behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. April 2013

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