VwGH 2013/08/0228

VwGH2013/08/022811.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der C K in N, vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Vogelweiderstraße 55, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 13. August 2013, Zl. LGS SBG/2/0566/2013, betreffend Einstellung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §8 Abs2;
AlVG 1977 §8 Abs3 idF 2010/I/062;
ASVG §351b;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:

Die Beschwerdeführerin ist seit dem 1. Jänner 2008 arbeitslos und bezog seit dem 30. September 2008 mit kurzen Unterbrechungen Notstandshilfe.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde die Notstandshilfe ab 19. Juni 2013 eingestellt, weil die Beschwerdeführerin den für diesen Tag vorgeschriebenen Untersuchungstermin bei der Pensionsversicherungsanstalt im Rahmen der "Gesundheitsstraße" nicht eingehalten habe.

Zur näheren Begründung führte die belangte Behörde aus, dass dem Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) ein Befundbericht der Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. L. vom 16. August 2012 vorliege, den die Beschwerdeführerin am 4. September 2012 übermittelt habe. In diesem seien folgende Diagnosen angeführt (Schreibfehler wie im angefochtenen Bescheid):

"Meniscusop rechts medial; spangelbildende Spondylose thorakal und gering lumbal; massive Varusgonarhtrose rechts, incipiente Femoropatellararthrose; massive Arthrose re Fußwurzel, incip Arthrose OSG, Fersensporn; Tendomyalgie im Bereich des gesamten Rückens; depressive Verstimmung, psychischer Erschöpfungszustand; Polyarthralgien; rezidivierende Dorsolumbalgie bei spangenbildender Spondylose thorakal und lumbal; Hyperuricämie, Hypothyreose, Adipositas".

Aus dem Befundbericht gehe weiter hervor, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Arthrosen und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen nur mehr eingeschränkt arbeitsfähig sei.

Folgende Tätigkeiten sollten vermieden werden:

rein stehende Arbeiten, Arbeiten mit ständiger Hebe- und Tragebelastung oder Hebe- und Tragebelastung über 5 kg, Arbeiten in Kälte, Nässe und Zugluft, ständig gebückte, kniende oder hockende Arbeiten, Arbeiten mit Heben und gleichzeitiger Rotationsbelastung im Bereich der Wirbelsäule; empfohlen werde eine wechselnde Arbeitshaltung.

Stellenvermittlungen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen hätten zuletzt zu keinem Erfolg geführt, und auch der Beschwerdeführerin sei es nicht gelungen, eine passende Stelle zu finden. Daher habe die zuständige regionale Geschäftsstelle des AMS sie am 21. Mai 2013 mit der Teilnahme an einer Untersuchung bei der Pensionsversicherungsanstalt am 19. Juni 2013 um 9:30 Uhr beauftragt, da sich Zweifel über ihre Arbeitsfähigkeit ergeben hätten. Genauere Informationen sollte die Beschwerdeführerin dem beim Beratungsgespräch am 21. Mai 2013 ausgefolgten Einladungsschreiben entnehmen.

Dieses Einladungsschreiben werde als Untersuchungsauftrag an die Pensionsversicherungsanstalt/Landesstelle Salzburg bezeichnet. Unter der Rubrik "Fachrichtung" werde angeführt "Sonstiges (allgemein)". Unter der Rubrik "Angabe von Kundin/vom Kunden zur Arbeitsunfähigkeit" werde angeführt "orthopädische Einschränkungen in mehreren Bereichen (multiple Arthrosen, Spondylose) sowohl im sitzenden Bereich als auch Hebeeinschränkungen, sowie bei langem Stehen oder Gehen".

Bei ihrer Vorsprache am 13. Juni 2013 habe das AMS der Beschwerdeführerin noch einmal den Auftrag zur Teilnahme an der Untersuchung erteilt. Der Betreuungsplan vom 13. Juni 2013 enthalte nicht nur den genauen Untersuchungstermin, sondern auch eine ausführliche Begründung für die beabsichtigte Vorgangsweise sowie eine ausführliche Belehrung über die Rechtsfolgen, sollte die Beschwerdeführerin den Untersuchungstermin nicht wahrnehmen.

Folgende Begründung sei festgehalten worden:

"Aufgrund Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ist die Arbeitssuche sehr erschwert. Das AMS bemüht sich Sie bestmöglich bei Ihrer Arbeitsplatzsuche zu unterstützen. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist Ihre Arbeitsfähigkeit. Ihre persönlichen Angaben und die vorliegenden Unterlagen machen eine neuerliche Prüfung erforderlich. Der von Ihnen vorgelegte erweiterte private Facharztbefund vom 29.08.2012 beinhaltet massive gesundheitliche Einschränkungen, die einer Beschäftigungsaufnahme am Allgemeinen Arbeitsmarkt entgegenstehen. Sie selbst haben im Zuge von Stellenangeboten unter Hinweis auf den Facharztbefund darauf hingewiesen, dass Sie aufgrund Ihrer Rückenprobleme und Arthrosen auch keine 'überwiegend sitzende Tätigkeit' ausüben können. Bisherige Vermittlungsversuche scheiterten an Ihren gesundheitlichen Einwendungen. Daher liegen Umstände vor, die objektive Zweifel an Ihrer Arbeitsfähigkeit begründen."

Diese Betreuungsvereinbarung sei nicht im Einvernehmen erstellt worden, weil die Beschwerdeführerin eine bescheidmäßige Zustellung der Vereinbarung und der Niederschrift mit der Anordnung der ärztlichen Untersuchung nach § 8 AlVG erwartet habe.

In der am 13. Juni 2013 aufgenommenen Niederschrift habe die Beschwerdeführerin Gelegenheit bekommen, nach Erörterung der objektiven Zweifel des AMS an ihrer Arbeitsfähigkeit eine Stellungnahme abzugeben. Sie habe dazu lediglich erklärt, dass sie auf der Zustellung der Anordnung der ärztlichen Untersuchung und der Niederschrift als Bescheid bestehe. Sie habe weder die Niederschrift vom 13. Juni 2013 noch den Betreuungsplan unterzeichnet; ihr ebenfalls anwesender Ehemann habe jedoch beides unterzeichnet. In einem E-Mail vom 18. Juni 2013 teile die Beschwerdeführerin mit, dass sie den Untersuchungstermin bei der Pensionsversicherungsanstalt für nicht relevant und überflüssig halte, weil sie sich im Auftrag des AMS bereits am 16. August 2012 fachärztlich untersuchen lassen und dem AMS das Gutachten gebracht hätte, weshalb sie die Forderung nach einer fachärztlichen Untersuchung bereits erfüllt hätte.

Am 19. Juni 2013 habe das AMS die Nachricht erhalten, dass die Beschwerdeführerin nicht zum vorgeschriebenen Untersuchungstermin erschienen sei. Am 3. Juli 2013 habe das AMS der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, ihre Gründe für die Nichteinhaltung des Untersuchungstermins darzulegen. In der aufgenommenen Niederschrift habe sie erklärt, bereits ein fachärztliches Gutachten vom 16. August 2012 vorgelegt zu haben. Dieser ärztliche Befund wäre weniger als ein Jahr alt, seither hätte sich weder an den objektiven noch subjektiven Umständen etwas geändert. Daher wäre die Anordnung der Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens weder zulässig noch erforderlich.

Auf Grund dieses Sachverhalts sei der erstinstanzliche Bescheid erlassen worden, gegen den sich die Berufung der Beschwerdeführerin richte.

Es sei unstrittig, dass sie der Anordnung der regionalen Geschäftsstelle, sich zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, nicht nachgekommen sei. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens sei zu überprüfen, ob diese Untersuchung bei der Pensionsversicherungsanstalt im Rahmen der Gesundheitsstraße zu Recht veranlasst worden sei und sämtliche Verfahrensvorschriften eingehalten worden seien.

Eine Voraussetzung für die Anordnung der ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 2 AlVG sei das Vorliegen von Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit der arbeitslosen Person, die auf objektiven Fakten beruhten. Eine weitere Voraussetzung sei, dass der arbeitslosen Person bezüglich dieser Fakten Parteiengehör eingeräumt werde. Bei Vorliegen begründeter Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der arbeitslosen Person dürfe gegen deren Willen zunächst nur eine Zuweisung an einen Arzt für Allgemeinmedizin erfolgen. Die arbeitslose Person müsse nachweislich über die Rechtsfolgen, die bei Verweigerung der ärztlichen Untersuchung einträten, aufgeklärt werden.

Die belangte Behörde sehe es als erwiesen an, dass sämtliche Voraussetzungen für die rechtmäßige Anordnung der Überprüfung der Arbeitsfähigkeit im Sinn des § 8 Abs. 2 AlVG erfüllt seien. Die Beschwerdeführerin sei zwar am 21. Mai 2013 nicht nachweislich darüber aufgeklärt worden, weshalb das AMS die Untersuchung für notwendig halte. Dies sei jedoch am 13. Juni 2013 nachgeholt worden. Die "Betreuungsvereinbarung", in der die Gründe für die Zweifel an der Arbeitsfähigkeit und die Rechtsfolgen im Fall der Verweigerung der Untersuchung festgehalten seien, sei zwar nicht mit dem Einvernehmen der Beschwerdeführerin getroffen worden, es bestünden jedoch keine Zweifel am ordnungsgemäßen Zustandekommen dieser "Betreuungsvereinbarung", da dies durch die Beraterin C. W. und die anwesende Abteilungsleiterstellvertreterin B. S. durch deren Unterschriften bestätigt worden sei. Mit der Niederschrift vom 13. Juni 2013 sei der Beschwerdeführerin auch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Auch diese Niederschrift sei von ihr nicht unterzeichnet worden, das ordnungsgemäße Zustandekommen sei wiederum von C. W. und B. S. bestätigt worden. Es bestehe keine Veranlassung, an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln, da kein Grund zur Annahme bestehe, dass sie einer Kundin durch falsche Angaben Schaden zufügen wollten.

Nach Ansicht der belangten Behörde seien Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin gerechtfertigt. Es sei zwar richtig, dass dem AMS bereits ein fachärztliches Attest vorliege. Dieses sei jedoch nur eingefordert worden, um den Umfang der gesundheitlichen Einschränkungen der Beschwerdeführerin festzustellen. Es sei dabei nie um die Überprüfung der generellen Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin gegangen. Erst auf Grund der umfangreichen gesundheitlichen Einschränkungen, die von der Fachärztin für Orthopädie festgestellt worden seien, und der Tatsache, dass bis jetzt auf Grund dieser Einschränkungen eine Integration in den Arbeitsmarkt nicht gelungen sei, seien die Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin gerechtfertigt. Das AMS sei an ein fachärztliches Gutachten nicht gebunden, weil es gemäß § 8 Abs. 3 AlVG nur an ärztliche Gutachten, die im Wege der Pensionsversicherungsanstalt erstellt würden, gebunden sei.

Im gesamten Verfahren habe die Beschwerdeführerin keine konkreten Einwände gegen die vom AMS festgestellten Zweifel an ihrer Arbeitsfähigkeit vorgebracht, sondern immer nur auf das Attest der Fachärztin für Orthopädie verwiesen. Der Umstand, dass sie bereits im Jahr 2012 ein privatärztliches Attest erstellen lassen habe, entbinde sie jedoch nicht von ihrer Verpflichtung zur ärztlichen Untersuchung bei der Pensionsversicherungsanstalt im Rahmen der Gesundheitsstraße, da das Ziel dieser Untersuchung und der Begutachtung die objektive Feststellung der Arbeitsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 AlVG sei.

Der Forderung nach einer bescheidmäßigen Anordnung der ärztlichen Untersuchung sei die regionale Geschäftsstelle zu Recht nicht nachgekommen. Bei der Beauftragung zur ärztlichen Untersuchung und dem Parteiengehör handle es sich um Verfahrensschritte während des laufenden Verfahrens zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit, die nicht mit Bescheid zu erfolgen hätten, weil nach dem AVG ein Bescheid nur der Erledigung eines Verfahrens diene.

Die belangte Behörde sehe es somit als erwiesen an, dass die regionale Geschäftsstelle bei der Anordnung der Untersuchung sämtliche Erfordernisse entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt habe. Da die Beschwerdeführerin den Untersuchungstermin am 19. Juni 2013 nicht wahrgenommen habe, liege ein Tatbestand im Sinn des § 8 Abs. 2 AlVG vor, und die regionale Geschäftsstelle habe zu Recht entschieden, dass die Beschwerdeführerin ab dem Tag der Weigerung, sich der Untersuchung zu unterziehen, keine Notstandshilfe erhalte.

 

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass nicht erkennbar sei, aus welchem Grund sich seit Vorliegen des Befundes vom 16. August 2012 Bedenken im Hinblick auf ihre Arbeitsfähigkeit ergeben hätten können. Das Ausmaß ihrer Beschwerden beziehe sich fast ausschließlich auf den orthopädischen Bereich, Hinweise für andere Erkrankungen oder Beeinträchtigungen seien im bisherigen Verfahren nicht hervorgekommen. Vor diesem Hintergrund mute die Aufforderung zur Untersuchung im Rahmen der Gesundheitsstraße "schon direkt als mutwillig" an. Es sei sicherlich nicht Zweck der gesetzlichen Bestimmung, den Mitarbeitern des AMS die Möglichkeit einzuräumen, ärztliche Untersuchungen wiederholt anzuordnen, bis ein ärztliches Attest vorliege, welches dem Sachbearbeiter genehm sei.

Außerdem müsse die Anweisung zur ärztlichen Untersuchung mit Bescheid erfolgen.

2. Gemäß § 8 Abs. 2 AlVG ist der Arbeitslose, wenn sich Zweifel über die Arbeitsfähigkeit ergeben, verpflichtet, sich auf Anordnung der regionalen Geschäftsstelle ärztlich untersuchen zu lassen. Weigert er sich, dieser Anordnung Folge zu leisten, so erhält er für die Dauer der Weigerung kein Arbeitslosengeld.

Gemäß § 8 Abs. 3 AlVG idF BGBl. I Nr. 62/2010 sind ärztliche Gutachten von Personen zur Beurteilung ihrer Arbeitsfähigkeit, die im Wege der Pensionsversicherungsanstalt nach § 351b ASVG erstellt werden, vom Arbeitsmarktservice anzuerkennen und dessen weiterer Tätigkeit zu Grunde zu legen.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.

3. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass die Feststellung des Vorliegens von Arbeitsfähigkeit im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Gewährung von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung ein unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässiges Ziel ist, welches mit der im Gesetz normierten Verpflichtung des Leistungsbeziehers, sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen, verfolgt werden darf. Die Anordnung einer medizinischen Untersuchung durch Bedienstete des AMS im Sinn des § 8 Abs. 2 erster Satz AlVG (mit der Sanktion des zweiten Satzes) gegen den Willen der Partei ist aber nur insoweit rechtmäßig, als auf Grund von bestimmten Tatsachen der begründete Verdacht besteht, dass Arbeitsfähigkeit nicht (mehr) vorliegt oder dies die Partei selbst behauptet oder als möglich darstellt. Außerdem hat eine Zuweisung zur Untersuchung (vorerst) grundsätzlich an einen Arzt für Allgemeinmedizin zu erfolgen. Soweit dieser die Frage der Arbeitsfähigkeit nicht abschließend zu beurteilen vermag, wäre es seine Sache darzutun, dass und welche weiteren Untersuchungen durch Fachärzte oder - gegebenenfalls - welche die Partei in höherem Maß belastenden Untersuchungen, wie zB bildgebende Verfahren oder invasive Maßnahmen, zur Abklärung des Leidenszustandes aus medizinischer Sicht erforderlich sind, es sei denn, die Partei stimmt der sofortigen Zuweisung an einen Facharzt nachweislich zu (oder es bestehen bereits konkrete, objektivierte Anhaltspunkte dafür, welchem medizinischen Fachbereich das Krankheitsbild zuzuordnen ist - vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. März 2005, Zl. 2004/08/0059; die Zuweisung an die "Gesundheitsstraße" der Pensionsversicherungsanstalt zur Durchführung medizinischer Begutachtung iSd § 351 b ASVG ist der Zuweisung an einen Arzt für Allgemeinmedizin gleichzuhalten). Die Partei ist in jedem Fall über die Gründe für eine Zuweisung zu einer Untersuchung zu unterrichten, dazu zu hören und über die Sanktion für den Fall der Verweigerung der Untersuchung zu belehren (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 2004, Zl. 2003/08/0271, VwSlg. 16.475 A, und vom 16. März 2011, Zl. 2009/08/0127).

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist es aber nicht notwendig, die Zuweisung mit Bescheid zu verfügen: Zwar wird, wie der Verwaltungsgerichtshof im von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2003/08/0271, VwSlg. 16.475 A, ausgeführt hat, mit der Verpflichtung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, in durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte eingegriffen. Das bedeutet jedoch nicht, dass schon die Anordnung der Untersuchung mit Bescheid zu erfolgen hat. Sie ist nämlich nicht durch Zwangsmaßnahmen unmittelbar durchsetzbar; vielmehr führt die Verweigerung der aufgetragenen Untersuchung zum - mit Bescheid auszusprechenden - Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Im darüber durchzuführenden Verwaltungsverfahren ist - letztlich unter der Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - auch die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Untersuchung einschließlich der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte im konkreten Einzelfall zu überprüfen.

4. Auch sonst bestehen im Beschwerdefall keine Bedenken gegen die behördliche Vorgangsweise.

Dem AMS lag zwar bereits ein von der Beschwerdeführerin eingeholter Befund einer Fachärztin für Orthopädie vor. Gerade auf Grund dieses Befunds - in Verbindung mit den seither erfolglosen Vermittlungsversuchen - waren aber Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin berechtigt, auch wenn ihr von der Fachärztin für Orthopädie noch eingeschränkte Arbeitsfähigkeit bescheinigt worden war. Die Zuweisung zu einer weiteren - (zunächst) "allgemeinen" - Untersuchung bei der Pensionsversicherungsanstalt durfte auch deswegen als erforderlich angesehen werden, weil der Gesetzgeber durch die Anordnung des § 8 Abs. 3 AlVG zum Ausdruck gebracht hat, dass der Begutachtung durch Ärzte der Pensionsversicherungsanstalt bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit grundsätzlich vorrangige Bedeutung zukommen soll (vgl. auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 785 BlgNR 24. GP, 8, wonach im Rahmen der "Gesundheitsstraße" eine "einheitliche, standardisierte, zentrale und verbindliche Feststellung der Arbeitsfähigkeit" erfolgen soll; zur dennoch nur eingeschränkten "Verbindlichkeit" der Gutachten s. allerdings das hg. Erkenntnis vom 14. März 2013, Zl. 2012/08/0311).

Dass die Beschwerdeführerin sowohl über die Gründe für die Zuweisung als auch über die Rechtsfolgen bei einer Verweigerung der Untersuchung unterrichtet worden und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist, bestreitet sie nicht.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Wien, am 11. Dezember 2013

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