Normen
BAO §116;
BAO §92;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2010150169.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer errichtet und vertreibt Blockhütten, die an die R-AG mit dem Hinweis fakturiert wurden, dass mehrwertsteuerfreie Lieferungen zwischen Bauträger und Subunternehmer vorlägen.
Im Ergebnis einer den Zeitraum April bis November 2007 betreffenden Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass diese Leistungen zu Unrecht der Bestimmung des § 19 Abs. 1a UStG subsumiert worden seien. Die Leistungen an die R-AG unterlägen dem Normalsteuersatz.
Gegen den dieser Ansicht folgenden Umsatzsteuerbescheid 2007 erhob der Beschwerdeführer Berufung. Die R-AG erbringe entgegen der Ansicht des Finanzamtes Bauleistungen an ihre Endkunden. Auch habe das Finanzamt in der Begründung des Umsatzsteuerbescheides zu Unrecht die Unternehmereigenschaft der R-AG verneint. Bei Axel M., der nach außen für die R-AG aufgetreten sei, handle es sich um einen alleinvertriebsberechtigten Makler. Dessen Auftreten sei der Vertretenen, also der R-AG, zuzurechnen. Die R-AG entfalte in der Berufung näher dargestellte Tätigkeiten. Sie trete sowohl durch ihren Geschäftsführer, als auch durch Mitarbeiter und durch Herrn Axel M. nach außen in Erscheinung. Auch schließe sie mit verschiedenen Handwerkern und Endkunden Verträge ab, wickle Leistungen ab und führe Zahlungen erheblichen Ausmaßes durch.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Anders als von der Abgabenbehörde erster Instanz vertreten, könne weder der Umstand, dass die Rechnungen an die R-AG keine UID-Nummer des Leistungsempfängers enthielten, noch der fehlende Hinweis auf die Beauftragung des Leistungsempfängers mit der Erbringung von Bauleistungen den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 unterbinden. Doch sei die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers wesentliches Tatbestandsmerkmal der genannten Bestimmung. Das Finanzamt habe die Unternehmereigenschaft der R-AG verneint und in seiner Begründung die Ansicht vertreten, dass es sich bei dieser Frage um eine Vorfrage iSd § 116 BAO handle. Die belangte Behörde schließe sich dieser Auffassung an. Zwischenzeitig habe das für die R-AG zuständige Finanzamt Graz-Stadt einen rechtskräftigen Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 22. Dezember 2008 erlassen. Da es sich bei dem Umsatzsteuerverfahren der R-AG um kein Mehrparteienverfahren handle, sei dieser Bescheid (zu Recht) nur an die R-AG ergangen. Der Beschwerdeführer habe in diesem, die R-AG betreffenden Umsatzsteuerverfahren, keine Parteistellung gehabt, sodass er diesen Bescheid weder mit Berufung bekämpfen noch gar dessen Aufhebung nach § 299 BAO mit Erfolg hätte beantragen können. Somit liege eine auch die belangte Behörde bindende Entscheidung einer anderen Behörde vor.
Dem Beschwerdeführer sei einzuräumen, dass der Spruch des die Vorfrage entscheidenden Bescheides zumindest missverständlich sei. Das Finanzamt habe nämlich im Spruch "generell die USt hinsichtlich Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für steuerpflichtige Lieferungen mit EUR 0,00 bzw. die Summe der Umsatzsteuer mit EUR 0,00 und auch den Gesamtbetrag der Vorsteuern mit EUR 0,00 angesetzt und im elektronischen Teil der Begründung zusätzlich angeführt, dass eine 'Veranlagung unter Zugrundelegung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfungen vorgenommen wurde'". Der Spruch des Bescheides weise folglich nicht eindeutig auf eine Nichterfüllung der Unternehmereigenschaft hin. Allerdings werde in Zusammenschau mit der Begründung, die sich auf das Ergebnis der Außenprüfung stütze, der Wille der Behörde klar, der R-AG keine Unternehmereigenschaft zuzuerkennen.
Da nunmehr eine rechtskräftige Entscheidung des Finanzamtes Graz-Stadt vorliege, könne auf nähere Ausführungen seitens der belangten Behörde verzichtet werden. Es sei jedenfalls eine Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren eingetreten. Durch diesen Umstand werde der Beschwerdeführer aber nicht - wie von ihm eingewendet - in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten beschnitten. Der Beschwerdeführer übersehe nämlich, dass die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers nur eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen bilde, die im Ergebnis einen Übergang der Steuerschuld zur Folge hätten. Um die Frage zu klären, wer Steuerschuldner sei, komme es nämlich im Wesentlichen auf die Person des Leistungsempfängers an. Die Beantwortung der entscheidungswesentlichen Frage, an wen der Beschwerdeführer geleistet habe, sei indessen keine Vorfrage, sondern sei im gegenständlichen Verfahren zu klären. Schon aus diesem Grund sei der Beschwerdeführer in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht beschnitten.
Leistungsempfänger sei, wer aus dem zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäft berechtigt oder verpflichtet werde. Für eine Bestimmung des Leistungsempfängers nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten lasse das Gesetz keinen Raum. Im Beschwerdefall seien zwischen der R-AG und dem Beschwerdeführer nicht nur eine Reihe von Liefergeschäften geschlossen worden, sondern auch Zahlungen geflossen. Schon aus diesem Grund sei die R-AG als zivilrechtlicher Leistungsempfänger anzusehen. Die Feststellung der Unternehmereigenschaft der R-AG sei der belangten Behörde im gegenständlichen Verfahren rechtlich nicht möglich, weil diese Rechtsfrage bindend durch das Finanzamt Graz-Stadt geklärt worden sei. Einwände des Beschwerdeführers gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage seien - wie im Bescheid näher ausgeführt - unberechtigt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 20. September 2010, B 478/10, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde erwogen:
Nach dem mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 132/2002, in den § 19 UStG 1994 eingefügten Abs. 1a wird bei Bauleistungen die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist. Der Leistungsempfänger hat auf den Umstand, dass er mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist, hinzuweisen. Erfolgt dies zu Unrecht, so schuldet auch der Leistungsempfänger die auf den Umsatz entfallende Steuer.
Werden Bauleistungen an einen Unternehmer erbracht, der üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt, so wird die Steuer für diese Bauleistungen stets vom Leistungsempfänger geschuldet. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen.
Im angefochtenen Bescheid beurteilt die belangte Behörde die R-AG als Empfängerin der vom Beschwerdeführer erbrachten Bauleistung. Diese Gesellschaft sei nicht Unternehmer iSd § 2 UStG 1994, weil das Finanzamt Graz-Stadt einen Umsatzsteuerbescheid vom 22. Dezember 2008 erlassen habe, mit dem die Umsatzsteuer wie auch die Vorsteuern für das Jahr 2007 mit EUR 0,00 festgesetzt worden seien. Zwar weise der Bescheidspruch nicht "eindeutig auf eine Nichterfüllung der Unternehmereigenschaft hin, was schon daran zu erkennen ist, dass das Finanzamt eine Veranlagung durchgeführt" habe, doch ergebe sich aus den Prüfungsfeststellungen, auf die im Umsatzsteuerbescheid hingewiesen werde, der Wille des Finanzamtes, der R-AG keine Unternehmereigenschaft zuzuerkennen. Der an die R-AG ergangene Umsatzsteuerbescheid 2007 sei rechtskräftig und entfalte eine Bindungswirkung für das gegenständliche, den Beschwerdeführer betreffende Umsatzsteuerverfahren. Die Feststellung der Unternehmereigenschaft der R-AG sei im vorliegenden Verfahren rechtlich nicht möglich, weil das Finanzamt Graz-Stadt diese Rechtsfrage bindend iSd § 116 BAO geklärt habe. Damit habe ein Übergang der Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1a UStG 1994 nicht stattfinden können und schulde der Beschwerdeführer die Umsatzsteuer.
Gemäß § 198 Abs. 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Im Umsatzsteuerbescheid der R-AG wird verbindlich zum Ausdruck gebracht, dass weder eine Zahllast noch ein Steuerüberschuss besteht. Im Prüfungsbericht finden sich Ausführungen, aus welchem Grund das Finanzamt zu dieser Steuerfestsetzung mit Null gekommen ist. Begründend heißt es dort, dass die R-AG nicht die erforderliche Organisation zur Abwicklung gegenständlicher Bauvorhaben gehabt und sämtliche Leistungen von Drittunternehmen zugekauft habe. Axel M. sei für die R-AG nach außen aufgetreten, seine Funktion sei der eines Bauträgers gleichgekommen. Er sei federführend - von Beginn der Projektabwicklung an - tätig gewesen. Der Verkauf der gegenständlichen Almhäuser sei daher nicht der R-AG zuzurechnen. Sie sei nicht Unternehmerin iSd § 2 UStG 1994. Die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes betreffend eine allfällige Unternehmereigenschaft von Axel M. bzw. die Zurechnung der Umsätze aus dem Verkauf der gegenständlichen Häuser obliege dem örtlich und sachlich zuständigen Finanzamt.
Bei all diesen Ausführungen im Prüfungsbericht der R-AG vom 5. November 2008 handelt es sich um Begründungselemente der Entscheidung des Finanzamtes Graz-Stadt, die Umsatzsteuer mit null EUR festzusetzen.
Es liegt - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch kein missverständlicher Bescheidspruch vor. Der an die R-AG ergangene Umsatzsteuerbescheid weist vielmehr gesetzeskonform alle notwendigen Spruchbestandteile eines Abgabenbescheides auf (die Angabe des Fälligkeitstages kann im Hinblick auf die Steuerbemessung mit Null entfallen) und lässt auch keinen Zweifel daran, dass den Ausführungen in der Niederschrift über die abgabenbehördliche Prüfung der R-AG begründender Charakter zukommt.
Eine Bindungswirkung iSd § 116 BAO kann jedoch nur der Spruch eines Bescheides entfalten. Sie ist Ausdruck der Rechtskraft der Entscheidung und erstreckt sich nicht auch auf die Entscheidungsgründe eines Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2000, 98/15/0014, sowie Ritz, BAO4, § 116 Tz. 5). Zudem beziehen sich die Bescheidwirkungen grundsätzlich nur auf die Parteien des Verfahrens. Dass gegenständlich ein Ausnahmefall einer parteienübergreifenden Bindung vorläge, ist nicht zu erkennen (vgl. auch Ritz4, BAO, § 92 Tz. 3).
Indem die belangte Behörde von einer Bindung an die Begründung eines an eine andere Person ergangenen Bescheides ausgegangen ist, hat sie die Rechtslage verkannt und keine eigenen Feststellungen zur Unternehmereigenschaft der R-AG getroffen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 28. Februar 2012
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)