VwGH 2012/08/0146

VwGH2012/08/014612.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des P W in L, Slowenien, vertreten durch Steiner Rechtsanwalts KG in 1010 Wien, Weihburggasse 18- 20/50, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 15. Mai 2012, Zl. BMASK-426768/0002- II/A/3/2012, betreffend Rückzahlung von zu Ungebühr entrichteten Beiträgen gemäß § 69 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1311;
ASVG §114 Abs1;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §114 Abs3 idF 1987/605;
ASVG §114 Abs3 Z2 idF 1987/605;
ASVG §410 Abs1 Z4;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §69;
StGB §153c Abs1 idF 2004/I/152;
StGB §153c Abs2 idF 2004/I/152;
StGB §153c Abs3 idF 2004/I/152;
StGB §153c idF 2004/I/152;
ABGB §1311;
ASVG §114 Abs1;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §114 Abs3 idF 1987/605;
ASVG §114 Abs3 Z2 idF 1987/605;
ASVG §410 Abs1 Z4;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §69;
StGB §153c Abs1 idF 2004/I/152;
StGB §153c Abs2 idF 2004/I/152;
StGB §153c Abs3 idF 2004/I/152;
StGB §153c idF 2004/I/152;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat am 8. Februar 2010 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einen Antrag auf Rückzahlung von Beiträgen gemäß § 69 ASVG eingebracht. Aufgrund eines Devolutionsantrages des Beschwerdeführers ging in der Folge die Zuständigkeit auf den Landeshauptmann von Wien über, der dem Antrag mit Bescheid vom 4. Mai 2011 (teilweise) stattgegeben und ausgesprochen hat, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verpflichtet sei, die vom Beschwerdeführer in der Zeit vom 8. März 2005 bis 10. Juni 2008 ungebührlich entrichteten Beiträge in der Höhe von insgesamt EUR 2.551,37 zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen gemäß § 69 Abs. 1 ASVG zurück zu erstatten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der von der mitbeteiligten Partei gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung Folge gegeben.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer vom 27. August 1999 bis zum 1. Februar 2000 und vom 25. April 2000 bis zum 27. Juni 2000 Geschäftsführer der E GmbH gewesen sei, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 27. Juni 2000 der Konkurs eröffnet worden sei. Gegen ihn sei ein Strafverfahren beim Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verdachts des Vergehens nach § 114 ASVG (Nichtabführung der Dienstgeberbeiträge) und des Verbrechens der betrügerischen Krida eingeleitet worden. Am 11. Oktober 2001 habe vor dem Landesgericht eine Hauptverhandlung stattgefunden, in der der Beschwerdeführer auch dazu befragt worden sei, ob er eine Ratenvereinbarung mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse abgeschlossen habe. Nach einer Unterbrechung dieser Verhandlung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bekannt gegeben, dass zwischen ihr und dem Beschwerdeführer eine Ratenvereinbarung für die offenen Sozialversicherungsbeiträge der E GmbH abgeschlossen worden sei.

Der Inhalt dieser Vereinbarung habe wie folgt gelautet:

"Zahlungsvereinbarung in Kraft: befristet für 12 Monate

Die rückständigen Beiträge einschließlich des Monates 5/00 in der Höhe von ATS 416.433,33 (EUR 30.263,39) zuzüglich der noch zu berechnenden Verzugszinsen und Nebengebühren sind in Monatsraten von je ATS 1.000,--, die erste am 11.11.2001, die folgenden je 1 Monat später bei einem Respiro von 3 Tagen pünktlich zu bezahlen. Terminverlust tritt ein, wenn auch nur eine Rate nicht pünktlich bezahlt wird. Solange diese Vereinbarung eingehalten wird, werden keine Zwangsmaßnahmen eingeleitet. Für eine allfällige Verlängerung dieser Vereinbarung ist die fristgerechte Vorlage eines neuerlichen Ansuchens mit Unterlagen über Einkommensnachweis und eventuelle Zahlungsverpflichtungen erforderlich bzw. ersuchen wir bei geänderter Einkommenssituation, zwecks Regelung der weiteren Zahlungsbedingungen, in der Wiener Gebietskrankenkasse, Abteilung Beitragseinhebung, vorzusprechen.

Der Beschwerdeführer anerkennt hiermit ausdrücklich seine zivilrechtliche Haftung für die Sozialversicherungsbeiträge der (E GmbH) über ATS 416.333,33 (EUR 30.263,39) zuzüglich der ab 11.10.2001 zu berechnenden Verzugszinsen."

Das Landesgericht für Strafsachen habe mit Urteil vom 20. Jänner 2003 den Beschwerdeführer vom Vorwurf der Vorenthaltung der Sozialversicherungsbeiträge seiner Dienstnehmer gemäß der zu diesem Zeitpunkt in Geltung gestandenen Bestimmung des § 114 ASVG mit der Begründung frei gesprochen, dass in der Hauptverhandlung eine Urkunde der Wiener Gebietskrankenkasse vorgelegt worden sei, gemäß welcher hinsichtlich der gegenständlichen Beiträge eine Zahlungsvereinbarung befristet auf 12 Monate abgeschlossen worden sei, woraus folge, dass diesbezüglich ein Strafaufhebungsgrund vorliege.

Der Beschwerdeführer habe am 10. Juni 2008 die Ratenzahlungen eingestellt. Aus diesem Grunde habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Klage erhoben. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer vertrete die Ansicht, dass die von ihm geleisteten Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden und daher zurückzuzahlen seien. Hinsichtlich einer allfälligen Geschäftsführerhaftung des Beschwerdeführers nach § 67 ASVG hätte von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ein Haftungsbescheid erlassen werden müssen. Die vorgenommenen Zahlungen seien auf Grund einer nichtigen Zahlungsvereinbarung vom 11. Oktober 2001 getätigt worden.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vertrete die Auffassung, dass die Zahlungen des Beschwerdeführers auf Grund eines zivilrechtlichen Anerkenntnisses geleistet worden seien und dass der Verwaltungsweg unzulässig sei. Eine Haftung nach § 67 ASVG sei nicht der Grund der Ratenzahlungen des Beschwerdeführers.

Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, dass die Haftung eines Geschäftsführers für Beitragsrückstände auf Grund der Uneinbringlichkeit bei der GmbH auf Grund verschiedener haftungsbegründender Umstände bestehen könne. Diese Haftung könne insbesondere durch die Verletzung von Bestimmungen, die dem Gläubigerschutz dienten (betrügerische Krida etc.), begründet sein. Haftungen könnten sowohl mit Bescheid (§ 67 ASVG), aber auch zivilrechtlich geltend gemacht werden.

Aus dem festgestellten Sachverhalt, insbesondere aus dem Strafakt, ergebe sich, dass sich der Beschwerdeführer durch die Zahlungsvereinbarung vom 11. Oktober 2001 (Anerkenntnis) ausdrücklich verpflichtet habe, vorenthaltene Beiträge zur Sozialversicherung (Dienstnehmeranteile) zu entrichten. Als Folge dieses Anerkenntnisses sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen von der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 114 ASVG frei gesprochen worden.

Durch diese zivilrechtliche Verpflichtung sei zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eine auch für die Verwaltungsbehörden bindende Rechtslage geschaffen worden. Die Beitragszahlungen (Ratenzahlungen) würden somit auf dem Anerkenntnis vom 11. Oktober 2001, das zur Vermeidung einer Verurteilung abgegeben worden sei, und nicht auf der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angenommenen, aber nicht mit Bescheid ausgesprochenen Haftung als Geschäftsführer nach § 67 ASVG beruhen.

Das vom Beschwerdeführer angesprochene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1988, Zl. 87/08/0262, sei nach Ansicht der belangten Behörde nicht auf den gegenständlichen Fall anzuwenden. Dieses Erkenntnis habe ausschließlich die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zum Inhalt, die mittels Bescheid geltend gemacht werden müsse. Im Beschwerdefall sei jedoch ein zivilrechtliches Anerkenntnis vom Beschwerdeführer unterschrieben worden, um einen Strafaufhebungsgrund zu realisieren. Eine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG sei nicht in Rede gestanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge ihn aufheben oder in der Sache selbst entscheiden und dem Antrag des Beschwerdeführers inhaltlich stattgeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 114 ASVG hatte in den hier maßgeblichen Zeiträumen (bis zur Aufhebung durch das Sozialbetrugsgesetz, BGBl. I Nr. 152/2004 mit 1. März 2005) folgenden Wortlaut:

"Verstöße gegen die Vorschriften über die Einbehaltung und Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers durch den Dienstgeber

§ 114. (1) Ein Dienstgeber, der Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung einbehalten oder von ihm übernommen und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten hat, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen; neben der Freiheitsstrafe kann eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verhängt werden.

(2) Trifft die Pflicht zur Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung eine juristische Person, eine Personengesellschaft des Handelsrechtes oder eine Erwerbsgesellschaft, so ist Abs. 1 auf alle natürlichen Personen anzuwenden, die dem zur Vertretung befugten Organ angehören. Dieses Organ ist berechtigt, die Verantwortung für die Einzahlung dieser Beiträge einzelnen oder mehreren Organmitgliedern aufzuerlegen; ist dies der Fall, findet Abs. 1 nur auf sie Anwendung.

(3) Der nach Abs. 1 oder 2 Verantwortliche ist nicht zu

bestrafen, wenn er bis zum Schluß der Verhandlung

1. die ausstehenden Beiträge zur Gänze einzahlt oder

2. sich dem berechtigten Sozialversicherungsträger

gegenüber vertraglich zur Nachentrichtung der ausstehenden Beiträge binnen einer bestimmten Zeit verpflichtet.

(4) Die Strafbarkeit lebt wieder auf, wenn der Zahlungsverpflichtete seine nach Abs. 3 Z 2 eingegangene Verpflichtung nicht einhält."

§ 114 Abs. 3 ASVG wurde durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 605/1987, eingeführt. Der Bericht des Justizausschusses (359 BlgNR 17. GP, 70) zum Initiativantrag, der dieser Novelle zu Grunde liegt, führt hinsichtlich der Änderung des § 114 Abs. 3 ASVG Folgendes aus:

"Der Hinweis der Praxis, daß das Fehlen einer der tätigen Reue (§ 167 StGB) vergleichbaren Bestimmung zu § 114 ASVG rechtspolitisch nicht recht verständlich sei, hat eine Ergänzung dieser Vorschrift angezeigt erscheinen lassen.

Zweck des § 114 ASVG ist es, den Dienstgeber zu veranlassen, regelmäßig und ohne Verzug die einbehaltenen Dienstnehmerbeiträge an den Träger der Sozialversicherung abzuliefern. Schon heute lässt die vielfach geübte Anzeigepraxis der Sozialversicherungen allerdings eine tatsächliche Anwendung dieser Strafbestimmung erkennen, die dem Bestehen der Möglichkeit einer tätigen Reue sehr nahe kommt. Mit Rücksicht auf ökonomische Gesichtspunkte versuchen die Versicherungsträger zunächst, alle sonstigen Möglichkeiten der Eintreibung ausständiger Beiträge zu nutzen, weil die Erfahrung zeigt, daß bei tatsächlicher Durchführung des Strafverfahrens im konkreten Einzelfall die Chancen einer - auch wirtschaftlich sinnvollen - Durchsetzung der Beitragsforderungen nicht selten vermindert werden.

Der Justizausschuß folgt mit der vorgeschlagenen Einführung einer der tätigen Reue nachgebildeten Bestimmung auch der in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (BGBl. 1986, Teil I, 721; § 266a Abs. 5 dStGB) eingeführten Regelung einer 'goldenen Brücke' für den Täter, wonach der Lage eines Arbeitgebers Rechnung getragen werden soll, der sich in einem voraussichtlich behebbaren wirtschaftlichen Engpass befindet. Ein Arbeitgeber, dem es im Fälligkeitszeitpunkt etwa zwar noch möglich ist, seine Arbeitnehmer zu entlohnen, dem jedoch die Mittel für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge fehlen, befindet sich möglicherweise im Augenblick in einer Zwangslage. Es kann sich um eine Situation handeln, in der die Existenz seines Betriebes auf dem Spiel steht und Arbeitsplätze verloren gehen können. Einem solchen Arbeitgeber soll die neu geschaffene Regelung zugute kommen. Sie erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die Solidargemeinschaft der Versicherten letztlich dann keinen Schaden erleidet, wenn die geschuldeten Beiträge in einem zeitlich angemessenen Verhältnis zum Ausmaß der Beitragsvorenthaltung schließlich doch noch gezahlt werden.

Dem Sozialversicherungsträger ist es damit aber auch möglich, auf Grund der in der Verhandlung vor dem Strafgericht gewonnenen Angaben über die wirtschaftliche Situation des Beschuldigten seine Zustimmung zu einer Nachentrichtung der ausstehenden Beträge binnen bestimmter Zeit auf eine zutreffendere Grundlage als bis dahin zu stellen. Die Präventivfunktion des bisherigen § 114 ASVG erfährt dadurch keine Einschränkungen; sie wird sogar durch die Möglichkeit einer Rücksichtnahme auf ökonomische, soziale und arbeitsplatzsichernde Gesichtspunkte erweitert."

Mit dem Sozialbetrugsgesetz, BGBl. I Nr. 152/2004, wurde § 114 ASVG aufgehoben und unter Erweiterung des Tatbestandes unter dem neuen Titel "Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung" in das Strafgesetzbuch "überstellt". Auch nach § 153c StGB in der Fassung des Sozialbetrugsgesetzes ist der Täter nicht zu bestrafen, wenn er bis zum Schluss der Verhandlung die ausstehenden Beiträge zur Gänze einzahlt oder sich dem berechtigten Sozialversicherungsträger gegenüber vertraglich zur Nachentrichtung der ausstehenden Beiträge binnen einer bestimmten Zeit verpflichtet. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Sozialbetrugsgesetz (698 BlgNR 22. GP, Seite 8) heißt es:

"Unverändert sollen aus § 114 ASVG auch trotz teilweiser Änderungsanregungen im Begutachtungsverfahren die Regelung des Abs. 2 betreffend die Haftung von Angehörigen der vertretungsbefugten Organe sowie die Regelungen der Abs. 3 und 4 betreffend die 'tätige Reue' übernommen werden. Eine Angleichung an bzw. Einbeziehung in § 161 StGB soll hinsichtlich des Abs. 2 deswegen nicht vorgenommen werden, (…). Ähnliches gilt auch für die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 605, eingeführte Sonderform der tätigen Reue bei § 114 ASVG. Wie der Justizausschuss des Nationalrats dazu ausgeführt hat, erscheint diese Regelung auch deshalb gerechtfertigt, weil die Solidargemeinschaft der Versicherten letztlich dann keinen Schaden erleidet, wenn die geschuldeten Beiträge in einem zeitlich angemessenen Verhältnis zum Ausmaß der Beitragsvorenthaltung schließlich doch noch gezahlt werden, und es dem Sozialversicherungsträger damit auch möglich ist, auf Grund der in der Verhandlung vor dem Strafgericht gewonnenen Angaben über die wirtschaftliche Situation des Beschuldigten seine Zustimmung zu einer Nachentrichtung der ausstehenden Beträge binnen bestimmter Zeit auf eine zutreffendere Grundlage als bis dahin zu stellen (vgl. den Bericht des Justizausschuss 359 der BlgNR XVII GP, hier: 70f). Diese Erwägungen gelten jedoch nicht in gleichem Maße für das betrügerische Vorenthalten nach § 153d, sodass hier auf die nach § 167 StGB vorgesehene, zeitlich eingeschränktere Möglichkeit zur tätigen Reue abgestellt werden soll, wodurch auch eine höhere Kongruenz mit § 29 FinStrG erzielt werden kann."

2. Der Beschwerdeführer begehrt die Rückerstattung der von ihm auf Grund der im angefochtenen Bescheid zitierten Vereinbarung an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse geleisteten Zahlungen. Er stützt sich dazu auf die Bestimmung des § 69 Abs. 1 ASVG, die folgenden Wortlaut hat:

"Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge

§ 69. (1) Zu Ungebühr entrichtete Beiträge können, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Das Recht auf Rückforderung verjährt nach Ablauf von fünf Jahren nach deren Zahlung. Der Lauf der Verjährung des Rückforderungsrechtes wird durch Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung ergibt, bis zu einem Anerkenntnis durch den Versicherungsträger bzw. bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Verwaltungsverfahren unterbrochen."

3. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die im Zuge des strafgerichtlichen Verfahrens abgeschlossene Vereinbarung nichtig sei. Die Frage der Haftung nach § 67 ASVG sei nicht durch eine privatrechtliche Vereinbarung, sondern durch die für die Rechtswirksamkeit der Haftungsbegründung vorgeschriebene Bescheidform zu regeln, wie dies der Verwaltungsgerichtshof, insbesondere in seinem Erkenntnis vom 22. September 1988, Zl. 87/08/0262 sowie in den Folgeerkenntnissen vom 20. Februar 2008, Zl. 2006/08/0284 und vom 14. Oktober 2009, Zl. 2008/08/0038, zum Ausdruck gebracht habe.

Die Bestimmung des § 114 Abs. 3 Z. 2 ASVG in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zahlungsvereinbarung maßgeblichen Fassung sei augenscheinlich nicht an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angepasst gewesen, sodass die insgesamt nichtige Zahlungsvereinbarung zwar zur Aufhebung der Strafbarkeit vor dem Strafgericht, nicht jedoch zur wirksamen Begründung der Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 ASVG genügt habe.

Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei es auch bei bestehender privatrechtlicher Vereinbarung möglich gewesen, zusätzlich einen Haftungsbescheid zu erlassen. Dies sei von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse schlicht verabsäumt worden. Obwohl die Voraussetzungen zur Erlassung eines Haftungsbescheides von Anfang an gegeben gewesen seien, sei ein solcher von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht erlassen worden, sondern diese habe sich mit der "Haftungsvereinbarung" vom 11. Oktober 2001 begnügt. Dass es sich bei dieser Vereinbarung nur um eine Haftung gemäß § 67 ASVG habe handeln können, sei weiters dadurch begründet, dass eine andere Haftung des Beschwerdeführers als damaliger Geschäftsführer der E GmbH geradezu denkunmöglich sei. Von einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch sei niemals die Rede gewesen, ein solcher sei keiner Urkunde zu entnehmen und auch nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Zivilgericht und liege auch tatsächlich nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedürfe es für die Zulässigkeit eines Vertrages als behördlicher Handlungsform in einer bestimmten Frage immer einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Beitragsschulden, die eine als haftpflichtig gemäß § 67 ASVG in Anspruch genommene Person nicht auf Grund eines Haftungsbescheides, sondern bloß auf Grund einer mit dem Versicherungsträger abgeschlossenen Vereinbarung leiste, seien mangels Einhaltung der für die Rechtswirksamkeit der Haftungsbegründung vorgeschriebenen Bescheidform zu Ungebühr entrichtet und könnten gemäß § 69 ASVG im Verwaltungsweg zurückgefordert werden.

4. Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für rückständige Sozialversicherungsbeiträge kann sich aus verschiedenen Rechtsgrundlagen ergeben: sind Beiträge infolge von Pflichtverletzungen in Bezug auf sozialversicherungsrechtliche Vorschriften uneinbringlich geworden, dann kann der Krankenversicherungsträger den Geschäftsführer mittels Haftungsbescheid nach § 67 Abs. 10 iVm § 410 Abs. 1 Z 4 ASVG in Anspruch nehmen; ist der Ausfall auf Konkursverschleppung zurückzuführen, dann haftet der Geschäftsführer dem Krankenversicherungsträger zivilrechtlich (vgl. zB 2 Ob 268/98w).

Die Anspruchsgrundlagen können einander aber auch insofern überschneiden, als wegen der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung eine zivilrechtliche Haftung, zusätzlich dazu jedoch auch eine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG eintreten kann, sofern die gerichtlich strafbare Handlung zugleich in der Verletzung einer spezifischen sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung des Geschäftsführers besteht, wie dies bei der Nichtabfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge iS des § 114 ASVG (nunmehr § 153c StGB) der Fall ist.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Krankenversicherungsträger im letztgenannten Fall nicht wahlweise die Gerichte oder den Weg der Bescheiderlassung im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG in Anspruch nehmen kann, sondern zur Inanspruchnahme der Haftung auf die Erlassung eines Haftungsbescheides verwiesen ist (dies wegen der Rechtskraft der Zuständigkeitsfrage offenlassend 2 Ob 268/98w), ändert dies nichts daran, dass der Krankenversicherungsträger aufgrund der zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage - an der die Bestimmung über die tätige Reue in § 114 Abs. 3 Z. 2 ASVG ersichtlich anknüpft - berechtigt ist, über die aus der Begehung einer strafbaren Handlung (oder aus anderen Anspruchsgrundlagen) sich ergebende schadensersatzrechtliche Haftung des Geschäftsführers im Sinne des § 1311 ABGB mit dem Schädiger vertragliche Vereinbarungen zu schließen.

Wie die oben zitierten Auszüge aus den Erläuterungen sowohl zum Strafrechtsänderungsgesetz 1987 als auch zum Sozialbetrugsgesetz zeigen, soll die nach § 114 Abs. 3 ASVG in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 bzw. nach § 153c Abs. 3 StGB in der Fassung des Sozialbetrugsgesetzes vorgesehene Straffreiheit im Fall der Beitragseinzahlung oder der vertraglichen Verpflichtung zur Nachentrichtung binnen einer bestimmten Zeit eine Sonderform der "tätigen Reue" darstellen, die deshalb gerechtfertigt ist, weil die Solidargemeinschaft der Versicherten "letztlich dann keinen Schaden erleidet, wenn die geschuldeten Beträge in einem zeitlich angemessenen Verhältnis zum Ausmaß der Beitragsvorenthaltung schließlich doch noch gezahlt werden". Eine derartige Vereinbarung, die gesetzlich ausdrücklich in § 114 Abs. 3 ASVG vorgesehen war (und nunmehr im § 153c StGB vorgesehen ist), und deren Abschluss zur Straffreiheit eines Täters nach § 114 Abs. 1 und 2 ASVG (§ 153c Abs. 1 und 2 StGB) führt, stellt keine Geltendmachung einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG dar.

Dem Beschwerdeführer kann daher nicht darin gefolgt werden, dass die - auf Grund der solche Vereinbarungen ausdrücklich vorsehenden gesetzlichen Bestimmung im § 114 Abs. 3 Z. 2 ASVG - getroffene Vereinbarung über die Zahlung von Beiträgen nichtig wäre.

Dem widerspricht auch nicht die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Rechtsprechung. Das Erkenntnis vom 22. September 1988, Zl. 87/08/0262, Slg. Nr. 12778/A, betrifft die ganz andere Frage einer Betriebsnachfolgehaftung nach § 67 Abs. 4 ASVG. Das Erkenntnis vom 20. Februar 2008, Zl. 2006/08/0284, verneinte bloß die Frage, ob eine "mündlich oder konkludent vereinbarte Übung" über bestimmte Zahlungsweisen von Sozialversicherungsbeiträgen die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG beschränken kann, und das Erkenntnis vom 14. Oktober 2009, Zl. 2008/08/0038, verneinte die Frage, ob eine getroffene Zahlungsvereinbarung die Erlassung eines Haftungsbescheides nach § 67 Abs. 10 ASVG ausschließt. Selbst wenn also nach dieser Rechtsprechung eine zwischen dem Geschäftsführer einer GmbH und der Gebietskrankenkasse geschlossene vertragliche Vereinbarung über die Zahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge die (öffentlich-rechtliche) Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG weder zu mindern, noch die bescheidmäßige Feststellung dieser Haftung zu ersetzen vermag, so ändert dies im Falle des Bestehens (auch) einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage für die Haftung nichts an der grundsätzlichen Wirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung. Die aufgrund einer solchen Vereinbarung geleisteten Zahlungen mindern im Übrigen auch das Ausmaß der aufgrund einer Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG geschuldeten Beiträge. Die aufgrund einer an die Haftung des Geschäftsführers nach § 1311 ABGB anknüpfenden vertraglichen Vereinbarung geleisteten Zahlungen sind daher keine zu Ungebühr geleisteten Beiträge im Sinne des § 69 ASVG.

5. Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 12. September 2012

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