VwGH 2012/16/0210

VwGH2012/16/021024.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Mag. B in W, vertreten durch die Schwartz Huber-Medek & Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 20. März 2012, GZ. RV/2945-W/11, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Erbschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §303;
MRK;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist Folgendes zu entnehmen:

Der am 1. Oktober 1993 verstorbene G.R. hatte dem Beschwerdeführer in einer letztwilligen Verfügung verschiedene Legate vermacht, welche der Beschwerdeführer angenommen hat. Die dafür angefallene Erbschaftsteuer setzte die (damalige) Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 13. März 1997 im Instanzenzug fest, wobei sie der Bemessung der Erbschaftsteuer die Steuerklasse V zugrunde legte.

Mit Schriftsatz vom 27. August 2003 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme dieses Verfahrens mit der Begründung, zwischen ihm und dem Erblasser habe 23 Jahre lang eine Lebensgemeinschaft bestanden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe mit Urteil vom 24. Juli 2003 ausgesprochen, dass die ungleiche Behandlung sexueller Neigungen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Widerspruch stehe und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze. Daher beantrage der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens über die Festsetzung der Erbschaftsteuer und die Abänderung des Erbschaftsteuerbescheides unter Zugrundelegung der Steuerklasse I (welche etwa für den Erwerb vom Ehegatten anzuwenden ist).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag im Instanzenzug ab, weil das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Urteil des EGMR weder eine neu hervorgekommene Tatsache noch ein neu hervorgekommenes Beweismittel darstelle und weil mit diesem Urteil auch nicht über eine Vorfrage entschieden worden sei, von der der erwähnte Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 13. März 1997 abhängig gewesen wäre.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 21. September 2012, B 487/12-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der Frage, ob die belangte Behörde zu Recht davon habe ausgehen dürfen, dass ein Wiederaufnahmegrund nicht vorliege, nicht anzustellen, zumal offensichtlich weder die EMRK noch das Unionsrecht eine solche Wiederaufnahme gebieten.

In dem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 erachtet sich der Beschwerdeführer im Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 303 Abs. 1 BAO lautet:

"§ 303. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

  1. a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, .....
  2. b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

    c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

    und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

    Der Beschwerdeführer trägt vor, er sei sich der einschlägigen Rechtsprechung ebenso wie des Umstandes bewusst, dass Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden, die nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ergingen, an sich keinen Wiederaufnahmegrund bildeten. Diese Rechtsprechung beziehe sich freilich nur auf Urteile oder Bescheide von österreichischen Behörden. Zu Entscheidungen internationaler oder supranationaler Behörden fehle es an einer einschlägigen Rechtsprechung. Angesichts des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel könne seiner Ansicht nach auch ein Urteil des EGMR einen Umstand darstellen, der in der Behörde die Vorstellung hervorrufe, dass ein bestimmter Sachverhalt wahr sei und also ein Beweismittel in einem österreichischen Verwaltungsverfahren sein.

    Dabei übersieht der Beschwerdeführer zum einen, dass die von ihm vermisste Rechtsprechung bereits besteht. So hat etwa der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. September 2009, 2008/16/0148, auf dessen Gründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass ein Urteil des EuGH zur Auslegung von Unionsrecht in einem Vorabentscheidungsverfahren allenfalls eine neue rechtliche Erkenntnis verschafft, die zu einer anderen rechtlichen Würdigung eines verwirklichten Sachverhalts führt, aber den Sachverhalt unberührt lässt. Auch stellt ein Urteil des EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren keinen Wiederaufnahmegrund der entschiedenen Vorfrage dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Ansicht seither in einer Vielzahl von Erkenntnissen bekräftigt (vgl. jüngst das hg. Erkenntnis vom 27. September 2012, 2009/16/0067).

    Diese rechtliche Beurteilung trifft auch für ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu.

    Eine über die Bestimmungen der BAO hinausgehende Wiederaufnahme auf Grund eines Urteiles des EGMR gebieten weder die EMRK noch das Unionsrecht (vgl. auch den erwähnten Ablehnungsbeschluss des VfGH vom 21. September 2012).

    Soweit der Beschwerdeführer schließlich in dem in Rede stehenden Urteil des EGMR ein neu hervorgekommenes Beweismittel sieht, das "in der Behörde die Vorstellung hervorruft, dass ein bestimmter Sachverhalt wahr ist," ist ihm entgegenzuhalten, dass die in Streit stehende Qualifikation des persönlichen Verhältnisses des Beschwerdeführers (Erwerbers) zum Erblasser nach § 7 ErbStG durch Einreihung unter eine bestimmte Steuerklasse eine Rechtsfrage darstellt und dass das in Rede stehende Urteil des EGMR sohin allenfalls zu einer Änderung der rechtlichen Würdigung eines Sachverhaltes führen könnte. Als Beweismittel, ob ein bestimmter (im Beschwerdefall offenbar unstrittiger) Sachverhalt verwirklicht worden ist, dient ein solches Urteil nicht.

    Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 24. Jänner 2013

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