VwGH 2011/03/0112

VwGH2011/03/011222.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der B GmbH in M, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 7. März 2011, Zl 20625-VU78/1596/20-2011, betreffend luftfahrtrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

LuftfahrtG 1958 §9 Abs1;
LuftfahrtG 1958 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
LuftfahrtG 1958 §9 Abs1;
LuftfahrtG 1958 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung zur Durchführung von neun Außenabflügen und Außenlandungen pro Jahr mit einem näher bezeichneten Hubschrauber auf einem näher genannten Grundstück in M gemäß § 9 Abs 2 des Luftfahrtgesetzes, BGBl Nr 253/1957 idF BGBl I Nr 83/2008 (LFG), ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Gemeinde M habe sich gegen die beantragte Bewilligung ausgesprochen, weil der geplante Landeplatz im Flächenwidmungsplan als erweitertes Wohngebiet gewidmet sei und sich im Nahbereich ein Landschaftsschutzgebiet befinde. Sie habe ausgeführt, dass der Siedlungsschwerpunkt K durch den Lärm der Hubschrauberlandungen erheblich und für die Bevölkerung unzumutbar beeinträchtigt und belästigt würde. Weiters würde das Weidevieh auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen gefährdet sowie die unmittelbar angrenzende Eigenjagd der Gemeinde stark beeinträchtigt. Der Flugplatz Z in einer Entfernung von nur wenigen Kilometern sei gut erreichbar und es sei kein Grund ersichtlich, warum ein Zahnambulatorium für Patienten einen eigenen Hubschrauberlandeplatz benötige. Die Gemeinde M sei sowohl touristisch als auch landwirtschaftlich ausgerichtet, sehe in den neuen Belastungen durch Hubschrauberflüge eine massive Gefährdung und Beeinträchtigung der Siedlung K und spreche sich daher ausdrücklich gegen die Erteilung der Bewilligung aus. Seitens des Naturschutzfachdienstes des Amtes der Salzburger Landesregierung seien ebenfalls Einwände gegen die Erteilung der luftfahrtrechtlichen Bewilligung erhoben worden. Zusammenfassend sei eingewendet worden, dass Hubschrauberflüge eine erhebliche Beeinträchtigung des Naturhaushaltes und des Erholungswertes verursachen würden. In der Umgebung des geplanten Start- und Landeplatzes befänden sich naturschutzrechtlich geschützte Gebiete, die eine besondere Bedeutung für die Fauna der Umgebung hätten. Unter anderem befinde sich das Landschaftsschutzgebiet L in einer Entfernung von knapp 100 m zum geplanten Landeplatz, welches der Erhaltung des besonders hohen landschaftsästhetischen Wertes des Gebietes und des hohen Erlebnis- und Erholungswertes der charakteristischen Naturlandschaft und der naturnahen Kulturlandschaft diene. In weiterer Entfernung befänden sich weiters das Landschaftsschutzgebiet Z (Entfernung 3,3 km), das Naturschutzgebiet Z (Entfernung 7,1 km) sowie der geschützte Landschaftsteil V (Entfernung 5,7 km). Die Schutzgebiete würden eine Vielzahl an Tierarten beherbergen, die auf Störungen sensibel reagierten.

Zu den Einwänden habe die Beschwerdeführerin zusammenfassend mitgeteilt, dass der Ordinationsbetrieb ca fünf Minuten vom beantragten Außenlandeplatz entfernt sei. Bei einer dringenden Rückreise wegen medizinischer Probleme eines Patienten könne dadurch - im Vergleich zur optimalen Verkehrssituation zwischen Flugplatz Z und Ordination - zumindest eine Stunde Zeit gewonnen werden. Bei Ausfall einer kritischen Schlüsseltechnologie im Ordinationsbetrieb könne einerseits der gesamte Betrieb zum Stillstand kommen (volkswirtschaftlicher Schaden), andererseits die geplanten Patientenversorgungen (volksmedizinischer Schaden) nicht durchgeführt werden. Im zu errichtenden Gebäude auf der Parzelle für die Außenlandungen würden auch Behandlungen in Vollnarkose stattfinden. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, dass im Bedarfsfall ein (genehmigter) Landeplatz für einen Rettungsflug vorhanden sei. Der Flugplatz Z sei aufgrund der Nebellage mehrmals unbenutzbar gewesen, während der Bereich des beantragten Außenlandeplatzes zur gleichen Zeit nebelfrei und somit benutzbar gewesen wäre. Schließlich würden viele bauliche und häusliche Tätigkeiten eine stärkere Lärmbelästigung verursachen als Flugbewegungen des gegenständlichen Hubschraubers. Da es auch im öffentlichen Interesse gelegen sei, dass die Beschwerdeführerin in Notsituationen, wie bei Freizeitunfällen oder Autounfällen, Außenstarts und Außenlandungen durchführen dürfe, um rasch ärztliche Hilfe leisten zu können, sei ihr die Bewilligung zu erteilen.

Nach Ansicht der belangten Behörde überwiege das öffentliche Interesse des Lärmschutzes der ansässigen Bevölkerung sowie des Naturschutzes im gegenständlichen Fall gegenüber den angegebenen volkswirtschaftlichen und volksmedizinischen Interessen. In der Nähe des geplanten Außenlandeplatzes befinde sich der Flugplatz Z, der laut Routenplaner in einer Fahrzeit von 11 Minuten erreichbar sei, sodass die angeführte Patientenversorgung als gesichert erscheine. Für allfällige Rettungsflüge sei im Übrigen keine Bewilligung für Außenlandungen und Außenabflüge notwendig und es müsse dafür kein genehmigter Außenlandeplatz vorhanden sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs 1 LFG dürfen zum Abflug und zur Landung von Luftfahrzeugen, soweit nicht in den Abs 2 bis 4 und in § 10 etwas anderes bestimmt ist, nur Flugplätze benützt werden.

Gemäß § 9 Abs 2 LFG dürfen Abflüge und Landungen außerhalb eines Flugplatzes (Außenabflüge und Außenlandungen), soweit es sich um Zivilluftfahrzeuge handelt, nur mit Bewilligung des Landeshauptmannes durchgeführt werden. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen oder ein am Außenabflug oder an der Außenlandung bestehendes öffentliches Interesse ein allenfalls entgegenstehendes öffentliches Interesse überwiegt. Die Bewilligung ist befristet und, insoweit dies zur Wahrung der öffentlichen Interessen erforderlich ist, mit Bedingungen und Auflagen zu erteilen.

Nach § 10 Abs 1lit b LFG gelten die Bestimmungen des § 9 (unter anderem) nicht für Landungen und Abflüge im Zuge von Rettungs- oder Katastropheneinsätzen (zur Begriffsbestimmung von "Rettungsflügen" vgl im Übrigen § 2 der Zivilluftfahrzeug-Ambulanz- und Rettungsflugverordnung, BGBl Nr 126/1985 idF BGBl II Nr 372/2002).

2. § 9 Abs 1 LFG normiert grundsätzlich einen Flugplatzzwang. Für Außenabflüge und Außenlandungen hat der Landeshauptmann gemäß § 9 Abs 2 leg cit auf Grund eines Antrages auf Erteilung einer Bewilligung zu prüfen, ob der Erteilung der Bewilligung öffentliche Interessen entgegenstehen oder ein am Außenabflug oder an der Außenlandung bestehendes öffentliches Interesse ein allenfalls entgegenstehendes öffentliches Interesse überwiegt.

In diesem Zusammenhang wurde in der hg Rechtsprechung bereits wiederholt erkannt, dass der Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren und störenden Einwirkungen der Luftfahrt, zu dem auch die Hintanhaltung von Gefährdungen und Belästigungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Außenabflügen und Außenlandungen gehört, grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt. Dies gilt - vor allem mit Blick auf den Schutz der Anrainer - insbesondere auch für die Vermeidung von Lärm (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 26. März 2012, Zl 2009/03/0056). Überhaupt stellt § 9 Abs 2 LFG auf die Berücksichtigung des gesamten Spektrums der in jedem Einzelfall in Betracht kommenden öffentlichen Interessen ab. Insoweit sind naturschutzrechtliche Einwände gegen die Bewilligung genauso beachtlich, wie umgekehrt etwa auch die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte volksmedizinische Versorgung in die Abwägung einzufließen hat.

Ob und gegebenenfalls welche öffentlichen Interessen für die beantragte Bewilligung sprechen oder der Erteilung der Bewilligung entgegenstehen, hängt von den im Einzelfall konkret gegebenen Umständen ab (vgl etwa zuletzt das hg Erkenntnis vom 24. Juli 2012, Zl 2009/03/0069, mwN).

3. Im gegenständlichen Fall werden somit entgegengesetzte öffentliche Interessen geltend gemacht, die eine Abwägung iSd § 9 Abs 2 2. Satz LFG erforderlich machen.

Der angefochtene Bescheid lässt aber eine nachprüfende Kontrolle, ob sich die belangte Behörde bei dieser Abwägung im Rahmen des ihr zukommenden Beurteilungsspielraumes gehalten hat, nicht zu, weil die belangte Behörde sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf beschränkt hat, das Vorbringen der Beschwerdeführerin und die dagegen erhobenen Einwände wiederzugeben, sie aber keine Sachverhaltsfeststellungen zu den maßgeblichen Umständen getroffen hat.

Um das öffentliche Interesse an der Bewilligung der beantragten Außenabflüge und -landungen beurteilen zu können, wäre es erforderlich gewesen, die von der Beschwerdeführerin offenbar in der Nähe zum geplanten Landeplatz angebotenen medizinischen Leistungen zu umschreiben und näher darzulegen, ob und in welcher Weise diese Leistungen durch die beantragten Außenabflüge und - landungen (positiv) beeinflusst werden können. Dabei spielt auch eine Rolle, ob diese Leistungen auch durch Benützung des nahegelegenen Flugplatzes Z in gleicher Weise gesichert sind bzw verneinendenfalls, in welchen Fällen - unter Berücksichtigung des § 10 Abs 1 lit b LFG - ein (genehmigungspflichtiger) Außenabflug oder eine (genehmigungspflichtige) Außenlandung tatsächlich erforderlich sind. Insofern ist auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin in Prüfung zu ziehen, ob und wie häufig der Flughafen Z - anders als der geplante Start- bzw Landeort - wetterbedingt nicht angeflogen werden kann.

Für die Einschätzung jener öffentlichen Interessen, die gegen die beantragten Außenabflüge und -landungen sprechen, sind insbesondere Feststellungen zur Lage des Start- und Landeplatzes (einschließlich der in der Nachbarschaft befindlichen Wohngebäude, Siedlungsräume, jagd- und naturschutzrechtlich relevanten Gebiete), zur geplanten Flugroute, zum bereits vorhandenen Geräuschpegel und zur Geräuschemission des gegenständlich verwendeten Hubschraubers erforderlich.

Da der angefochtene Bescheid diese Sachverhaltsgrundlagen vermissen lässt, war er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 22. Oktober 2012

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