VwGH 2011/10/0062

VwGH2011/10/006225.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des SF in Wien, vertreten durch Mag. Alexandra Cervinka, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Seilergasse 3/13, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung vom 17. Februar 2010, Zl. BMWF-54.005/0003-I/8a/2010, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens zur Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §69 Abs1 Z2;
StudFG 1992 §19 Abs2 Z1;
StudFG 1992 §19 Abs2;
StudFG 1992 §19 Abs3 Z3;
StudFG 1992 §19 Abs3;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z2;
StudFG 1992 §20 Abs2;
StudFG 1992 §6 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Oktober 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 19. September 2005 auf Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 Studienförderungsgesetz 1992 - StudFG, BGBl. Nr. 305, abgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer das Studium der Betriebswirtschaft im Wintersemester 1997/98 aufgenommen habe. In den ersten beiden Semestern habe er Studienbeihilfe bezogen, welche jedoch zurückgefordert worden sei, weil er nicht einmal den Mindeststudienerfolg (vier Stunden Proseminare) aufgewiesen habe. Die erste Diplomprüfung habe er am 30. Juni 2005, somit am Ende des 16. Semesters, abgelegt. Für den ersten Abschnitt sei eine Studienzeit von vier Semestern vorgesehen. Das Ausmaß der Studienzeitüberschreitung betrage daher elf Semester und vier Monate.

Die Behandlung einer Depression des Beschwerdeführers durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin sei ab dem Jahr 2002 bestätigt, eine fachärztliche Behandlung dieses Leidenszustandes erst ab Juli 2003. Fachärztlich bestätigt sei eine mit März 2003 beginnende depressive Verstimmung mit Spannungskopfschmerzen und Zuständen von Dysphorie mit Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen. Erste Erfolge der Behandlung hätten sich im September 2003 eingestellt. Aus einer weiteren fachärztlichen Stellungnahme vom 5. Juli 2004 ergebe sich eine damals bestehende regelmäßige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung.

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass für eine Erteilung der Nachsicht das überwiegende Ausmaß der Studienzeitverzögerung, somit mehr als fünf Semester und drei Monate, durch wichtige Gründe verursacht worden sein müssten. Die ab März 2003 fachärztlich nachgewiesene Erkrankung des Beschwerdeführers stelle einen solchen wichtigen Grund dar. Daraus resultiere jedoch nachweislich keine durchgehende Studienbehinderung, weil der Beschwerdeführer zwischen dem Wintersemester 2003/04 und dem 30. Juni 2005 insgesamt 14 Prüfungen erfolgreich abgelegt habe. Er sei nur im Sommersemester 2003 und zum Teil im Wintersemester 2003/04 durch seine Krankheit in seinem Studium beeinträchtigt gewesen. Auf Grund dieser Erkrankung hätten daher zwei Semester als gerechtfertigte Studienverzögerung anerkannt werden können.

Weiters resultiere aus der Pflege des dementen Großvaters eine weitere berechtigte Studienverzögerung im Ausmaß von drei Semestern. Die Studienzeitüberschreitung um mehr als elf Semester sei somit nur im Ausmaß von höchstens fünf Semestern und daher nicht überwiegend auf wichtige Gründe im Sinn von § 19 StudFG zurückzuführen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2013, Zl. 2008/10/0135, als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 2010 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Juli 2009 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 27. Oktober 2006 abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 AVG abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht, am 23. Juli 2009 den vom Bundessozialamt am Tag davor ausgestellten Behindertenausweis mit einer Festsetzung des Grades der Behinderung von 50 % zugestellt erhalten zu haben. Gleichzeitig habe ihm das Bundessozialamt die Bestätigung vom 22. Juli 2009 zugestellt, wonach der Beginn der Behinderung in diesem Ausmaß mit Februar 1992 festgestellt werde. Diese rückwirkende Feststellung sei von maßgeblicher Bedeutung, weil somit während des gesamten Studiums eine nach bundesgesetzlichen Vorschriften festgestellte Behinderung von 50 % vorgelegen sei, welche zu einer Nachsicht im Ausmaß von weiteren Semester führen hätte müssen. Insbesondere sei es nun möglich, auch jene Zeitspanne zu berücksichtigen, die bisher mangels fachärztlicher Bestätigung unberücksichtigt geblieben sei. Die neuen Tatsachen und Beweismittel seien erst mit Zustellung der genannten Urkunden hervorgekommen und hätten während des wiederaufzunehmenden Verfahrens ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht geltend gemacht werden können.

Dazu führte die belangte Behörde aus, dass der Behindertenausweis und die Bestätigung über die Rückwirkung erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens ausgestellt worden seien und es sich somit hiebei nicht um während des wiederaufzunehmenden Verfahrens bereits existierende, aber erst nachträglich hervorgekommene Beweismittel handle.

Es sei daher zu prüfen, ob die Behinderung als neu hervorgekommene Tatsache zu werten sei. Der nunmehr vom Bundessozialamt festgestellten Behinderung liege, wie sich aus den Angaben des Beschwerdeführers zweifelsfrei ergebe, eine psychische Erkrankung (Panikattacken, Sozialphobie, etc.) zugrunde. Diese Zustände seien im abgeschlossenen Verfahren bereits als Krankheit geltend gemacht und zum Teil auch als wichtiger Grund für die Studienverzögerung anerkannt worden. Eine Behinderung habe der Beschwerdeführer hingegen nicht geltend gemacht. Den Antrag an das Bundessozialamt auf Feststellung seiner Behinderung habe er erst im Juni 2009 gestellt. Gründe, die den Beschwerdeführer daran gehindert hätten, die Behinderung während des Nachsichtverfahrens geltend zu machen bzw. zumindest deren Feststellung zu beantragen, seien nicht dargetan worden. Da der Leidensdruck als solcher bestanden habe, hätte die Feststellung der Behinderung jedenfalls schon früher beantragt werden können. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass das Vorliegen der Behinderung ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht geltend gemacht hätte werden können.

Der Wiederaufnahmeantrag sei jedoch auch inhaltlich nicht zielführend.

Es sei zu prüfen, ob der dem Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen nicht bekannte Umstand, dass es sich bei seinen Leidenszuständen um die Auswirkungen einer Behinderung handle, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 19 Abs. 3 Z. 3 StudFG führe eine nach bundesgesetzlichen Vorschriften mit mindestens 50 % festgestellte Behinderung ohne weiteren Nachweis zu einer Verlängerung der Anspruchsdauer um ein Semester. Insoweit sei die Kausalität für die Verlängerung der Anspruchsdauer nicht zu prüfen. Für das Nachsichtverfahren lege das StudFG ein derartiges Absehen vom Nachweis der Kausalität hingegen nicht fest. Die Behinderung des Beschwerdeführers weise das gleiche Krankheitsbild wie die im Nachsichtverfahren fachärztlich bestätigte Erkrankung auf und erstrecke sich zum Teil auch über denselben Zeitraum. Es könne nicht automatisch ein ganzes Semester als gerechtfertigte Studienverzögerung hinzugerechnet werden. Vielmehr sei die durch die Behinderung bewirkte Studienverzögerung einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Eine solche ergebe auch unter Berücksichtigung der Behinderung nicht, dass das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung auf wichtige Gründe im Sinn des StudFG zurückzuführen sei.

Die Wiederaufnahme sei daher auch deshalb nicht zu bewilligen gewesen, weil der geltend gemachte Grund voraussichtlich nicht zu einem im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid geführt hätte.

 

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach dem im vorliegenden Fall maßgeblichen § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinn dieser Bestimmung liegen nur dann vor, wenn sie im Zeitpunkt des Abschlusses des wiederaufzunehmenden Verfahrens bereits vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 28 zu § 69 und die dort zitierte hg. Judikatur).

Da die Bestätigung des Bundessozialamtes vom 22. Juli 2009 erst nach Abschluss des Verfahrens ausgestellt wurde und somit im Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens noch nicht vorhanden war, hat sie die belangte Behörde zu Recht nicht als neues Beweismittel im Sinn dieser Bestimmung qualifiziert.

Bei der damit nach bundesgesetzlichen Vorschriften festgestellten Behinderung im Ausmaß von 50 % bereits ab Februar 1992 könnte es sich aber um eine Tatsache handeln, die ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht geltend gemacht werden konnte und voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Dies hat die belangte Behörde mit der Begründung verneint, dass der Beschwerdeführer einerseits bereits im wiederaufzunehmenden Verfahrens eine Behinderung geltend machen bzw. einen Antrag auf Anerkennung seines Leidenszustandes als Behinderung stellen hätte können. Andererseits hätte die rückwirkend festgestellte Behinderung keinen anders lautenden Bescheid herbeiführen können, weil die durch die Behinderung verursachten Leidenszustände ohnehin als Krankheit berücksichtigt worden seien.

Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, ihm sei bis zu der durch den behandelten Facharzt initiierten Stellung eines Antrages auf Feststellung der Behinderung im Jahr 2009 nicht bewusst gewesen, dass seine Erkrankung als Behinderung einzustufen sei. Bis dahin wäre er nicht einmal ansatzweise auf die Idee gekommen, einen derartigen Feststellungsantrag zu stellen. Es stelle sich die Frage, wie er aus Eigenem auf diese Idee hätte kommen sollen, wenn sogar der Facharzt erst nach jahrelanger Behandlung zum Schluss gekommen sei, dass die Erkrankung des Beschwerdeführers ein Ausmaß erreicht habe, das einer Behinderung gleichkomme.

Weiters hätte die neu hervorgekommene Tatsache des Vorliegens einer nach bundesgesetzlichen Vorschriften festgestellten Behinderung von 50 % sehr wohl zu einem anders lautenden Bescheid geführt. Nach § 19 Abs. 3 Z. 3 StudFG führe eine derartige Behinderung ohne weiteren Nachweis zu einer Verlängerung der Studienzeit um zwei Semester. Bei einem Studierenden könnten durchaus auch mehrere wichtige Gründe aufeinandertreffen und nebeneinander berücksichtigt werden. Überdies genüge es für die Bewilligung der Wiederaufnahme, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit ein anders lautender Bescheid zu erwarten gewesen wäre, ob dies tatsächlich zutreffe, sei erst im wiederaufgenommenen Verfahren zu entscheiden.

Zum letztgenannten Vorbringen des Beschwerdeführers sei zunächst ausgeführt, dass es sich beim Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG um einen relativen Grund handelt. Das Verfahren ist nur wieder aufzunehmen, wenn sich voraussichtlich - damit ist ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit gemeint - ein anderer Spruch in der Hauptsache ergeben hätte; diese Frage ist nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die bei Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides bestand (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9, Rz 591 und die dort zitierte hg. Judikatur).

Die von der belangten Behörde im Ergebnis vertretene Ansicht, dass eine solche Wahrscheinlichkeit für einen anderslautenden Bescheid nicht vorliegt, kann aus folgenden Gründen nicht als rechtswidrig erkannt werden:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes 1992 - StudFG, BGBl. Nr. 305, in der im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im wiederaufzunehmenden Verfahren geltenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 20/2006, lauten (auszugsweise):

"Voraussetzungen

§ 6. Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe ist, dass der Studierende

3. einen günstigen Studienerfolg nachweist (§§ 16 bis 25),

Anspruchsdauer

§ 18. (1) Die Anspruchsdauer umfasst grundsätzlich die zur Absolvierung von Diplomprüfungen, Bakkalaureatsprüfungen, Magisterprüfungen, Rigorosen, Lehramtsprüfungen oder anderen das Studium oder den Studienabschnitt abschließenden Prüfungen vorgesehene Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters. …

Verlängerung der Anspruchsdauer aus wichtigen Gründen

§ 19. (1) Die Anspruchsdauer ist zu verlängern, wenn der Studierende nachweist, dass die Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verursacht wurde.

(2) Wichtige Gründe im Sinne des Abs. 1 sind:

1. Krankheit des Studierenden, wenn sie durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesen wird,

  1. 2. Schwangerschaft der Studierenden und
  2. 3. jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, wenn den Studierenden daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

(3) Die Anspruchsdauer ist ohne weiteren Nachweis über die Verursachung der Studienverzögerung in folgendem Ausmaß zu verlängern:

3. bei Studierenden, deren Grad der Behinderung nach bundesgesetzlichen Vorschriften mit mindestens 50% festgestellt ist, um ein Semester,

(5) Das Vorliegen eines wichtigen Grundes bewirkt nur die Verlängerung der Anspruchsdauer, ohne von der Verpflichtung zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges im Sinne der §§ 20 bis 25 zu entheben.

(6) Der Leiter der Studienbeihilfenbehörde hat auf Antrag des Studierenden

2. bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z 1 oder der Abs. 2, 3 und 4 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit des ersten Studienabschnittes zuzüglich eines Semesters (§ 20 Abs. 2), … nachzusehen,

wenn das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung auf die genannten Gründe zurückzuführen und auf Grund der bisherigen Studienleistungen zu erwarten ist, dass der Studierende die Diplomprüfung, die Bakkalaureatsprüfung, die Magisterprüfung oder das Rigorosum innerhalb der Anspruchsdauer ablegen wird. …

Studienerfolg an Universitäten

§ 20. (1) …

(2) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn ein Studierender die erste Diplomprüfung (das erste Rigorosum) des Studiums, für das Studienbeihilfe beantragt wird, oder eines Vorstudiums nicht innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters absolviert hat.

…"

Die Anspruchsdauer für den ersten Studienabschnitt beträgt somit die dafür vorgesehene Studienzeit (hier: vier Semester), verlängert um ein weiteres Semester, wobei eine weitere Verlängerung aus den wichtigen Gründen des § 19 StudFG möglich ist. Hat der Studierende jedoch den ersten Abschnitt nicht innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters absolviert, liegt gemäß § 20 Abs. 2 StudFG kein günstiger Studienerfolg vor. Eine Studienbeihilfe kann in solchen Fällen nur gewährt werden, wenn eine Nachsicht gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 StudFG erteilt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2006, Zl. 2005/10/0083).

Für die Erteilung dieser Nachsicht ist - neben anderen Voraussetzungen - maßgeblich, ob das überwiegende Ausmaß der Überschreitung der in den Studienvorschriften für die Absolvierung festgelegten Zeit auf wichtige Gründe im Sinn von (u.a.) § 19 Abs. 2 und Abs. 3 StudFG zurückzuführen ist. Durch den Verweis auf § 19 Abs. 3 StudFG ist klargestellt, dass bei Studierenden mit nach bundesgesetzlichen Vorschriften festgestellter Behinderung von mindestens 50 % bei der Nachsichterteilung gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 leg. cit. "ohne weiteren Nachweis" davon auszugehen ist, dass die Verzögerung um ein Semester auf diese Behinderung zurückzuführen ist.

Unter welchen Voraussetzungen auf eine solche Behinderung zurückzuführende Verzögerungen von mehr als einem Semester zu berücksichtigen sind, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Aus § 19 Abs. 3 Z. 3 StudFG ergibt sich lediglich, dass dies nicht ohne weiteren Nachweis möglich ist. Ein bestimmter - für die Studienverzögerung kausaler - Leidenszustand mit Krankheitswert ist bei der Nachsichterteilung gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 iVm Abs. 2 Z. 1 StudFG nur dann als Grund für die Studienverzögerung zu werten, wenn er durch eine fachärztliche Bestätigung nachgewiesen ist. Da es für die Auswirkungen eines Leidenszustandes auf die Studiendauer unerheblich ist, ob dieser Zustand eine Krankheit darstellt oder Folge einer Behinderung ist, entspricht es dem Gesetz, diese Bestimmung auch für den Nachweis der Kausalität von Studienzeitüberschreitungen auf Grund einer Behinderung anzuwenden, um eine unterschiedlichen Behandlung eines bestimmten für die Studienverzögerung kausalen Leidenszustandes je nachdem, ob er als Krankheit oder als Folge einer Behinderung anzusehen ist, zu vermeiden. Überdies ist es - wie der vorliegende Fall zeigt - vielfach nur sehr schwer abzugrenzen, ob eine Krankheit oder die Auswirkung einer Behinderung vorliegt. Die - nicht bereits gemäß § 19 Abs. 3 Z. 3 StudFG ohne Nachweis anzunehmende - Kausalität einer Behinderung für die Studienverzögerung ist daher durch eine fachärztliche Bestätigung nachzuweisen.

Wird die aus einer Behinderung resultierende Studienverzögerung von mehr als einem Semester durch eine fachärztliche Bestätigung nachgewiesen, so kann - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bei einer nach bundesgesetzlichen Vorschriften festgestellten Behinderung von mindestens 50 % nicht zusätzlich ein weiteres Semester ohne Nachweis berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass eine Behinderung im Ausmaß von mindestens 50 % im Regelfall eine Studienzeitverlängerung von einem Semester bewirkt. Zur Vereinfachung des Verfahrens muss die Kausalität der Behinderung für eine Verzögerung in diesem Ausmaß nicht gesondert nachgewiesen werden. Es kann dem Gesetzgeber jedoch nicht unterstellt werden, dass er in einem Fall, in dem das (ein Semester übersteigende) Ausmaß der aus einer Behinderung resultierenden Studienverzögerung feststeht, darüber hinaus ein weiteres Semester Verzögerung in Kauf nehmen wollte.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde im Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, eine aus dem - als Krankheit eingestuften - durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesenen Leidenszustand resultierende Studienverzögerung im Ausmaß von zwei Semestern berücksichtigt. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers handelt es sich bei diesem Zustand um die Auswirkungen seiner nunmehr vom Bundessozialamt rückwirkend ab Februar 1992 festgestellten Behinderung im Ausmaß von 50 %.

Wäre der belangten Behörde bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren die nachträglich hervorgekommene Tatsache bekannt gewesen, dass es sich beim Leiden des Beschwerdeführers um die Auswirkungen einer nach bundesgesetzlichen Vorschriften festgestellten Behinderung im Ausmaß von 50 % handelt, so wäre sie nach den obigen Ausführungen zu keinem anderen Ergebnis gekommen, weil dieser Leidenszustand im vom Beschwerdeführer entsprechend nachgewiesenen Ausmaß ohnehin berücksichtigt worden ist.

Die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages erfolgte daher schon deshalb zu Recht, weil die nach dem Antragsvorbringen hervorgekommene Tatsache voraussichtlich keinen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Aus all diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. April 2013

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