VwGH 2013/03/0104

VwGH2013/03/010428.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des H G in M, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 1. August 2013, Zl A3/98480/2013, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §6;
ABGB §7;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §59;
AVG §68 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WaffG 1996 §21 Abs4;
WaffG 1996 §7;
ABGB §6;
ABGB §7;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §59;
AVG §68 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WaffG 1996 §21 Abs4;
WaffG 1996 §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu setzen.

Begründung

A. Der angefochtene Bescheid

1. Mit Bescheid vom 31. Mai 2013 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Braunau dem Beschwerdeführer den Waffenpass mit der Nr P0 mit folgendem Beschränkungsvermerk: "Gilt ausschließlich hinsichtlich Ihrer Tätigkeit als Taxilenker bei einem konzessionierten Taxiunternehmen".

2. Der dagegen gerichteten Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 21 Abs 2 und 4 bzw § 22 Abs 2 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), Folge gegeben und der Erstbescheid insofern abgeändert, als dem Beschwerdeführer ein Waffenpass mit dem Beschränkungsvermerk "gilt für die Dauer der Tätigkeit als Taxilenker" auszustellen ist.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie der relevanten Bestimmungen des WaffG (insbesondere §§ 21, 22 leg cit) führte die belangte Behörde begründend aus, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 21 Abs 4 WaffG ein Beschränkungsvermerk im Waffenpass nur dahingehend lauten dürfe, dass die Befugnis zum Führen erlösche, sobald der Berechtigte "diese Tätigkeit" künftig nicht mehr ausüben wolle oder dürfe. Damit stelle der Gesetzgeber eindeutig auf die Tätigkeit generell ab, auf die sich der im Verfahren geltend gemachte Bedarf stütze. Eine Einschränkung auf die konkrete Ausübung dieser Tätigkeit sei im Gesetz nicht vorgesehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

B. Beschwerdeverfahren

1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Aufstellung eines gesetzeskonform beschränkten Waffenpasses zum Besitz und Führen von einer Schusswaffe der Kategorie B verletzt.

2. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

C. Erwägungen

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des WaffG lauten (auszugsweise):

"Führen

§ 7. (1) Eine Waffe führt, wer sie bei sich hat.

(2) Eine Waffe führt jedoch nicht, wer sie innerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder eingefriedeten Liegenschaften mit Zustimmung des zu ihrer Benützung Berechtigten bei sich hat.

(3) Eine Waffe führt weiters nicht, wer sie - in den Fällen einer Schußwaffe ungeladen - in einem geschlossenen Behältnis und lediglich zu dem Zweck, sie von einem Ort zu einem anderen zu bringen, bei sich hat (Transport)."

"Ausstellung von Waffenbesitzkarte und Waffenpaß

§ 21. (1) ...

(2) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.

(3) Die Ausstellung von Waffenpässen an verläßliche Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und den Nachweis erbringen, daß sie entweder beruflichen oder als Inhaber einer Jagdkarte jagdlichen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B haben, liegt im Ermessen der Behörde. Bezieht sich der Bedarf nur auf Repetierflinten oder halbautomatische Schußwaffen, kann die Behörde die Befugnis zum Führen durch einen Vermerk im Waffenpaß so beschränken, daß der Inhaber bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres Faustfeuerwaffen nicht führen darf.

(4) Wird ein Waffenpaß nur im Hinblick auf die besonderen Gefahren ausgestellt, die bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit auftreten, so hat die Behörde die Befugnis zum Führen durch einen Vermerk im Waffenpaß so zu beschränken, daß die Befugnis zum Führen erlischt, sobald der Berechtigte diese Tätigkeit künftig nicht mehr ausüben will oder darf. Tritt dies ein, so berechtigt ein solcher Waffenpaß nur mehr zum Besitz der Waffen im bisherigen Umfang; einer gesonderten Rechtfertigung bedarf es hierfür nicht.

(5) ...

(6) ..."

2.1. Wenn § 21 Abs 4 WaffG anordnet, dass die Befugnis zum Führen einer Waffe in Anbetracht des nach dieser Bestimmung vorgenommenen Beschränkungsvermerks im Waffenpass - sofern dieser nur im Hinblick auf die besonderen Gefahren ausgestellt wird, die bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit auftreten - erlischt, sofern der Berechtigte diese Tätigkeit künftig nicht mehr ausüben will oder darf, bedeutet das, dass dann, wenn der Berechtigte bloß vorübergehend diese Tätigkeit nicht ausübt bzw nicht ausüben darf, die Befugnis zum Führen der Waffe nicht erlischt (vgl in diesem Sinn Grosinger/Siegert/Szymanski, Das neue österreichische Waffenrecht, 2012, S 114 (Anm 4 zu § 21 Abs 4 WaffG)). Wenn somit sogar für die Dauer einer solchen Unterbrechung die Berechtigung zum Führen der Waffe gegeben ist, ist diese Berechtigung auch dann gegeben, wenn der Berechtigte (ohne eine solche Unterbrechung) die gefährliche Tätigkeit nach wie vor ausüben will bzw darf, diese Tätigkeit aber beim Führen der Waffe nicht konkret ausübt.

2.2. Letzteres hat die belangte Behörde in der Begründung des bekämpften Bescheides ausdrücklich eingeräumt. Sie hat allerdings den Beschränkungsvermerk derart textiert, dass der Waffenpass (und damit die Berechtigung zum Führen der Waffe) für die "Dauer der Tätigkeit als Taxilenker" gelten soll. Insofern, als diese Fassung des Beschränkungsvermerkes auf die "Tätigkeit" abstellt, lässt sich dieser Vermerk auch so verstehen, dass die Berechtigung zum Führen der Waffe nur für die Dauer der jeweils konkreten Taxilenkertätigkeit gegeben sein soll.

3. Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Vermerk - im Sinn einer gesetzeskonformen Deutung des bekämpften Bescheides - aber ohnehin auch in dem vom Beschwerdeführer gewünschten Sinn so verstanden werden kann, dass der gesamte Zeitraum seiner beruflichen Tätigkeit als Taxilenker und nicht bloß einzelne taxilenkerische Ausfahrten zu verstehen seien. Damit ist für die belangte Behörde im Ergebnis aber nichts zu gewinnen:

4. Der in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelte Grundsatz, dass für die Auslegung von Bescheiden - im Hinblick auf deren Normqualität - die für Gesetze zu beachtenden Auslegungsregeln der §§ 6 und 7 ABGB analog heranzuziehen sind (vgl - auch zum Folgenden - VwGH vom 16. Juni 2004, 2001/08/0034, VwSlg 16.383 A/2004), hat zwar zur Folge, dass der Spruch eines Bescheides (analog zum Gebot verfassungskonformer Auslegung von Gesetzen) gesetzeskonform auszulegen (zu den Grenzen einer solchen Vorgangsweise vgl VwGH vom 19. September 1996, 95/07/0221, und - betreffend die verfassungskonforme Interpretation - VwGH vom 11. Oktober 2011, 2008/05/0156) und seine Begründung zur Deutung, nicht aber auch zur Ergänzung des Spruchs heranzuziehen ist. Dies gilt jedoch in erster Linie für den Fall der Auslegung von Bescheiden, die nicht mehr aufgehoben oder abgeändert werden können, setzt dies doch gedanklich voraus, dass eine Unklarheit oder Mehrdeutigkeit eines Bescheides vorliegt, die aus der Sicht einer diesen Bescheid beurteilenden Behörde (oder eines Gerichtes) nicht im klarstellenden Sinne abgeändert, sondern nur mehr ausgelegt werden kann.

Im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geht es hingegen - insoweit nicht anders als im Rechtsmittelverfahren vor der belangten Behörde - nicht in erster Linie darum, ob ein zumindest mehrdeutig formulierter Bescheid von Dritten (Parteien und Behörden) allenfalls gesetzeskonform ausgelegt werden kann. Es obliegt dem Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner Kognition vielmehr, einen bei ihm angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes in jeder Hinsicht auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wozu auch gehört, ob der Spruch des Bescheides in einer dem § 59 AVG entsprechenden Weise deutlich abgefasst ist. Entspricht ein Bescheid nicht dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit des § 59 Abs 1 AVG, so ist er - ungeachtet der Frage, wie er sonst auszulegen wäre - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. (Diese Überlegung kommt im Übrigen auch für andere Fälle der gerichtlichen Kontrolle von mehrdeutigen Rechtsakten zum Tragen.)

Die Anforderungen an das Maß an Bestimmtheit eines Bescheides hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Für den Spruch von Leistungsbescheiden und von Duldungsbescheiden wird - ua vor dem Hintergrund des Erfordernisses ihrer Vollstreckbarkeit - in besonderem Maß Bestimmtheit (und nicht bloß Bestimmbarkeit) gefordert (vgl nochmals VwSlg 16.383 A/2004).

Gleiches gilt für den Beschränkungsvermerk iSd § 21 Abs 4 WaffG, ist doch danach die Befugnis zum Führen einer Waffe durch einen dem Gesetz entsprechenden Vermerk im Waffenpass zu beschränken.

Der an den Spruch des angefochtenen Bescheides und vor diesem Hintergrund anzulegende Maßstab hat jedenfalls sicherzustellen, dass über den Inhalt des Beschränkungsvermerks kein Zweifel bestehen kann. Der bekämpfte Bescheid wirft aber solche Zweifel auf, lässt er doch auf Grund der Formulierung seines Spruches - wie dargestellt - zumindest zwei Auslegungen zu, nämlich eine gesetzeskonforme - die im Ergebnis auf die Dauer der Beschäftigung als Taxilenker gerichtet ist -, und eine gesetzwidrige, die sich an der konkreten Ausübung einer Taxilenkertätigkeit orientiert.

Der angefochtene Bescheid entspricht daher unter diesen Umständen nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 59 Abs 1 AVG. Er erweist sich insofern als rechtswidrig, als die belangte Behörde den Beschränkungsvermerk nicht derart gefasst hat, dass er - wie ohnehin von der Behörde in der Bescheidbegründung zum Ausdruck gebracht - für die Dauer der Beschäftigung als Taxilenker zum Tragen kommt.

5. Da dieser Beschränkungsvermerk nicht vom verbleibenden Abspruch der belangten Behörde - mit der sie den Erstbescheid bestätigte - getrennt werden kann und der Abspruch der belangten Behörde insoweit nicht teilbar ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 28. November 2013

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