VwGH 2012/03/0045

VwGH2012/03/004528.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der Gemeinde A, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 7. April 2010, Zl BMVIT- 820.301/0003-IV/SCH2/2010, betreffend Umweltverträglichkeitsprüfung und teilkonzentriertes Genehmigungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Ö AG in W), zu Recht erkannt:

Normen

SchIV 1993;
UVPG 2000 §24f;
VwGG §42 Abs2 Z1;
SchIV 1993;
UVPG 2000 §24f;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Mitbeteiligten - zusammengefasst - die Genehmigung nach dem UVP-G 2000 zur Verwirklichung des Vorhabens "ÖBB-Strecke Wien Matzleinsdorf (Meidling) - Wiener Neustadt, Zweigleisiger Ausbau der Pottendorfer Linie im Abschnitt Hennersdorf - Münchendorf; km 7,6 bis km 20,8 sowie der ÖBB-Strecke Wien Zvbf. - Felixdorf; Trassenverschwenkung Aspangbahn; km 14,4 bis km 16,2" nach Maßgabe der Projektunterlagen und des Umweltverträglichkeitsgutachtens unter näher genannten Bedingungen erteilt.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der durch die Ausführung und Inbetriebnahme des Vorhabens entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer sei als die Nachteile, die den Parteien dadurch entstehen sowie dass der durch die Ausführung und Inbetriebnahme des Vorhabens entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer sei als die dadurch den Parteien entstehenden Nachteile bzw die Nachteile, die aus der Verletzung von durch Gebietskörperschaften wahrzunehmenden Interessen der Öffentlichkeit entstünden.

Das öffentliche Interesse an der Errichtung des gegenständlichen Bauvorhabens überwiege auch das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Waldes auf den in den Einreichunterlagen angeführten (zu rodenden) Waldflächen.

Alle gegen das Vorhaben erhobene Einwendungen, entgegenstehende Anträge und sonstige Vorbringen wies die belangte Behörde, soweit es sich nicht um zivilrechtliche Einwendungen handle oder den Einwendungen durch die Aufnahme von entsprechenden Nebenbestimmungen oder durch bereits im Bauentwurf selbst vorgesehene Maßnahmen entsprochen werde, als unbegründet ab. Zivilrechtliche Ansprüche wies sie zurück und verwies sie auf den Zivilrechtsweg; nicht verfahrensgegenständliche Einwendungen wurden zurückgewiesen.

Unter Spruchpunkt II nahm die belangte Behörde eine (zusammenfassende) Beschreibung des Vorhabens vor. Danach sei Gegenstand des Vorhabens der zweigleisige Ausbau der HL-Strecke Wien Matzleinsdorf (Meidling) - Wiener Neustadt (Pottendorfer Linie) im Abschnitt Hennersdorf - Münchendorf (km 7,6 bis km 20,8), die Trassenverschwenkung der ÖBB-Strecke Wien Zvbf. - Felixdorf (Aspangbahn) bei km 14,4 bis km 16,2 sowie die Verbesserung der Bahn-Infrastruktur.

Von der Genehmigung seien - im Einzelnen beschriebene - Eisenbahnanlagen und weitere Begleitmaßnahmen erfasst.

In der Begründung legte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verfahrensgangs dar, dass Ziel des Vorhabens einerseits die Schaffung einer zweiten leistungsfähigen Bahnstrecke im Südraum von Wien sei, die primär als Ausweich- und Ergänzungsstrecke für die Südbahn dienen und diese entlasten solle; andererseits solle das Nahverkehrsangebot verbessert und dadurch der Anteil des öffentlichen Verkehrs erhöht werden. Die Zulegung des weiteren Gleises erfolge grundsätzlich in bestandsnaher Niveaulage. In den Bereichen südlich des Bahnhofs H und des Bahnhofs A erfolge jeweils eine "Linienverbesserung". Im Bereich H werde die Trasse einschließlich des Bahnhofs in Hochlage errichtet. Die Bahnhöfe A und M würden jeweils zu Überholbahnhöfen mit je vier Gleisen ausgebaut. Bestehende Eisenbahnkreuzungen würden aufgelassen und durch Unterführungen ersetzt. Das Kreuzungsbauwerk der Aspangbahn werde in neuer Lage errichtet. Weiters erfolge die Änderung bzw der Neubau von Kunst- und Hochbauten, Begleitwegen und Streckenausrüstung. Im Projekt seien umfangreiche Lärm- und Erschütterungsschutzmaßnahmen sowie landschaftspflegerische Begleitmaßnahmen enthalten.

Das Umweltverträglichkeitsgutachten sei auf Basis der Umweltverträglichkeitserklärung einschließlich der im Gutachten angeführten Unterlagen erstellt worden.

Die Gutachter seien zu folgendem Ergebnis gekommen:

"Alternativen, Trassenvarianten, Nullvariante:

Die von der Projektwerberin vorgelegte Darlegung zu Alternativen bzw. Trassenvarianten einschließlich Nullvariante entspricht den Erfordernissen der Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne des UVP-G 2000.

Die Ergebnisse der UMWELTVERTRÄGLICHKEITSERKLÄRUNG zur Trassenauswahl werden von den Sachverständigen bestätigt.

Auswirkungen, Maßnahmen, Kontrolle:

Bei Einhaltung der in der UMWELTVERTRÄGLICHKEITSERKLÄRUNG angeführten und der von den Sachverständigen zusätzlich für zwingend erforderlich erachteten Maßnahmen und Kontrollen ist im Sinne einer integrativen Gesamtschau die Umweltverträglichkeit des eingereichten Vorhabens gegeben.

Auswirkungen auf die Entwicklung des Raumes:

Unter Berücksichtigung der in der UMWELTVERTRÄGLICHKEITSERKLÄRUNG angeführten und der von den Sachverständigen zusätzlich als zwingend erforderlich erachteten Maßnahmen sind keine wesentlichen nachteiligen Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Entwicklung des Raumes zu erwarten.

Fachliche Auseinandersetzung mit Stellungnahmen:

Bei der Behandlung der Stellungnahmen - sofern diese projektrelevant sind - haben sich bezüglich der Einschätzung der Umweltverträglichkeit keine maßgeblichen Änderungen ergeben.

Bei Einhaltung der in der UMWELTVERTRÄGLICHKEITSERKLÄRUNG angeführten und der von den Sachverständigen zusätzlich für zwingend erforderlich erachteten Maßnahmen und Kontrollen ist im Sinne einer integrativen Gesamtschau die Umweltverträglichkeit des eingereichten Vorhabens gegeben.

Gesamtschlussfolgerung

Das vorliegende Umweltverträglichkeitsgutachten wurde auf Basis der UMWELTVERTRÄGLICHKEITSERKLÄRUNG einschließlich der in Kap. 7.5 angeführten Unterlagen sowie der eingebrachten Stellungnahmen zur UMWELTVERTRÄGLICHKEITSERKLÄRUNG gemäß § 9 UVP-G erstellt. Unter der Voraussetzung, dass die in der UMWELTVERTRÄGLICHKEITSERKLÄRUNG enthaltenen und die von den unterfertigten Sachverständigen dargelegten, zur Erreichung der Schutzziele zusätzlich als zwingend erforderlich erachteten Maßnahmen berücksichtigt werden, ist im Sinne einer umfassenden und integrativen Gesamtschau die Umweltverträglichkeit des gegenständlichen Vorhabens gegeben."

Unter der Überschrift "Sachverhalt" wird im angefochtenen Bescheid (nur) Folgendes dargelegt:

"Die Projektsunterlagen (Umweltverträglichkeitserklärung samt technischen Grundlagen, Bauentwurf, Planunterlagen für das Trassengenehmigungsverfahren, Gutachten gemäß § 31a EisbG) stellen die Beurteilungsgrundlage für die Erstellung des Umweltverträglichkeitsgutachtens dar und werden die sich aus dem Umweltverträglichkeitsgutachten ergehenden Beschreibungen des Projektes und der Umwelt als maßgebender, entscheidungsrelevanter Sachverhalt der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Somit kann als entscheidungsrelevanter Sachverhalt hinsichtlich der Umweltverträglichkeit des Vorhabens auf die Beschreibungen des Umweltverträglichkeitsgutachtens insbesondere in den Kapiteln 2 'DAS VORHABEN', S 85-86 und 'ALLGEMEIN VERSTÄNDLICHE ZUSAMMENFASSUNG' S 926-960 verwiesen werden."

Daran schließt sich im angefochtenen Bescheid folgender Passus:

"B. Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung gründet sich auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auf das Einreichprojekt (UMWELTVERTRÄGLICHKEITSERKLÄRUNG samt technischen Beilagen, Planunterlagen für den Trassenverlauf, Bauentwurf) das Gutachten gemäß § 31a EisbG, auf das im UVP-Verfahren erstellte Umweltverträglichkeitsgutachten, auf die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 08. und 09.10.2009 sowie auf die Stellungnahmen und Erklärungen der Parteien, Beteiligten und sonst beizuziehenden Stellen.

Das von der Projektwerberin vorgelegte Gutachten gem. § 31a EisbG vom April 2009 sowie das im Zuge des Verfahrens eingeholte Umweltverträglichkeitsgutachten vom August 2009 sind vollständig, schlüssig und nachvollziehbar."

Nach einer Darstellung der rechtlichen Grundlagen (UVP-G 2000, HlG, EisbG, WRG, MinroG, ForstG) führte die belangte Behörde aus, dass die Genehmigungsvoraussetzungen des § 24f Abs 1 bis 5 UVP-G 2000 erfüllt seien:

Die in § 24f Abs 1 bis 5 UVP-G 2000 normierten, in Verfahren nach dem dritten Abschnitt des UVP-G 2000 anzuwendenden zusätzlichen Genehmigungskriterien würden sowohl für teilkonzentrierte Genehmigungsverfahren gemäß § 24 Abs 1 und Abs 3 UVP-G 2000 als auch für alle übrigen nach den Verwaltungsvorschriften durchzuführenden Genehmigungsverfahren gemäß § 24 Abs 4 UVP-G 2000 gelten. Die Prüfung, ob das Vorhaben den zusätzlichen Genehmigungsvoraussetzungen nach § 24f Abs 1 und 2 UVP-G 2000 entspreche, sei jeweils zusammen mit der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen der einzelnen materiellen Genehmigungsbestimmungen erfolgt. Überdies sei die Einhaltung dieser Genehmigungsvoraussetzungen aus fachlicher Sicht jeweils durch die Sachverständigen im Umweltverträglichkeitsgutachten überprüft worden. Demnach würden Immissionen von Schadstoffen nach dem Stand der Technik begrenzt und werde die Immissionsbelastung zu schützender Güter möglichst gering gehalten. Diesbezüglich sei auf die Auseinandersetzung mit den hierauf gerichteten Stellungnahmen zu verweisen. Im Verfahren seien keine Umstände hervorgekommen, die bei konsensgemäßer Durchführung zu einer Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen durch Immissionen führen würden. Auch eine Gefährdung von Eigentum oder sonstigen dinglichen Rechten der Nachbarn durch Immissionen sei beim gegenständlichen Vorhaben nicht gegeben. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass keine wesentliche zusätzliche Umweltbeeinträchtigung aus Bau und Betrieb der HL-Strecke unter Berücksichtigung der Art der Nutzung des benachbarten Geländes zu erwarten sei. Durch die vorgesehenen Maßnahmen würden jedenfalls unzumutbare Belästigungen der Nachbarn durch Immissionen im Sinn des § 77 Abs 2 der Gewerbeordnung 1994 hintangehalten. Hinsichtlich des Schienenlärms würden die Vorgaben der Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordnung (SchIV) eingehalten. Das Ermittlungsverfahren habe sohin ergeben, dass bei konsensgemäßer Durchführung und Einhaltung der Nebenbestimmungen die zusätzlichen Genehmigungsvoraussetzungen nach dem UVP-G 2000 erfüllt würden.

Bei Darlegung der Genehmigungsvoraussetzungen nach dem EisbG fasste die belangte Behörde die vom Sachverständigen für Eisenbahnwesen im Umweltverträglichkeitsgutachten beschriebenen Gründe für das Vorliegen des öffentlichen Interesses wie folgt zusammen:

"o Die Hochleistungsstrecke Wien-Meidling - Inzersdorf - Wampersdorf - Wiener Neustadt ist als interoperable HGV Strecke eingestuft.

o Durch das Zulegen eines zweiten Gleises wird die

Leistungsfähigkeit der Strecke mehr als verdoppelt.

o Durch die Baumaßnahme wird eine Verdichtung des

öffentlichen Personennahverkehrs im dicht besiedelten Raum der

Südbahn ermöglicht.

o Durch die Anordnung von Richtungsüberholungsgleisen

in den Bahnhöfen A und M ist die Einfahrt in das Überholungsgleis

unabhängig vom Gegenverkehr. Das Streckengleis kann dadurch für

einen nachfahrenden Zug ohne Behinderung geräumt werden.

o Durch zwei Linienverbesserungen wird die zulässige

Streckengeschwindigkeit erhöht und zwar von km 7,6 bis km 14,4 auf

V = 160 km/h und von km 14,4 bis km 20,7 auf V = 200 km/h, so dass

gegenüber dem Bestand Fahrzeitgewinne erzielt werden können.

o Im Hinblick auf die Linienführung der Strecke ist

auf die Trassierungsparameter des Semmering-Basistunnel Neu Bezug

genommen, so dass ein einheitliches Geschwindigkeitsprofil über

die Pottendorfer Linie und dem Semmering ermöglicht wird.

o Durch den zweigleisigen Ausbau wird eine Verlagerung

von Reisezügen, die zwischen Wien-Meidling und Wiener Neustadt nicht halten, von der Südbahn auf die Pottendorfer Linie möglich; ebenso die Verlagerung von Güterzügen.

o Durch den Ausbau der Pottendorfer Linie steht dem Betrieb eine viergleisige Strecke zwischen Wien-Meidling und Wiener Neustadt zur Verfügung. Im Anlassfall (z.B. bei Bauarbeiten) können Züge von der einen auf die jeweils andere Strecke umgeleitet werden.

o Güterzüge vom Zentralverschiebebahnhof Wien-

Kledering können über die Ostschleife Inzersdorf und die Pottendorfer Linie direkt nach Süden geführt werden. Sie entlasten damit die Strecke nach Bruck/Leitha und die eingleisige Strecke Gramatneusiedl - Wampersdorf.

o Auf Grund des Einsatzes moderner Signal- und

Sicherungstechnik wird in den Bahnhöfen H, A und M kein Personal mehr benötigt. Die Sicherheit der Reisenden ist durch die höhenfreien Zugänge zu den Bahnsteigen gewährleistet. Die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung wird wesentlich verbessert. Die Verlängerung der Betriebszeit (z.B. auf 24 Stunden pro Tag) bedingt keine überproportionalen Mehrkosten.

o Wesentliche Verbesserungen im Komfort werden durch

barrierefreie Zugänge, Witterungsschutz, neue Informationssysteme

auf den Bahnsteigen und den Zugängen erreicht.

Abstellmöglichkeiten für PKW sowie Bike & Ride Plätze werden

errichtet.

o Durch die Beseitigung der höhengleichen Kreuzungen

der Eisenbahn mit dem Wege- und Straßennetz ist die Sicherheit für

beide Verkehrsteilnehmer erheblich erhöht. Staus und Wartezeiten

entfallen.

o Die für die Erhaltung der Strecke errichteten

Begleitwege stehen auch Fußgängern und Radfahrern zur Verfügung."

Das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens überwiege daher gegenteilige (öffentliche und private) Interessen.

Hinsichtlich der aufgenommenen Nebenbestimmungen legte die belangte Behörde einleitend dar, dass das Umweltverträglichkeitsgutachten und die Verhandlungsschrift "integrative Bestandteile" des Bescheids seien, allfällige dort enthaltene Erläuterungen und Begründungen seien daher insbesondere bei der Auslegung des Bescheidspruchs heranzuziehen.

Dem Umweltverträglichkeitsgutachten sei eindeutig zu entnehmen, dass "das Bauvorhaben bei Einhaltung der zur Erreichung der Schutzziele zusätzlich als zwingend erforderlich erachteten Maßnahmen auch den zusätzlichen Genehmigungsvoraussetzungen nach dem UVP-G 2000 entspricht".

Zwingende Maßnahmen würden aus Sicht der Sachverständigen als Voraussetzung für die Bestätigung der Umweltverträglichkeit gefordert. Diese würden von den Sachverständigen im Sinne des § 24c Abs 5 Z 1 UVP-G 2000 vorgeschlagen. Danach seien die zur Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens vorgelegte Umweltverträglichkeitserklärung und andere relevante vom Projektwerber vorgelegte Unterlagen nach dem Stand der Technik und dem Stand der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften in einer umfassenden und integrativen Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Genehmigungskriterien des § 24f UVP-G 2000 aus fachlicher Sicht zu bewerten und allenfalls zu ergänzen.

Empfohlene Maßnahmen seien jene, deren Umsetzung aus der Sicht der Sachverständigen sinnvoll wäre und zu einer Verbesserung der Umwelt- und Vorhabenssituation über das unbedingt erforderliche Ausmaß hinaus führen würde. Rechtsgrundlage für diese Maßnahmen sei § 24c Abs 5 Z 3 UVP-G 2000. Danach hätten die Sachverständigen im Umweltverträglichkeitsgutachten Vorschläge für Maßnahmen gemäß § 1 Abs 1 Z 2 UVP-G 2000 zu machen, also Maßnahmen zu prüfen, durch die schädliche, belästigende oder belastende Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt verhindert oder verringert oder günstige Auswirkungen des Vorhabens vergrößert würden.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 2. und 3. November 2009 habe die Mitbeteiligte in ihrer Schlussstellungnahme erklärt, die von den Sachverständigen im Rahmen des UVP-Gutachtens erstatteten, zwingenden Auflagenvorschläge - mit Ausnahme im Einzelnen angeführter Punkte -

zu akzeptieren und zum Projektinhalt zu erheben. Bei jenen, von den Sachverständigen als zwingend beurteilten Maßnahmen, die aber seitens der Mitbeteiligten nicht übernommen worden seien, handle es sich (unter anderem) um Folgende:

"Nummer 150, da durch die SchIV nicht gefordert und somit ohne Rechtsgrundlage; Nummer 156, da durch die SchIV nicht gefordert und somit ohne Rechtsgrundlage."

Diesbezüglich sei Folgendes festzuhalten:

Die Auflagenvorschläge Nummer 150 und 156 seien, weil die Begrenzung von Spitzenpegeln des Schienenlärms in der SchIV nicht vorgesehen sei, mangels Rechtsgrundlage nicht in den Bescheid übernommen worden; sie seien jedoch als empfohlene Maßnahmen anzusehen.

Unter der Überschrift "Auseinandersetzung mit Einwendungen und Stellungnahmen" legte die belangte Behörde einleitend dar, dass gemäß § 23c Abs 5 Z 2 UVP-G 2000 das Umweltverträglichkeitsgutachten sich mit den vorgelegten Stellungnahmen fachlich auseinanderzusetzen habe, wobei zum gleichen Themenbereich eingelangte Stellungnahmen zusammen behandelt werden könnten.

Im Beschwerdefall sei die Auseinandersetzung mit den im Rahmen der öffentlichen Auflage eingelangten Stellungnahmen im Umweltverträglichkeitsgutachten auf den Seiten 705 bis 892 (Fragebereich 4) erfolgt. Hinsichtlich der im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgebrachten Stellungnahmen und Einwendungen sei auf die dementsprechenden Ausführungen der Sachverständigen zu verweisen, die in der Verhandlungsschrift festgehalten seien.

Bei der Auseinandersetzung mit diesen Stellungnahmen würden "jeweils die von den Sachverständigen als zwingend angesehenen Maßnahmen als gegeben vorausgesetzt". Auf Forderungen, die von den Sachverständigen geteilt worden seien oder deren Umsetzung von der Projektwerberin selbst zugesichert worden sei, müsse nicht weiter eingegangen werden. Auf verbleibende "Restbelastungen" werde im Anschluss an die Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen und den Sachverständigengutachten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eingegangen werden.

Unter der Überschrift "Immissionen" führte die belangte

Behörde Folgendes aus:

"Immissionen

Emissionen von Schadstoffen sind gemäß § 24f Abs 1 Z 1. nach dem Stand der Technik zu begrenzen. Dies bedeutet, dass dort, wo die Projektwerberin keinen Einfluss auf den Fuhrpark der BenutzerInnen des jeweiligen Vorhabens hat, dass die baulichen Anlagen so gestaltet sein müssen, dass Emissionen aus der Anlage selbst und in der Bauphase (Staub, Abgase) nach dem Stand der Technik zu beschränken sind.

Die Immissionsbelastung zu schützender Güter ist möglichst gering zu halten (§ 24f Abs 1 Z 2 UVP-G 2000). Bei Eisenbahnvorhaben ist die Zumutbarkeit einer Belästigung nach den bestehenden, besonderen Immissionsschutzvorschriften zu beurteilen. Für die Begrenzung der Schallimmissionen auf Grund des Schienenverkehrs ist für den Neubau und den wesentlichen Umbau von Strecken(teilen) die Schienenverkehrs-Immissionsschutzverordnung (SchIV) anzuwenden. Diese Verordnung enthält einen aus Sicht des Nachbarschutzes tragfähigen Kompromiss zwischen dem Schutz der Nachbarn vor Belästigungen durch Bahnlärm und den Interessen der Öffentlichkeit an der Verwirklichung des Bahnvorhabens. Diese Verordnung wurde vom (damaligen) Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr auf Grund eingehender medizinischer und lärmtechnischer Studien erlassen. Deren Anwendung ist daher für den Bereich des Lärmschutzes vor dem Schienenlärm an Eisenbahnstrecken auch im Verfahren gemäß UVP-G 2000 geboten."

Im Folgenden werden im angefochtenen Bescheid einzelne Stellungnahmen bzw Einwendungen behandelt (Seiten 53 bis 104 des Bescheids).

Der Inhalt dieser Stellungnahmen wird im angefochtenen Bescheid zwar nicht unmittelbar wiedergegeben, vielmehr erfolgt (auch) diesbezüglich ein Verweis auf die entsprechenden Passagen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgutachtens (Fragenbereich 4 - Fachliche Auseinandersetzung mit Stellungnahmen im Hinblick auf § 24c Abs 5 Z 2 UVP-G - Seiten 705 bis 886).

Zu dem seitens der Beschwerdeführerin wie auch von zahlreichen weiteren Parteien des Verwaltungsverfahrens erhobenen Einwand, die Einhaltung der Grenzwerte der SchIV sei unzureichend, um das Erfordernis der Vermeidung gesundheitsschädlicher Auswirkungen des Vorhabens zu erfüllen (schon die Grenzwerte für den energieäquivalenten Dauerpegel seien - ausgehend von aktuellen Studien, etwa der WHO - überhöht; zudem sei in der SchIV eine Begrenzung von bzw ein Schutz vor Schallspitzenpegeln gar nicht vorgesehen), führte die belangte Behörde (zusammengefasst) aus, es sei von der Umweltverträglichkeit und Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens (schon dann) auszugehen, wenn im Hinblick auf den Schienenlärm die in der SchIV festgesetzten Grenzwerte eingehalten würden, zumal eine Berücksichtigung von Spitzenpegeln in der SchIV nicht vorgesehen sei. Daher erübrige sich die geforderte zusätzliche humanmedizinische Beurteilung des Spitzenpegels bei Schienenlärm, woran "zusätzliche Stellungnahmen und Forderungen des lärmtechnischen und medizinischen Sachverständigen" nichts ändern könnten.

Die entsprechenden Ausführungen zur Stellungnahme der Beschwerdeführerin lauten wie folgt (Seiten 61 bis 64 des Bescheids):

"Auf die fachliche Beantwortung der Fragen durch die Sachverständigen im UVP-Gutachten wird hingewiesen. (Punkte 13.01 bis 13.09 auf den Seiten 747 bis 758 des Gutachtens).

...

Somit sind die im Projekt festgelegten Grenzwerte für den Schienenlärm vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen jedenfalls einzuhalten. Bei allfälligen Überschreitungen der festgelegten Immissionsgrenzwerte durch den Schienenverkehr hat das Eisenbahninfrastrukturunternehmen entsprechende Maßnahmen gemäß § 19 Abs 1 und 2 EisbG von sich aus zu treffen.

Dass aufgrund des derzeitigen Betriebsprogramms zur Zeit kein Bahnlärm in der Nacht emittiert wird, ist rechtlich unbeachtlich. Aufgrund der derzeitigen Genehmigungslage wäre es der Projektwerberin möglich, auf der Bestandsstrecke in den Grenzen des § 19 Abs 2 EisbG, einen kapazitätsmäßig maximal möglichen Eisenbahnverkehr, einschließlich verstärktem Nachtverkehr, durchzuführen.

Die Nightnoise Guidelines der WHO haben lediglich empfehlenden Charakter (E des VfGH vom 13.12.2007, Zl. V87/06), hinsichtlich des Schienenlärms sind nur die Grenzwerte der SchIV beachtlich.

Hinsichtlich der seitens der Gemeinde A angesprochenen Spitzenpegel (Punkt 13.03 und des Gutachtens) ist auszuführen, dass es sich bei der der SchIV um eine 'besondere Immissionsschutzvorschrift' für Eisenbahntrassen im Sinne des § 24f Abs 2 UVP-G 2000 handelt (vgl. obzitierte E des VfGH vom 13.12.2007, Zl. V87/06). Die Behörde gem § 24 Abs 1 UVP-G 2000 hat sich demgemäß bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmbelästigungen von Nachbarn durch den Schienenlärm gemäß §24f Abs1 Z 2 lit c UVP-G 2000 an den Grenzwerten der SchIV zu orientieren.

Die Grenzwerte der SchIV stellen sohin den im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit eines Projektes jedenfalls einzuhaltenden Mindeststandard dar. Eine Berücksichtigung bzw. Schutz von Spitzenpegeln ist in der SchIV nicht vorgesehen. Soferne im Hinblick auf den Schienenlärm die in der SchIV festgesetzten Grenzwerte eingehalten werden, ist somit diesbezüglich von der Umweltverträglichkeit und Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens auszugehen. Daher ist auch die seitens der Gemeinde A geforderte zusätzliche humanmedizinische Beurteilung des Spitzenpegels beim Schienenlärm im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht erforderlich. Entsprechende zusätzliche Stellungnahmen und Forderungen des lärmtechnischen und medizinischen Sachverständigen vermögen an der hinsichtlich des Schienenlärms schon alleine aufgrund der Einhaltung der durch die Rechtsordnung konkret festgelegten Grenzwerte für Schienenlärmimmissionen und der diesbezüglich daher vorliegenden Umweltverträglichkeit nichts zu ändern. Die seitens der Sachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen sind daher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 UVP-G 2000 als empfohlene Maßnahmen anzusehen. Deren Umsetzung wäre sinnvoll und würde zu einer Verbesserung der Umwelt- und Vorhabenssituation über das unbedingt erforderliche Ausmaß hinaus führen.

Es ist daher nochmals darauf hinzuweisen, dass gemäß § 24f Abs 1 Z2 lit c iVm § 24 Abs 2 letzter Satz hinsichtlich des Schienenlärms bei Einhaltung der in der SchIV festgelegten Grenzwerte von keiner unzumutbaren Belästigung der Nachbarn und schon gar nicht von der Gefährdung von Leben und Gesundheit von Menschen ausgegangen werden kann und somit diesbezüglich von der Umweltverträglichkeit des Vorhabens auszugehen ist. Die Anwendung der Kriterien der SchIV widerspricht nach dem obzitierten E des VfGH vom 13.12.2007, Zl. V87/06 auch nicht der UVP-Richtlinie. Die SchIV zielt auf den Schutz von öffentlichem und privatem Gut und insbesondere des Lebens und der Gesundheit von Personen. Ihre Grenzwerte orientieren sich keineswegs allein daran, Lärmschutzmaßnahmen in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten, sondern stellen eine ausreichende Grundlage für die von der UVP-Richtlinie geforderte Beschreibung und Bewertung unmittelbarer und mittelbarer lärmbedingter Auswirkungen eines Eisenbahnvorhabens auf den Menschen dar.

Da durch das Projekt die Immissionsgrenzwerte für den Schienenlärm gemäß der Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordnung jedenfalls eingehalten werden, und das Vorhaben damit jedenfalls aus der Sicht des Schienenlärms als umweltverträglich anzusehen ist, kann eine Berücksichtigung der Spitzenpegel und die verlangte Vorschreibung der zwingenden Maßnahmen in der gegenständlichen Genehmigung, mangels Rechtsgrundlage nicht erfolgen.

Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass keine gesundheitsgefährdenden Lärm- und Erschütterungsimmissionen auftreten werden. Durch die Verlegung der B 11 mit Unterführung wird aufgrund der zusätzlich vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen (schallabsorbierende Auskleidung der Unterführung und der östlichen Rampe sowie Einsatz von Lärmschutzwänden an den äußeren Rampen-Brüstungen) eine negative Auswirkung auf den Straßenlärm von der B 11 im Freien weitgehend vermieden. Für Wohnobjekte an der Bahngasse ist der Einbau von Objektschutzmaßnahmen ab dem

1. OG. vorgesehen. Somit ist von keiner unzumutbaren Belästigung durch den Straßenlärm auszugehen.

...

Das Vorhaben in der eingereichten Form ist nach Aussage des Umweltverträglichkeitsgutachtens jedenfalls umweltverträglich.

Zu den Lärmschutzgrenzwerten für den Schienenlärm ist nochmals auf die Aussagen oben zu verweisen. Die Grenzwerte der SchIV werden eingehalten. Die Berücksichtigung von Spitzenwerten ist der SchIV nicht zu entnehmen. Daher konnte der Maßnahmenvorschlag des humanmedizinischen Sachverständigen nicht in den Bescheid übernommen werden, er ist jedoch als empfohlene Maßnahme anzusehen. Die Nightnoise Guidelines der WHO haben lediglich empfehlenden Charakter.

Anzumerken ist hier, dass Auflagen, Bedingungen und Befristungen nicht von den Sachverständigen vorgeschrieben werden. Die Sachverständigen haben Auflagenvorschläge bzw. Maßnahmen im Zuge des Ermittlungsverfahrens zu formulieren. Die Feststellung des Erfordernisses und die Übernahme von Auflagenvorschlägen in den Bescheid obliegt alleine der Behörde.

Dem Umweltverträglichkeitsgutachten ist zu entnehmen, dass durch die Verlegung der B 11 mit Unterführung aufgrund der zusätzlich vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen (schallabsorbierende Auskleidung der Unterführung und der östlichen Rampe sowie Einsatz von Lärmschutzwänden an den äußeren Rampen-Brüstungen) eine negative Auswirkung auf den Straßenlärm von der B 11 im Freien weitgehend vermieden wird. Für Wohnobjekte an der Bahngasse ist der Einbau von Objektschutzmaßnahmen ab dem 1. OG. vorgesehen. Somit ist von keiner unzumutbaren Belästigung durch den Straßenlärm auszugehen."

Zusammenfassend führte die belangte Behörde aus, es sei bei Einhaltung der in der Umweltverträglichkeitserklärung angeführten und der im Umweltverträglichkeitsgutachten und der Verhandlungsschrift angeführten zwingenden Maßnahmen, die von der Mitbeteiligten zum Projektbestandteil erklärt wurden, jedenfalls von der Umweltverträglichkeit des Vorhabens auszugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

1. Die Beschwerde macht im Wesentlichen Folgendes geltend:

Im Verwaltungsverfahren sei von der Beschwerdeführerin als Standortgemeinde ebenso wie von weiteren Parteien eingewendet worden, dass in der seitens der Mitbeteiligten vorgelegten Umweltverträglichkeitserklärung Spitzenpegel zwar bei Darstellung der Messergebnisse zur Lärmbelastung im Bestand berücksichtigt worden seien, dass aber eine solche Betrachtung hinsichtlich der Prognose nicht vorgenommen worden sei. Die entsprechende Anregung sei von den Gutachtern für Lärmschutz und Humanmedizin aufgegriffen worden; diese hätten im UVP-Gutachten als zwingende Maßnahme vorgeschlagen, dass Objektschutzmaßnahmen an Fassaden von Objekten, an denen der Spitzenpegel des Schienenverkehrslärms den Wert von 70 dB überschreite, zu setzen seien und weiters in diesem Fall passive Schallschutzmaßnahmen zusätzlich zu den gemäß SchIV vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen nachzuweisen seien (Auflagenvorschläge Nummer 150 und 156).

Die Begründung der belangten Behörde für die Nichtberücksichtigung von Spitzenschallpegeln übersehe, dass deren Beurteilung gerade im Bahnbetrieb - im Hinblick auf die daraus resultierenden Aufwachreaktionen - geboten sei. Der humanmedizinische Sachverständige selbst hätte in der mündlichen Verhandlung vom 2. und 3. November 2009 ausgeführt, dass die Forderung nach einer Begrenzung des Spitzenpegels aus fachlicher Sicht unterstützt werde; er habe dies mit Hinweisen auf aktuelle Studien begründet.

Indem die belangte Behörde sich darauf zurückgezogen habe, dass die SchIV eine Berücksichtigung bzw Begrenzung des Spitzenpegels nicht vorsehe, verkenne sie den klaren Auftrag des UVP-G 2000 (§ 24f), wonach Emissionen nach dem Stand der Technik zu begrenzen seien und die Immissionsbelastung zu schützender Güter möglichst gering zu halten sei. Jedenfalls aber seien Immissionen zu vermeiden, die Leben oder Gesundheit von Menschen gefährden oder zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn iSd § 77 Abs 2 GewO 1994 führen würden. Die belangte Behörde könne sich zur Rechtfertigung ihrer Auffassung auch nicht auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Dezember 2007, V 87/06 (Koralm), stützen, habe der Verfassungsgerichtshof darin doch klar ausgesprochen, dass unbeschadet der Rechtmäßigkeit der Trassenverordnung im nachfolgenden eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sei, ob und welche lärmschutztechnische Maßnahmen geboten seien.

2. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

2.1. Zentrales Thema im Verwaltungsverfahren waren die Auswirkungen des gegenständlichen Vorhabens (ua zweigleisiger Ausbau einer Hochleistungsstrecke (wobei die "Entscheidung über die Auswahl der Projektvariante nicht aus lärmtechnischer Sicht, sondern aus anderen fachlichen Kriterien erfolgte", vgl UVP-Gutachten Seite 106), Anordnung von Überholgleisen, teilweise Erhöhung der Niveaulage; mit dadurch ermöglichten höheren Geschwindigkeiten, Verdichtung von Intervallen und Verstärkung des (Güter‑)Verkehrsaufkommens in der Nachtzeit) in Bezug auf die daraus resultierende Lärmbelastung für Anrainer des Vorhabens.

Die belangte Behörde hat, wie dargestellt, (unter Berufung auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Dezember 2007 (Koralm)) die Auffassung vertreten, die Einhaltung der Grenzwerte der SchIV reiche, um die Umweltverträglichkeit des Vorhabens (bezogen auf Lärmemissionen) bejahen zu können.

2.2. Damit hat sie aber die Rechtslage unrichtig beurteilt.

Gemäß § 24f Abs 1 UVP-G 2000 (idF der Novelle BGBl I Nr 87/2009) dürfen Genehmigungen (Abs 6) nur erteilt werden, wenn im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge zu den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften zusätzlich (ua) nachstehende Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Emissionen von Schadstoffen sind nach dem Stand der Technik zu begrenzen,

2. die Immissionsbelastung zu schützender Güter ist möglichst gering zu halten, wobei jedenfalls Immissionen zu vermeiden sind, die

a) das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn/Nachbarinnen gefährden oder

b) erhebliche Belastungen der Umwelt durch nachhaltige Einwirkungen verursachen, jedenfalls solche, die geeignet sind, den Boden, die Luft, den Pflanzen- oder Tierbestand oder den Zustand der Gewässer bleibend zu schädigen, oder

c) zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn/Nachbarinnen im Sinn des § 77 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 führen, ..."

Gemäß § 24f Abs 2 letzter Satz leg cit ist bei Eisenbahnvorhaben die Zumutbarkeit einer Belästigung im Sinn des Abs 1 Z 2 lit c nach bestehenden besonderen Immissionsschutzvorschriften zu beurteilen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof - nach inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs - im Erkenntnis vom 22. Oktober 2012, 2010/03/0014, ausgeführt hat (auf dessen Entscheidungsgründe wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen), handelt es sich bei den Grenzwerten der SchIV um Mindeststandards, deren Unterschreitung im Einzelfall geboten sein kann.

Der Hinweis der belangten Behörde, die Grenzwerte der SchIV würden eingehalten, macht daher eine Auseinandersetzung mit dem von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Thema des Einflusses von Schallpegelspitzen auf die menschliche Gesundheit und der Notwendigkeit ihrer Begrenzung nicht entbehrlich.

Zu verweisen ist im Übrigen auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 2. Oktober 2013, V 30/2013-16, V 31/2013-14, mit dem näher genannte Wortfolgen in § 2 Abs 1 sowie § 2 Abs 2 der SchIV aufgehoben wurden.

2.3. Im von der belangten Behörde zusammenfassend wiedergegebenen UVP-Gutachten wird mehrfach (vgl die - oben wiedergegebenen - Ausführungen auf den Seiten 20 und 21 des Bescheids) betont, dass nicht nur die bereits in der Umweltverträglichkeitserklärung und insoweit schon im Vorhaben selbst enthaltenen Lärmschutzmaßnahmen erforderlich sind, um die Umweltverträglichkeit des Vorhabens zu gewährleisten, sondern dass auch die von den Sachverständigen zusätzlich für zwingend erforderlich erachteten Maßnahmen eingehalten werden müssen, um von der Umweltverträglichkeit des eingereichten Vorhabens ausgehen zu können:

Zum Thema "Auswirkungen des Vorhabens auf den Menschen - Siedlungs- und Wirtschaftsraum, Erholung" (Kapitel 2.1.2) wird im UVP-Gutachten vom Sachverständigen aus dem Fachgebiet Humanmedizin im Rahmen des Befunds nach einer Darlegung der gemäß SchIV einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte zunächst ausgeführt, dass - trotz Lärmschutzwand an der Bahntrasse - in den Gemeinden A und M eine Reihe von Gebäuden bestehen, bei denen die Grenzwerte der SchIV an der Fassade nicht eingehalten würden; diese hätten daher Anspruch auf objektseitige Lärmschutzmaßnahmen (UVP-Gutachten, Seite 154).

Im Rahmen des Gutachtens "Schallimmissionen" wird dann zunächst dargelegt, dass nach den vorliegenden Prognosen die Verkehrslärmbelastung zunehmen werde, doch könne das Projekt in vielen Bereichen eine Verbesserung gegenüber der Nullvariante erzielen. "Zusätzlich" zu den im Projekt vorgesehenen Schallschutzmaßnahmen werde empfohlen, "allen Wohnanrainern, bei denen in der Betriebsphase trotz bahnseitiger Maßnahmen vor der Fassade von Schlafräumen Schallpegelspitzen von 70 dB und darüber zu erwarten sind, den kostenlosen Einbau von Schallschutzfenstern mit Schalldämmlüftern anzubieten". Damit könne "sichergestellt werden, dass die nächtlichen Maximalpegel am Ohr des Schläfers 45 dB nicht überschreiten und ein ungestörter und erholsamer Nachtschlaf gewährleistet" sei. Würden die projektgemäßen und die in diesem Fachbeitrag angeführten Maßnahmen durchgeführt, würden Gesundheitsgefährdungen durch projektbedingten Lärm für alle Anrainer vermieden.

Aus medizinischer Sicht seien also neben den projektgemäßen zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um die Maximalpegel am Ohr des Schläfers bei geschlossenen Fenstern zu begrenzen. Das Gutachten sieht daher - bei Schallpegelspitzen von 70 dB und darüber - als "zwingend erforderliche Maßnahmen" die beschriebenen passiven Schallschutzmaßnahmen vor (Seite 159).

Auf diese Forderung wird jeweils auch bei der fachlichen Auseinandersetzung mit den erstatteten Stellungnahmen ("Fragebereich 4" - Seiten 705 bis 892 des UVP-Gutachtens) verwiesen bzw diese wiederholt.

Dem entsprechend werden von den Sachverständigen für Lärmschutz ("LA") und Humanmedizin ("HY") im "Maßnahmenkatalog" des UVP-Gutachtens (Kapitel 5, Seiten 893 bis 920) als "zwingend erforderliche Maßnahmen" (Unterkapitel 5.1) - und nicht etwa bloß als "empfohlene Maßnahmen" - (ua) folgende Auflagen als erforderlich erachtet:

"150) Die im Einreichprojekt 2009 der UVE im Fachbeitrag Schalltechnik angeführten Objektschutzmaßnahmen (Lärmschutzfenster) sind, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Ergebnisse der vorgeschriebenen Beweissicherungs- und Kontrollmessungen im Umfang und der Ausführung präzisiert und/oder erweitert, darüber hinaus an Fassaden von Objekten, an denen der Spitzenpegel des Schienenverkehrslärms (Höchstwert des Vorbeifahrtspegels LA,Vmx) im Freien vor den Fassaden (0,5 m vor dem offenen Fenster) den Wert von 70 dB überschreitet, im Einvernehmen mit den betroffenen Objekteigentümern herzustellen. (LA)

...

156) Zusätzlich zu den gemäß SchIV vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen sind diese auch anzubieten, wenn vor der Fassade von Schlafräumen Schallpegelspitzen (LA,Vmx gemessen 0,5 m vor dem offenen Fenster) von 70 dB und darüber zu erwarten sind oder im Zuge der Beweissicherung nachgewiesen werden.(HY)"

Von diesen Forderungen sind die Sachverständigen auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht abgerückt (vgl etwa die Ausführungen des Sachverständigen für Humanmedizin, wonach "die Forderung des Landesumweltanwaltes nach einer Begrenzung des

Spitzenpegels ... aus fachlicher Sicht unterstützt und darauf

hingewiesen (wird), dass diese Begrenzung als zwingende Auflage in meinem Gutachten enthalten ist").

2.4. Die belangte Behörde wird daher zu beurteilen haben, ob die in Rede stehenden, von den Sachverständigen geforderten Lärmschutzmaßnahmen geboten wären, um die Umweltverträglichkeit des Vorhabens zu gewährleisten.

3. Da sie dies - geleitet von einer unrichtigen Rechtsauffassung - unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 28. November 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte