VwGH 2010/17/0228

VwGH2010/17/022822.8.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde 1. der Mag. E und 2. des Dr. P, beide in W, beide vertreten durch Mag. Elisabeth Müller-Ozlberger, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Johann Strauß-Gasse 41/9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. April 2010, Zl. IVW3-BE-3222001/023-2010, betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde W), zu Recht erkannt:

Normen

32000L0060 Wasserrahmen-RL Art2 Z38;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art9 Abs1;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art9;
61999CJ0462 Connect Austria VORAB;
62003CJ0105 Pupino VORAB;
62008CJ0254 Futura Immobiliare VORAB;
BAO §289 Abs2;
EURallg;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §10 Abs5;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §10;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §12;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §5 Abs1;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §5 Abs2;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §9 Abs2;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §9;
GdwasserleitungsG NÖ 1978;
KanalG NÖ 1977 §5;
KanalG NÖ 1977;
VwRallg;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art2 Z38;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art9 Abs1;
32000L0060 Wasserrahmen-RL Art9;
61999CJ0462 Connect Austria VORAB;
62003CJ0105 Pupino VORAB;
62008CJ0254 Futura Immobiliare VORAB;
BAO §289 Abs2;
EURallg;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §10 Abs5;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §10;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §12;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §5 Abs1;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §5 Abs2;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §9 Abs2;
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §9;
GdwasserleitungsG NÖ 1978;
KanalG NÖ 1977 §5;
KanalG NÖ 1977;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 25. November 2009 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 5 Niederösterreichisches Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230 (im Folgenden NÖ KanalG 1977), und der Kanalabgabenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde, unter Zugrundelegung einer Fläche 463,47 m2 ab 1. September 2009 eine Kanalbenützungsgebühr in der Höhe eines Jahresbetrages von EUR 1.325,50 vorgeschrieben.

1.2. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung und brachten vor, dass bei Ermittlung der Berechnungsfläche unrichtigerweise die Mauerstärke und das Stiegenhaus miteinbezogen worden wären. Würde die Berechnungsfläche "sogar" 700 m2 betragen, könnte die Härteklausel des § 5b NÖ KanalG 1977 angewendet werden und es ergäbe sich (bei der in dieser Vorschrift maximal vorgesehenen Reduzierung von 80 %) eine Gebühr von EUR 400,40. Dass bei Zugrundelegung einer viel größeren Berechnungsfläche die Gebühr viel niedriger sein könnte, als die den Beschwerdeführern vorgeschriebene, sei gleichheitswidrig. Aufgrund der Tatsache, dass in ihrem Haus nur zwei Erwachsene und zwei Kinder wohnten, wäre eine Kanalgebühr von maximal EUR 400 gerechtfertigt.

1.3. Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. März 2010 wurde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung.

1.4. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Anführung der nach Ansicht der belangten Behörde maßgebenden rechtlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass nach § 1a Z 1 NÖ KanalG 1977 der Grundstücksteil, der von den äußersten Begrenzungen des Grundrisses des Gebäudes verdeckt werde, als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Auf die Mauerstärke oder Wohnnutzfläche komme es nach dieser Bestimmung nicht an. Auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsprinzips sei es nicht geboten, bei der Regelung über die Ermittlung der Berechnungsfläche nach dem Alter der Baulichkeiten, die sich auf den verbauten Flächen befänden, und der Stärke ihrer Mauern zu differenzieren (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1998, Zl. 97/17/0341).

Die im Beschwerdefall als Berechnungsfläche zugrundegelegte Fläche diene ausschließlich Wohnzwecken, sodass grundsätzlich (im Falle eines benützbaren Stiegenhauses) keine der in § 1a Z 7 NÖ KanalG 1977 umschriebenen Nutzungsarten vorliege. Somit ergebe sich die Einbeziehung in die Berechnungsfläche aus dem Gesetz, da das Stiegenhaus auch zur Geschoßfläche im Sinne des § 5 Abs. 3 erster Satz NÖ KanalG 1977 zähle (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 20. März 2003, Zl. 2002/17/0276, und vom 20. November 2002, Zl. 2002/17/0155).

Die Härteklausel des § 5b NÖ KanalG 1977 sei im Gesetz verankert worden, um Härten zu entschärfen, die sich daraus ergäben, dass die Höhe der Gebühr nicht dem Nutzen aus dem Anschluss bzw. der Benützungsmöglichkeit entspreche. Beispielhaft würden hier immer wieder Personen genannt, die in großen Objekten leben würden. Missverhältnisse zwischen der Höhe der Kanalbenützungsgebühr und dem Kostenaufwand könnten auch daraus entstehen, dass große Flächen berechnet würden, weil sie über einen Anschluss verfügten, jedoch von diesem Anschluss nur eine geringe Menge an Abwässer in den Kanal gelangten. Die 700 m2 Berechnungsfläche stellten dabei eine absolute Größe dar, zumal die durchschnittlichen Einfamilienhäuser bei typisierender Betrachtung diese Flächen nicht erreichten und Härtefälle nur bei einem groben Missverhältnis zwischen Inanspruchnahme des Kanals und der Größe eines Objektes denkbar seien. Im Beschwerdefall sei aber bei vier im Haushalt lebenden Personen und einer Berechnungsfläche von 436 m2 auch kein grobes Missverhältnis erkennbar. Dies auch deshalb, weil nach § 5b NÖ KanalG 1977 dieses grobe Missverhältnis nur dann vorliegen könne, wenn die Schmutzfracht pro 300 m2 Berechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung geringer als ein Einwohnergleichwert (EGW) sei. Im Beschwerdefall liege aber eine Schmutzfracht von 2,5 EGW vor. Daneben sei hervorzuheben, dass durch die Anwendbarkeit der Gebäudeteilregelung, welche auch bei Flächen von weniger als 700 m2 anzuwenden sei, eine wesentliche und sachgerechte Reduzierung von Berechnungsflächen ermöglicht worden sei.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 29. September 2010, B 800/10-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

1.6. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde machen die Beschwerdeführer geltend, in ihrem Recht auf Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr entsprechend der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik bzw. unter Berücksichtigung der in Art. 9 dieser Richtlinie zu Grunde gelegten Grundsätze bei Anwendung des NÖ KanalG 1977 sowie in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung einer EUR 400 übersteigenden Kanalbenützungsgebühr verletzt zu sein.

1.7. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die Beschwerdeführer brachten eine Replik zur Gegenschrift ein.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NÖ KanalG 1977 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. 8230-7 haben folgenden auszugsweisen Wortlaut:

"§ 1a

Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

6. Geschoßfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche;

7. Gebäudeteil: ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines

Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.

§ 5

Kanalbenützungsgebühr

(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.

(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

§ 5b

Vermeidung von Härtefällen

(1) Ergibt sich bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr ein offensichtliches Missverhältnis, zwischen der berechneten Höhe und dem verursachten Kostenaufwand, so ist die Kanalbenützungsgebühr entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme, unter Berücksichtigung der sonst in der Gemeinde zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühren höchstens jedoch um 80 % zu vermindern.

(2) Ein offensichtliches Missverhältnis im Sinne des Abs. 1 liegt jedenfalls vor, wenn die Schmutzfracht pro 300 m2 Berechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung geringer als ein EGW ist.

(3) Eine Verminderung der Kanalbenützungsgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn die Berechnungsfläche mehr als 700 m2 beträgt."

2.1.2. Die für die Beurteilung der Rechtslage betreffend die Gebühren für Wasserdienstleistungen im Lichte des Unionsrechts, nämlich des Art. 9 Abs. 1 Wasserrahmenrichtlinie, ebenfalls relevanten Regelungen über die Einhebung von Gebühren für die Wasserversorgung sind im Land Niederösterreich im Gemeindewasserleitungsgesetz, LGBl Nr. 6930-6, enthalten und lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 5

Wasserversorgungsabgaben, Wassergebühren

(1) Die Gemeinden werden gemäß § 8 Abs. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, Wasserversorgungsabgaben (Wasseranschlussabgabe, Ergänzungsabgabe, Sonderabgabe) zu erheben, die anlässlich des Anschlusses an die Gemeindewasserleitung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu entrichten sind.

(2) In jenen Gemeinden, in denen auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung Wassergebühren (Bereitstellungsgebühr, Wasserbezugsgebühr) erhoben werden, gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes.

§ 9

Bereitstellungsgebühr

(1) Für die Bereitstellung der Gemeindewasserleitung ist jährlich eine Bereitstellungsgebühr zu entrichten.

(2) Die Bereitstellungsgebühr ist das Produkt der Nennbelastung des Wasserzählers (in m3/h) mal einem Bereitstellungsbetrag. Der Bereitstellungsbetrag ist so festzusetzen, dass der Jahresertrag an Bereitstellungsgebühren 50 % des Jahresaufwandes (§ 10 Abs. 5) nicht übersteigt. Er hat mindestens EUR 1,80 (pro m3/h) zu betragen und gilt einheitlich für alle Wasserzählergrößen.

(3) Werden Wasserzähler verschiedener Nennbelastung eingebaut, so ist die Bereitstellungsgebühr entsprechend zu staffeln.

(4) Die Bereitstellungsgebühr ist, allenfalls im Sinne des Abs. 3 gestaffelt, in die Wasserabgabenordnung aufzunehmen.

§ 10

Wasserbezugsgebühr

(1) Für den Wasserbezug aus der Gemeindewasserleitung ist eine Wasserbezugsgebühr zu entrichten.

(2) Die Wasserbezugsgebühr ist derart zu berechnen, dass die vom Wasserzähler innerhalb eines Ablesungszeitraumes als verbraucht angezeigte Wassermenge in Kubikmeter mit der für einen Kubikmeter festgesetzten Grundgebühr vervielfacht wird.

(3) Als verbrauchte Wassermenge hat die Differenz zwischen der vom Wasserzähler am Ende des Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl abzüglich der am Ende des vorhergegangenen Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl zu gelten.

(4) Der Ablesungszeitraum ist vom Gemeinderat in der Wasserabgabenordnung festzusetzen und darf nicht kürzer als zwei Monate sein.

(5) Die Höhe der Grundgebühr ist in Euro pro Kubikmeter so festzusetzen, dass der voraussichtliche Jahresertrag an Wasserversorgungsabgaben und Wassergebühren den für die Erhaltung und den Betrieb der Gemeindewasserleitung sowie die Verzinsung und Tilgung der Anlagekosten erforderlichen voraussichtlichen doppelten Jahresaufwand nicht übersteigt. Die Grundgebühr darf nicht höher sein als das Doppelte des nach der Anlage 1 errechneten Wertes.

(6) Die Grundgebühr kann für Unternehmungen und Betriebe mit großem Wasserverbrauch bis auf 70 vom Hundert herabgesetzt werden. Eine Abstufung nach der Größe des Wasserverbrauches ist zulässig.

(7) Wird die Grundgebühr neu festgesetzt, so tritt die Änderung mit dem Beginn des Ablesungszeitraumes in Kraft, der dem Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist zunächst folgt.

(8) Wenn die Richtigkeit der vom Wasserzähler angezeigten Wassermenge bestritten und dessen Prüfung beantragt wird, so hat die Gemeinde die Prüfung durch die Eichbehörde zu veranlassen und den Wasserzähler während der gesamten Verfahrensdauer aufzubewahren. Ergibt die Prüfung, dass die Wassermenge richtig gemessen wird, hat der Abgabenschuldner der Gemeinde die Prüfungskosten zu ersetzen. Die Wassermenge gilt auch dann als richtig gemessen, wenn die Abweichung nicht mehr als 5 vom Hundert beträgt. Beträgt die Abweichung mehr als 5 vom Hundert, ist die Wassermenge zu schätzen.

(9) Bei Einschränkung des Wasserbezuges auf Grund der Bestimmungen des NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes sowie bei Druckabfall oder nicht gesundheitsschädlicher Änderung der Wasserbeschaffenheit hat der Abgabenpflichtige keinen Anspruch auf Ermäßigung der Abgabe.

§ 12

Wasserabgabenordnung

Der Gemeinderat hat gleichzeitig mit der Verordnung über die Ausschreibung der Wasserversorgungsabgaben und der Wassergebühren

eine Wasserabgabenordnung zu beschließen.

Diese hat zu enthalten:

a) den Einheitssatz und dessen Berechnungsgrundlagen

(§ 6);

b) die Bereitstellungsgebühr und deren

Berechnungsgrundlagen (§ 9);

  1. c) den Ablesungszeitraum (§ 10 Abs. 4);
  2. d) die Grundgebühr (§ 10 Abs. 5)."

2.1.3. Art. 2 Z 38 und Art. 9 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie, WRRL) lauten:

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

38. 'Wasserdienstleistungen': alle Dienstleistungen, die für Haushalte, öffentliche Einrichtungen oder wirtschaftliche Tätigkeiten jeder Art folgendes zur Verfügung stellen:

a) Entnahme, Aufstauung, Speicherung, Behandlung und Verteilung von Oberflächen- oder Grundwasser;

b) Anlagen für die Sammlung und Behandlung von Abwasser, die anschließend in Oberflächengewässer einleiten;"

"Artikel 9

Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen

(1) Die Mitgliedstaaten berücksichtigen unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Analyse gemäß Anhang III und insbesondere unter Zugrundelegung des Verursacherprinzips den Grundsatz der Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten.

Die Mitgliedstaaten sorgen bis zum Jahr 2010 dafür,

(2) Die Mitgliedstaaten berichten in ihren Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete die geplanten Schritte zur Durchführung von Absatz 1, die zur Verwirklichung der Umweltziele dieser Richtlinie beitragen werden, sowie über den Beitrag der verschiedenen Wassernutzungen zur Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen.

(3) Dieser Artikel steht der Finanzierung besonderer Vorbeuge- oder Abhilfemaßnahmen zur Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie in keiner Weise entgegen.

(4) Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn sie beschließen, in Übereinstimmung mit eingeführten Praktiken die Bestimmungen von Absatz 1 Unterabsatz 2 und damit zusammenhängend die einschlägigen Bestimmungen von Absatz 2 auf eine bestimmte Wassernutzung nicht anzuwenden, sofern dadurch die Zwecke dieser Richtlinie und die Verwirklichung ihrer Ziele nicht in Frage gestellt werden. Die Mitgliedstaaten stellen in den Bewirtschaftungsplänen für die Einzugsgebiete dar, aus welchen Gründen sie Absatz 1 Unterabsatz 2 nicht in vollem Umfang anwenden."

2.2. Die Beschwerde bringt vor, die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr allein nach der Geschoßfläche wie sie in § 5 Abs. 2 und 3 NÖ KanalG 1977 vorgesehen sei, entspreche nicht den europarechtlichen Vorgaben, da sie gar nichts mit der Verursachung bzw. dem Ausmaß der Kanalbenützung zu tun habe. Anreize, Wasserressourcen - unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips -

effizient zu nutzen, könnte nur eine verbrauchsabhängige Abgabe bewirken. Eine solche könnte verwaltungsökonomisch etwa am Wasserverbrauch anknüpfen. Die Maßnahmen des Art. 9 WRRL seien bis zum Jahr 2010 zu setzen gewesen. Da § 5 NÖ KanalG 1977 Art. 9 WRRL widerspreche, hätte die belangte Behörde diese Bestimmung nicht anwenden dürfen, sondern vielmehr eine verursachensabhängige Gebühr, die Anreize zum sparsamen Umgang mit den Wasserressourcen schaffe und den Umweltzielen der WRRL entspreche, vorzuschreiben gehabt. Das NÖ KanalG 1977 verstoße hinsichtlich der Bemessung der Kanalbenützungsgebühr offensichtlich gegen Art. 9 Abs. 1 Wasserrahmenrichtlinie, weil weder das Verursacherprinzip berücksichtigt werde noch angemessene Anreize für die Benutzer, Wasserressourcen effizient zu nutzen, enthalten seien. Es wird daher auch angeregt, dem EuGH die Vorabentscheidungsfrage vorzulegen, ob Art. 9 WRRL einer nationalen Regelung entgegen stehe, die für die Berechnung der Kanalbenutzungsabgabe allein auf die Geschoßfläche abstelle und dabei auch die Dicke der Außenmauern berücksichtige. Die Beschwerdeführer verweisen dabei darauf, dass damit derjenige, der sein Haus besser isoliere, bei gleicher Wohnnutzfläche benachteiligt werde.

2.3. Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist die den Beschwerdeführern mit Dauerbescheid (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. März 2001, Zl. 97/17/0461, zum NÖ KanalG 1977) ab 1. September 2009 vorgeschriebene Kanalbenützungsgebühr.

Art. 9 WRRL war nach dessen Wortlaut bis zum Jahr 2010 umzusetzen. Für den Bemessungszeitraum 1. September bis 31. Dezember 2009 war die genannte Bestimmung daher zwar mangels Ablaufs der Umsetzungsfrist in keinem Fall unmittelbar anwendbar (es erübrigt sich im Lichte der unten stehenden Überlegungen auch, auf die Frage der nach der Rechtsprechung des EuGH anzunehmenden Vorwirkungen von Richtlinienregelungen - vgl. dazu Ranacher/Frischhut, Handbuch Anwendung des EU-Rechts, 105 - einzugehen). Für Bemessungszeiträume ab dem 1. Jänner 2010 sind jedoch die geltend gemachten unionsrechtlichen Bedenken zu beachten.

Die Berufungsbehörde hätte daher mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. April 2010 gemäß § 289 Abs. 2 BAO den mit Berufung bekämpften Bescheid gegebenenfalls entsprechend abzuändern gehabt, wenn die Abgabenfestsetzung nicht im Einklang mit Art. 9 Wasserrahmenrichtlinie stehen sollte, weil insoweit von einer Rechtslagenänderung auszugehen wäre (vgl. zu einer Rechtslagenänderung vor der Entscheidung der Berufungsbehörde über die Abgabenfestsetzung durch einen Dauerbescheid das hg. Erkenntnis vom 19. März 2001, Zl. 97/17/0461).

2.4. Zu den unionsrechtlichen Bedenken ist auf Folgendes zu verweisen:

2.4.1. Zunächst ist festzustellen, dass im Hinblick auf Art. 2 Z 38 Wasserrahmenrichtlinie die Bereitstellung von Kanalisationsanlagen, "die anschließend in Oberflächengewässer einleiten", zu den Wasserdienstleistungen zählt. Art. 9 Abs. 1 Wasserrahmenrichtlinie bezieht sich daher auch auf die Gebühren für die Benützung von Kanalisationsanlagen (vgl. auch die - bereits vor der Erlassung der Wasserrahmenrichtlinie ergangene - Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss, Die Wasserpreisgestaltung als politisches Instrument zur Förderung eines nachhaltigen Umgangs mit Wasserressourcen, Kom (2000) 477 endgültig, in der unter den "Wasserpreisen" auch die Preise für die Wasserentsorgung verstanden werden, sowie Desens, Wasserpreisgestaltung nach Artikel 9 EG-Wasserrahmenrichtlinie, 2008, passim und insbesondere 136 und 139 ff).

2.4.2. Auch wenn somit die in Art. 9 Abs. 1 Wasserrahmenrichtlinie enthaltenen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten grundsätzlich auch die Kanalbenützungsgebühren erfassen, ergibt sich daraus noch nicht, dass die Verpflichtung, bis zum Jahr 2010 dafür zu sorgen, dass "die Wassergebührenpolitik angemessene Anreize für die Benutzer darstellt, Wasserressourcen effizient zu nutzen", die Verpflichtung enthält, auch in Gebührenordnungen für die Wasserentsorgung derartige Anreize zu verankern.

Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Beschwerdeführern insoweit, als er die Auffassung teilt, dass die für die Abgabenvorschreibung maßgebliche Rechtslage nach dem NÖ KanalG 1977 keine Anreize zur effizienten Nutzung der Wasserressourcen enthält. Dieser Aspekt einer "effizienten Wassernutzung" wird daher durch die vorliegende Kanalbenützungsgebührenordnung nicht berücksichtigt. Daraus folgt jedoch noch nicht, dass die Gebührenpolitik im Land Niederösterreich insgesamt keine derartigen Anreize enthielte.

Da die Kanalbenützungsgebühr nur eine der von Art. 9 Abs. 1 Wasserrahmenrichtlinie erfassten Gebühren ist und Art. 9 Abs. 1 Wasserrahmenrichtlinie insbesondere auch die Wasserbezugsgebühren erfasst, kann die nationale Rechtsordnung (im vorliegenden Fall die Niederösterreichische Rechtsordnung) derartige Anreize auch in der Gebührenordnung für den Wasserbezug enthalten. Der Befund, dass die Kanalbenützungsgebührenordnung keine Anreize zum Wassersparen enthalte, besagt somit noch nicht, dass in Niederösterreich nicht der Verpflichtung nach Art. 9 Abs. 1 Wasserrahmenrichtlinie entsprochen worden wäre.

Aus den unter Punkt 2.1.2. wiedergegebenen Vorschriften betreffend die für die Wasserversorgung zu entrichtenden Gebühren ergibt sich (vgl. insbesondere § 10 Abs. 2 Gemeindewasserleitungsgesetz), dass die Gebühr, die in Niederösterreich für den laufenden Wasserbezug zu entrichten ist, wesentlich vom konkreten Wasserverbrauch abhängt. Es ist einerseits ein nach § 9 Abs. 2 des Gesetzes zu berechnender (von der Größe des Wasserzählers abhängiger) fixer Betrag, der für die Bereithaltung der Wasserversorgungsanlage zu entrichten ist, und ein variabler Betrag, der vom Wasserverbrauch abhängig ist, zu bezahlen.

Da der Bereitstellungsbeitrag gemäß § 9 Abs. 2 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz so festzusetzen ist, "dass der Jahresertrag an Bereitstellungsgebühren 50 % des Jahresaufwandes (§ 10 Abs. 5) nicht übersteigt", ist die für den Wasserbezug zu entrichtende Gebühr zu mindestens 50 % verbrauchsabhängig. Damit bestehen im Land Niederösterreich im Gebührenrecht für die Wasserdienstleistungen Anreize zur effizienten Nutzung der Wasserressourcen (vgl. wiederum die oben erwähnte Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss, Kom (2000) 477 endgültig, Punkt 3.2., "Preisstrukturen sollten ein variables Element beinhalten, …"; weiters - wenn auch rein beschreibend - Österreichischer Bericht zu Artikel 9 der EU Wasserrahmenrichtlinie, März 2009, 15).

Das Fehlen von Anreizen zur effizienten Nutzung der Wasserressourcen auch in der Gebührenordnung für die Kanalgebühren ist daher unionsrechtlich nicht bedenklich.

2.4.3. Es ist vielmehr durchaus plausibel, derartige Anreize bei der Bemessung der Wasserbezugsgebühren zu geben, entscheidet doch primär der Wasserbezug darüber, ob Wasser effizient verwendet wird (vgl. auch den Hinweis auf technische Schwierigkeiten für eine exakte Erfassung von Abwassermengen und damit eine von diesen Mengen abhängige Gebührenbemessung im Österreichischen Bericht zu

Artikel 9 der EU Wasserrahmenrichtlinie, März 2009, 15). Andererseits entspricht es sowohl der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Berechnung der Kanalgebühren in einer zwar typisierenden, aber jedenfalls der tatsächlichen Belastung der Kanalanlage entsprechenden Weise, als auch gerade dem in der Wasserrahmenrichtlinie verankerten Verursacherprinzip, auf welches die Beschwerdeführer ebenfalls hinweisen, wenn die Gebühr für die Benützung der Kanalanlage nach Möglichkeit in Abhängigkeit von der Belastung der Anlage berechnet wird. Diesem Ziel würde etwa die von den Beschwerdeführern genannte "verbrauchsabhängige" Abgabe nach dem Wasserbezug nicht unbedingt besser als das im NÖ KanalG 1977 normierte System entsprechen, weil die in den Kanal abgegebene Wassermenge stark von der bezogenen Menge abweichen kann. Eine Korrekturmöglichkeit für derartige Fälle, in denen die typisierende Betrachtungsweise zu unbilligen Ergebnissen führt (wie sie das NÖ KanalG 1977 mit § 5b NÖ KanalG 1977 enthält), wäre daher auch in diesem Fall geboten (und ist beispielsweise in der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid genannten Wiener Landesrechtsordnung, in der grundsätzlich der Wasserverbrauch auch für die Berechnung der Abwassergebühr herangezogen wird, mit § 13 Abs. 1 Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978, LGBl. Nr. 2/1978, auch vorgesehen).

2.4.4. Solange die vom Landesgesetzgeber bzw. dem Verordnungsgeber auf Gemeindeebene vorgesehene Berechnungsweise bei einer typisierenden Betrachtungsweise eine Abstufung der Höhe der Kanalbenützungsgebühren entsprechend der unterschiedlichen Belastung der Kanalanlagen durch die Benützer vornimmt, hat der Verfassungsgerichtshof unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken gegen (auch durchaus verschiedene) Regelungen der Bemessung der Kanalbenützungsgebühr geäußert (vgl. konkret zur hier anwendbaren Regelung des NÖ KanalG 1977 das auch von der belangten Behörde genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 2001, Slg. 16.319, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1992, VfSlg. 13.310). In gleicher Weise entspricht eine derartige Regelung aber auch dem unionsrechtlichen Verursacherprinzip (vgl. auch die Haltung der Kommission, wie sie in der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss, Kom (2000) 477 endgültig, bzw. in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 22. Juni 2012, C(2012) 3912 final, im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2006/4634 gegen Österreich zum Ausdruck kommt; vgl. weiters das Informationspapier betreffend eine Common Implementation Strategy der Working Group 2B im Auftrag der Drafting Group ECO1, Final version vom 5. Mai 2004, Punkt 2, wo auf die Aufgabenstellung, die Bedeutung des "Polluter Pays Principle" im Zusammenhang mit der Kostentragung für Wasserdienstleistungen, und der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dieses "zu berücksichtigen", hingewiesen wird). Dass auch die Wasserrahmenrichtlinie keine (in verwaltungsökonomischer Weise wohl nicht erreichbare) punktgenaue Abrechnungsmethode (perfektionistische Berechnung der jeweiligen Anteile innerhalb der vom Gemeinschaftsrechtsgesetzgeber als Verursacher verstandenen Gruppen) verlangt, zeigt schon die grobe Anordnung in Art. 9 Abs. 1 zweiter Unterabsatz, zweiter Spiegelstrich, dass "die verschiedenen Wassernutzungen, die mindestens in die Sektoren Industrie, Haushalte, und Landwirtschaft" aufzugliedern seien, "unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips einen angemessenen Beitrag" zur Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen zu leisten hätten (vgl. dazu auch die eher unbestimmten Ausführungen in dem oben zitierten Informationspapier der Working Group 2B der Drafting Group ECO1, dem nicht zu entnehmen ist, dass die beteiligten Experten eine klare Vorstellung vom Inhalt dieser Richtlinienbestimmung hatten, bzw. die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 16. Juli 2009, Rs. C-254/08 , Futura Immobiliare u.a, zum Verursacherprinzip im Abfallrecht der Union nach Art. 15 Buchst. a der Richtlinie 2006/12/EG über Abfälle).

2.4.5. Auch eine von den Beschwerdeführern als der Wasserrahmenrichtlinie entsprechend angesehene Berechnung nach dem Wasserverbrauch könnte mit diesen Grundsätzen insofern in Konflikt geraten, als die Höhe des Wasserbezugs nicht zwingend auf die Beanspruchung des Kanalisationsnetzes schließen lässt, wenn man etwa an die Verwendung von Wasser zu Bewässerungszwecken denkt. Insoweit erscheint eine Rechtslage wie die hier vorliegende nach dem NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz und dem NÖ KanalG 1977, bei der der Anreiz zur verantwortungsvollen Verwendung von Wasser durch die Wasserbezugsgebühr erfolgt, sowohl mit den Vorgaben des Unionsrechts als auch mit den innerstaatlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von Gebührenordnungen vereinbar, zumal die Kanalbenützungsgebühr jedenfalls dem Gedanken des Verursacherprinzips Rechnung trägt.

Die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr nach den §§ 5 ff NÖ KanalG 1977 widerspricht daher nicht der Anordnung des Art. 9 Abs. 1 Wasserrahmenrichtlinie, die Gebührenordnung unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips zu gestalten.

2.5. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher schon deshalb nicht veranlasst, der Anregung in der Beschwerde auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zur Frage, ob Art. 9 WRRL einer nationalen Regelung entgegen stehe, die für die Berechnung der Kanalbenutzungsabgabe allein auf die Geschoßfläche abstelle und dabei auch die Dicke der Außenmauern berücksichtige, zu folgen. Im Übrigen ist auf die Überlegungen zur Frage einer unmittelbaren Anwendung nicht korrekt umgesetzter Richtlinienbestimmungen im hg. Erkenntnis vom 28. März 2011, Zl. 2010/17/0187, welches ebenfalls die Wasserrahmenrichtlinie betraf, zu verweisen.

2.6.1. Die Beschwerdeführer machen weiters geltend, dass - für den Fall, dass Art. 9 WRRL nicht ausreichend bestimmt sein sollte - die Bestimmungen des NÖ KanalG 1977 richtlinienkonform zu interpretieren seien.

So sei § 1a Abs. 6 NÖ KanalG 1977 dahingehend auszulegen, dass die Innenseite der Mauer für die Berechnung der Geschoßfläche maßgeblich sei. Das Abstellen auf die Außenseite der Mauer führe dazu, dass Personen, die durch dickere Mauern besser isolierten, gegenüber jenen benachteiligt würden, die eine geringere Mauerstärke und Isolierung verwendeten und damit Umweltschutzgedanken außer Acht ließen.

Die Garage der Beschwerdeführer sei durch eine bis zur obersten Geschoßdecke reichende Wand vom Haus getrennt (§ 1a Z 7 NÖ KanalG 1977), allerdings mit Türen zu diesem verbunden. Da der Umstand, ob die Garage mit Türen zum Haus ausgestattet sei oder nicht, nichts mit der Kostenverursachung der Kanalnutzung zu tun habe, wäre auch hier bei richtlinienkonformer Interpretation die Garagenfläche bei der Berechnung der Geschoßfläche auszuklammern.

Auch der Luftraum, wie die unverbaute Fläche über den Stiegen, wäre bei richtlinienkonformer Interpretation nicht in die Geschoßfläche miteinzubeziehen, da auch hier kein Zusammenhang mit der Kostenverursachung bestehe.

Darüber hinaus biete § 5b NÖ KanalG 1977 die Möglichkeit, unsachlich hohe Kanalbenützungsgebühren zu vermeiden. Zwar werde diese Bestimmung durch Abs. 3 auf Fälle eingeschränkt, in denen die Berechnungsfläche über 700 m2 liege; die Nichtanwendung des § 5b Abs. 3 NÖ KanalG 1977 bzw. eine analoge Anwendung auf Fälle, in denen die Berechnungsfläche gemessen am Verursacherprinzip unverhältnismäßig hoch sei, käme jedoch den in der WRRL definierten Zielen entgegen und entspräche einer europarechtskonformen Interpretation. Rechtsrichtig hätte diese Bestimmung auf die Beschwerdeführer Anwendung zu finden gehabt, sodass diesen eine Kanalbenützungsgebühr von höchstens EUR 400,40 hätte vorgeschrieben werden dürfen.

2.6.2. Auch mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Es trifft zwar zu, dass als wesentlicher Unterschied zwischen dem Strukturprinzip der unmittelbaren Anwendung (Wirkung) von Unionsrecht, insbesondere auch Richtlinienrecht, und der nach der Rechtsprechung des EuGH gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung, hervorgehoben wird, dass eine richtlinienkonforme Auslegung auch vorzunehmen ist, wenn die in Rede stehende unionsrechtliche Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei der Auslegung des innerstaatlichen Rechts die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln nicht zu beachten wären. Es kann daher im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung nicht jenes Ergebnis, welches sich mangels unmittelbarer Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Regelung nicht ableiten lässt, auf der Grundlage des nationalen Rechts erzielt werden (vgl. zuletzt übersichtlich Raab, Die Wirkung des Unionsrechts im innerstaatlichen Recht. Auflösung von Kollisionsfällen zwischen Unionsrecht und innerstaatlichem Recht, SPRW1/2011, 107 ff (112f), oder Ranacher/Frischhut, Handbuch Anwendung des EU-Rechts, 103, sowie EuGH 22. Mai 2003, Rs C-462/99 , Connect Austria, Tenor des Urteils, EuGH16. Juni 2005, Rs C-105/03 , Pupino, Rn 47, wo der EuGH anerkennt, dass die gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation nicht zu einer Auslegung contra legem führen kann, aber auch beispielsweise bereits Schlussanträge Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer, Rs C-397/01 bis C-403/01 , Pfeiffer, Rn 26, der mit Bezug auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-106/89 , Marleasing, darauf hinwies, dass der EuGH in diesem Urteil nicht erörtert habe, ob die gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation das gleiche Ergebnis wie die Anerkennung der unmittelbaren Wirkung einer Bestimmung haben könne, und zur Problematik allgemein Köhler, 14. ÖJT, 2000, Band I/2, 122, FN 405, insbesondere die dort genannten Beiträge von Zuleeg, 1969, und Ress, 1994; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1995, Zl. 95/10/0108, mwN).

2.6.3. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass eine richtlinienkonforme Interpretation, die eine von dem ausdrücklich vorgesehenen Modell abweichende Berechnungsmethode als Norminhalt ergeben würde, von vornherein ausscheidet, da sie die Grenze der zulässigen Ermittlung des Norminhalts nach innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten würde.

Darüber hinaus ist aber auf die obigen Ausführungen unter Punkt 2.5. zu verweisen, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzung für eine richtlinienkonforme Auslegung, nämlich die Vermeidung eines richtlinienwidrigen Ergebnisses, im Beschwerdefall nicht gegeben ist.

2.7. Einen Verstoß gegen die von den Abgabenbehörden bzw. der belangten Behörde angewendeten Bestimmungen des NÖ KanalG 1977 oder der Kanalabgabenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde bei der rechnerischen Ermittlung der Abgabe machen die Beschwerdeführer nicht geltend. Der Anwendung der Härtefallregelung des § 5b NÖ KanalG 1977 oder einer Nichtberücksichtigung (eines Teils) der Wandstärken steht im Lichte der dargestellten Rechtslage der klare Wortlaut der Bestimmungen entgegen, da für die Anwendung der Härtefallbestimmung in § 5b Abs. 3 NÖ KanalG 1977 eine Berechnungsfläche von mehr als 700 m2 verlangt wird bzw. in § 2 Z 6 NÖ KanalG 1977 die äußersten Begrenzungen der Geschoße für maßgeblich erklärt wurden.

2.8. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden sind.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. August 2012

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