VwGH 2009/07/0117

VwGH2009/07/011721.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der Stadtgemeinde S, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Brunngasse 12/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 8. März 2007, Zl. RU4-B- 155/001-2007, betreffend Kostenvorschreibung für Sofortmaßnahmen nach § 73 Abs. 2 AWG 2002, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §9;
AWG 1990 §18 Abs2;
AWG 1990 §32 Abs2;
AWG 2002 §73 Abs1;
AWG 2002 §73 Abs2;
AWG 2002 §73;
AWG 2002 §74 Abs1;
AWG 2002 §74 Abs2;
KO §1;
KO §152b;
KO §59;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §138 Abs4;
WRG 1959 §31 Abs4;
AVG §9;
AWG 1990 §18 Abs2;
AWG 1990 §32 Abs2;
AWG 2002 §73 Abs1;
AWG 2002 §73 Abs2;
AWG 2002 §73;
AWG 2002 §74 Abs1;
AWG 2002 §74 Abs2;
KO §1;
KO §152b;
KO §59;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §138 Abs4;
WRG 1959 §31 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Vereinbarung vom 31. Juli 2001 kamen die Beschwerdeführerin und die A GmbH überein, dass zukünftig die A GmbH die von der Beschwerdeführerin bisher privatwirtschaftlich vorgenommene Tätigkeit der Übernahme und Behandlung näher bezeichneter Abfallarten durchführen sollte. In dieser Vereinbarung wurde auch festgehalten, dass sich die A GmbH "um sämtliche erforderlichen Bewilligungen für den Betrieb der vorhandenen und geplanten Abfallbehandlungsanlagen bemühen" werde. Die Beschwerdeführerin werde die A GmbH diesbezüglich "umfassend unterstützen".

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 2003 wurde der A GmbH für den Betrieb einer mechanischen Aufbereitungsanlage für Restmüll aus Haushalten sowie restmüllähnlichen Gewerbemüll eine Bewilligung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) im Ausmaß von 25.000 t befristet für ein Jahr erteilt. Nach Verlängerung ist die Genehmigung am 31. Mai 2005 erloschen.

Bei den Überprüfungsverhandlungen am 17. Juni 2004 und am 19. Juli 2004 wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass im Bereich zweier Hallen auf den Grst. Nrn. 668, 669/1, 670/1, 671, 672, 673/1, 674, 677, 678, 679, 680 bis 687, 706 und 707, alle KG St., Abfälle in einem Ausmaß von etwa 70.000 m3 im Freien gelagert würden.

Die A GmbH wurde von der belangten Behörde mit Schreiben vom 28. September 2004 gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 aufgefordert, diese Abfälle binnen näher festgelegter Fristen zu entfernen. Sollte die A GmbH dieser Aufforderung nicht innerhalb der angegebenen Fristen nachkommen, so habe die belangte Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes erforderlichen geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung der Abfallbehandlungsanlage, zu verfügen. Dieses Schreiben erging auch zur Kenntnis an die Beschwerdeführerin.

Mit Schreiben vom 29. September 2004 forderte die Beschwerdeführerin die A GmbH auf, "so rasch wie möglich einen der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen."

Mit Schreiben vom 12. Jänner 2005 teilte die Beschwerdeführerin der A GmbH unter Verweis auf das Schreiben der belangten Behörde vom 28. September 2004 mit, dass sie "als Grundeigentümer diese Zwischenlagerungen nicht tolerieren" könne, zumal es "auch bereits wiederholt zu Bränden im Deponiebereich" gekommen sei und "daher eine Gefährdung nicht auszuschließen" sei. Die Beschwerdeführerin forderte die A GmbH "nachdrücklich auf, umgehend mit der Entfernung der nicht genehmigten Zwischenlagerungen zu beginnen" und über den Fortschritt laufend zu berichten.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. März 2005 wurde der A GmbH aufgetragen, insgesamt 69.500 m3 Abfälle von näher bezeichneten Grundstücken zu entfernen. Die vorgeschriebenen Erfüllungsfristen des in drei Spruchabschnitte gegliederten Bescheides reichten vom 30. Juni 2005 bis zum 28. Februar 2006.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom selben Tag wurde der A GmbH zudem aufgetragen, 18.040 m3 Müllballen, die auf näher bezeichneten Grundstücken der Beschwerdeführerin gelagert wurden, zu entfernen. Als Erfüllungsfrist wurde der 31. Mai 2005 vorgesehen.

Diese beiden an die A GmbH gerichteten Bescheide wurden auch der Beschwerdeführerin zugestellt.

Mit Schreiben vom 22. März 2005 ersuchte die Beschwerdeführerin die A GmbH unter Bezugnahme auf die beiden Bescheide der belangten Behörde vom 4. März 2005 "dringend eine Besprechung zu koordinieren".

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2005 trug die Bezirkshauptmannschaft K (BH) der A GmbH auf, zwischenzeitlich weitere gelagerte Abfälle in einer Menge von 27.200 m3 zu entfernen. Als Frist für die Erfüllung dieses Auftrages sah die BH den 30. April 2006 vor.

Am 23. Mai 2006 brach auf dem Gelände der A GmbH ein Großbrand aus, der einen Teil der im Freien gelagerten Abfälle und den nördlichen Teil der Halle für die Abfallaufbereitung auf einer Gesamtfläche von knapp 2 ha betraf. Von dem Brandereignis waren die Grst. Nrn. 668, 671, 672, 679, 680, 681, 682, 683 und 684, KG St., im Eigentum der Beschwerdeführerin und die Grst. Nrn. 669/1, 670/1, 673/1, 706 und 707, KG St., im Eigentum der S GmbH betroffen.

Die BH ordnete noch während des Brandereignisses am 23. Mai 2006 und am 24. Mai 2006 Luftuntersuchungen zur Gefährdungsabschätzung für die Bevölkerung sowie Untersuchungen des Löschwassers und der Brandreste durch die N Umweltanalytik GmbH und die M Materialprüfung GmbH an.

In weiterer Folge wurde auf Grund der Ergebnisse der Untersuchungen von der BH am 9. Juni 2006 eine Verhandlung zur Bestimmung der weiteren Vorgangsweise durchgeführt. In dieser Verhandlung führte der deponietechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten aus, dass mit einer Boden- und Gewässerbeeinträchtigung vor allem bei Auftreten von Niederschlägen zu rechnen wäre.

Sodann wurde vom Verhandlungsleiter festgestellt, dass im Sinne der Bestimmung des § 73 Abs. 2 AWG 2002 aus dem Grund des § 73 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 "Gefahr in Verzug" vorliege. Aus diesem Grund habe die BH unmittelbare behördliche Anordnungen zur Entfernung der Brandrückstände zu treffen.

In dieser Verhandlung vom 9. Juni 2006 wurde von der BH der A GmbH der Auftrag zur Entfernung von etwa 30.000 t Brandrückstände und Abfälle sowie zu deren ordnungsgemäßen Verwertung erteilt.

Mit Bescheid der BH vom 9. Jänner 2007 wurde die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Grst. Nrn. 668, 671, 672, 679, 680, 681, 682, 683, 684 und 2090/1, alle KG St., verpflichtet, die bisher aufgelaufenen und mit EUR 2,279.005,04 bestimmten Kosten für die auf der Rechtsgrundlage des § 73 Abs. 2 AWG 2002 von der BH am 23. Mai 2006, 24. Mai 2006 und am 9. Juni 2006 angeordneten Sofortmaßnahmen innerhalb von zwei Wochen zu bezahlen.

Begründend führte die BH aus, dass die A GmbH auf den Grst. Nrn. 668, 671, 672, 679, 680, 681, 682, 683, 684, 686, 687, 1051, 2090/1, alle KG St. sowie auf den Grst. Nrn. 669/1, 670/1, 673/1, 674, 677, 678, 706 und 707, alle KG St., eine Abfallbehandlungsanlage betrieben habe.

Eigentümer der Grundstücke des erstgenannten "Grundstücksblocks" sei die Beschwerdeführerin, Eigentümer des zweitgenannten "Grundstücksblocks" die S GmbH.

Unmittelbar vor der Verhandlung am 9. Juni 2006 habe der Geschäftsführer der A GmbH dem Verhandlungsleiter der BH telefonisch mitgeteilt, dass seine Firma Konkurs angemeldet habe (Edikt des Landesgerichtes K vom 8. Juni 2006). Die A GmbH sei daher nicht in der Lage, die Verpflichtung zur Entfernung der Brandreste zu übernehmen.

Noch während der Verhandlung am 9. Juni 2006 sei die A GmbH mit der Entsorgung sämtlicher vom Brand betroffener Abfälle durch Verbrennung beauftragt worden, wobei mit der Entfernung sofort zu beginnen und die Arbeiten bis zum 30. September 2006 abzuschließen gewesen seien. Die Brandreste seien zum Zweck der rationellen Entsorgung und Behandlung in drei Kategorien (Fraktionen) eingeteilt worden, nämlich in eine heizwertreiche Fraktion, in eine Haus- und Sperrmüllfraktion und in eine Fraktion Gewerbemüll, Rollen und Bänder.

Die Grundeigentümer der von dem Brand betroffenen Flächen - so führte die BH in ihrer Begründung weiter aus - seien am 13. Juni 2006 aufgefordert worden, im Hinblick auf die Bestimmungen des § 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 bekannt zu geben, welche Abwehrmaßnahmen sie unter der behördlichen Annahme der Kenntnis der illegalen Abfalllagerungen der A GmbH getätigt hätten.

Die Beschwerdeführerin habe dazu am 31. Juli 2006, ergänzt am 18. August 2006, eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, die auch das Rechtsverhältnis der Beschwerdeführerin und der A GmbH darlegen würde.

Aus Punkt II Abs. 2 der zwischen der Beschwerdeführerin und der A GmbH geschlossenen Vereinbarung vom 31. Juli 2001 im Zusammenhang mit dem Lageplan, der Beilage des Vertrages sei, gehe hervor, dass der A GmbH die Grst. Nrn. 668, 671, 672, 675, 676, 679, 681 und 2090/1, alle KG St., mit einer Fläche von mindestens

13.500 m2 inklusive 2.200 m2 für eine Lagerhalle zur Verfügung gestanden seien. In einer als "Zustimmungserklärung" vom 4. April 2002 genannten Erklärung habe die Beschwerdeführerin der A GmbH weitere Flächen der Liegenschaften Grst. Nrn. 679 bis 686 KG St. für Betriebszwecke zur Verfügung gestellt.

Der Auftrag der BH sei von der A GmbH fristgerecht erfüllt worden. Eine behördliche Überprüfung am 9. Oktober 2006 habe ergeben, dass die vom Brand betroffenen Abfälle entfernt worden seien. Ein Teil der Fraktion Gewerbemüll, Rollen und Bänder sei in ein Zwischenlager verbracht worden und werde von dort entsprechend der hiefür erteilten abfallrechtlichen Genehmigung bis Ende März 2007 der Verbrennung zugeführt.

Von den drei angeführten Abfallfraktionen seien nach dem Schreiben der A GmbH vom 10. Oktober 2006 die heizwertreiche Fraktion und die Fraktion Haus- und Sperrmüll zur Gänze auf Liegenschaften der Beschwerdeführerin gelegen, die Fraktion Gewerbemüll, Rollen und Bänder sei zu einem Drittel auf Liegenschaften der Beschwerdeführerin und zu zwei Drittel auf Flächen, die im Eigentum der S. GmbH stünden, vorhanden gewesen.

Von der A GmbH seien entsprechend dem Fortschritt der Auftragserfüllung und entsprechend dem Anbot laufend (im Wesentlichen monatlich) Rechnungen gestellt worden, die von der BH auf deren sachliche und rechnerische Richtigkeit sowie auf deren Übereinstimmung mit dem Anbot der A GmbH überprüft worden seien. Während der Durchführung des Auftrages sei eine laufende (mindestens wöchentliche) Kontrolle durch das Gewässeraufsichtsorgan der BH durchgeführt worden, worüber ausführliche Berichte mit Fotodokumentationen vorlägen. Sämtliche Rechnungen enthielten den nach den Bestimmungen des Altlastensanierungsgesetzes zu entrichteten Altlastenbeitrag von EUR 7/t.

Die vorliegenden Rechnungen der A GmbH seien durch einen Amtssachverständigen überprüft worden. Dieser habe festgestellt, dass die in den Rechnungen angeführten Leistungen zu dem angebotenen Preis tatsächlich erbracht worden seien.

In den Rechnungen seien entsprechend dem Fortschritt der Entsorgung der Brandabfälle die gesamte heizwertreiche Fraktion, die gesamte Fraktion Haus- und Sperrmüll sowie 1.262,44 t der Fraktion Gewerbemüll, Rollen und Bänder enthalten.

Mit E-Mail vom 22. November 2006 - so führte die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter aus - habe der Masseverwalter der A GmbH auf Grund eines Beschlusses des Gläubigerausschusses ein Gutachten über die wirtschaftliche Situation der Gemeinschuldnerin A GmbH eingeholt. Dieses Gutachten der Wirtschaftsprüfungskanzlei L GmbH, welches der BH zur Verfügung gestellt worden sei, besage wie schon der erste Bericht des Masseverwalters an das LG K vom 10. Juli 2006, dass die A GmbH praktisch über keine Mittel verfüge, die eine Befriedigung der Gläubigerforderungen einerseits und die Erfüllung von Verpflichtungen aus behördlichen Anordnungen andererseits ermöglichte. Laut einer mündlichen Mitteilung des Masseverwalters vom 18. Dezember 2006 stünden Forderungen von etwa EUR 25,000.000,-

- einer möglichen Befriedigung von 0,3 Prozent gegenüber.

Der Aufforderung der BH vom 7. Dezember 2006, den im Spruch genannten Betrag zu begleichen, sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen.

Besitzer der verfahrensgegenständlichen Abfälle auf dem Betriebsgelände sei die A GmbH gewesen. Über das Vermögen der A GmbH sei am 8. Juni 2006 das Konkursverfahren eröffnet worden. Alleine dieser Umstand habe die Firma noch nicht rechtlich zur Erfüllung des Auftrages bzw. in der Folge zur Vorschreibung der Kosten für unmittelbare Maßnahmen außerstande gesetzt. Die Angaben des Masseverwalters gegenüber der BH und seine Berichte an das Landesgericht K bzw. an die Gläubigergemeinschaft hätten jedoch ergeben, dass diese Firma wirtschaftlich außerstande gewesen sei, die Kosten für die von der BH nach § 73 Abs. 2 AWG 2002 unmittelbar angeordneten Maßnahmen zu tragen. Dies ergebe sich sowohl aus dem Bericht des Masseverwalters an das Landesgericht K vom 10. Juli 2006 als auch aus dem Gutachten der Wirtschaftsprüfungskanzlei L GmbH, welche vom Masseverwalter zur Überprüfung der wirtschaftlichen Situation der Gemeinschuldnerin eingeholt worden sei. Das Vermögen der Firma sei demnach derart gering, dass nach Abzug der Kosten des Konkursverfahrens eine Bezahlung durch den Masseverwalter nicht möglich sei.

Die Voraussetzungen für die Haftung des Liegenschaftseigentümers für die Kosten der nach § 73 Abs. 2 AWG 2002 angeordneten Maßnahmen der ordnungsgemäßen Behandlung der Brandabfälle seien - so führte die BH in ihrer Begründung weiter aus - gegeben, weil der Abfallbesitzer (die A GmbH) wirtschaftlich nicht in der Lage sei, die Kosten zu tragen.

Es sei daher zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin als Eigentümerin von Liegenschaften, auf welchen sich die Abfälle zum Zeitpunkt des Brandes und zum Zeitpunkt der Anordnung durch die Behörde befunden hätten, der Lagerung von Amts wegen auf ihren Liegenschaften zugestimmt oder diese geduldet und ihr zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hätte.

Aus der Vereinbarung vom 31. Juli 2001 gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin der Lagerung von Abfällen auf ihren Grundstücken ohne Einschränkung auf ein bestimmtes Ausmaß ausdrücklich zugestimmt habe. Aus der zunächst auf ein Jahr befristeten abfallrechtlichen Genehmigung der belangten Behörde vom 7. Mai 2003 gehe jedoch ausdrücklich hervor (Auflage 17), dass "die Lagerung und Manipulation mit Input- und Outputmaterialien im Freiflächenbereich um die Halle verboten ist". Die Beschwerdeführerin sei somit auch in Kenntnis des Umstandes gewesen, dass für die Lagerung der Abfälle im Freien keine abfallrechtliche Genehmigung vorgelegen sei, da der Bescheid vom 7. Mai 2003 auch ihr zugestellt worden sei.

Im Sinne des § 74 Abs. 2 AWG 2002 sei daher als Ergebnis festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin als Liegenschaftseigentümerin der Lagerung der Abfälle auf ihren Liegenschaften zugestimmt habe. Es sei daher nicht mehr erheblich zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin zumutbare Abwehrmaßnahmen gegen die konsenslose Tätigkeit der A GmbH gesetzt habe oder nicht. Aus dem Vertrag zwischen der Beschwerdeführerin und der A GmbH gehe nämlich nicht einmal hervor, dass die A GmbH verpflichtet sei, vor Beginn der Lagerungen die entsprechenden behördlichen Genehmigungen einzuholen. Aus Punkt X. des Vertrages ergebe sich lediglich, dass sich die A GmbH "um sämtliche erforderlichen Bewilligungen für den Betrieb der vorhandenen und geplanten Abfallbehandlungsanlagen bemühen wird".

Die Haftung der Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin jener Flächen, auf welchen sich die Abfälle zum Zeitpunkt des Brandereignisses befunden hätten, liege somit aus dem Titel ihrer Zustimmung zu den Lagerungen vor.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge.

Nach Ansicht der belangten Behörde sei entscheidend für die inhaltliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes, dass durch das Brandereignis eine in der Zusammensetzung vollkommen neue Materie, nämlich die Brandreste, entstanden seien. Dies hätte "konsequenterweise" nur dadurch entstehen können, weil durch jahrelange Duldung des Grundeigentümers "der Brand der nicht genehmigten Lagerung von Abfällen erst ermöglicht" worden sei. Folgende Fakten seien für die Entscheidung der belangten Behörde ausschlaggebend gewesen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen der § 73 Abs. 1 und 2 AWG 2002 sowie § 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 samt Überschriften in der im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Stammfassung BGBl. I Nr. 102/2002 lauten wie folgt:

"Behandlungsauftrag

§ 73. (1)

1. Werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen gesammelt, gelagert oder behandelt,

2. werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der EG VerbringungsV befördert oder verbracht oder

3. ist die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der Untersagung des rechtswidrigen Handelns, dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

Subsidiäre Haftung für Behandlungaufträge

§ 74. (1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.

(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.

…"

Während § 31 Abs. 4 WRG 1959 und § 138 Abs. 4 WRG 1959 die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers ausdrücklich sowohl für den Auftrag als auch für den Kostenersatz anordnen, heißt es in § 74 Abs. 1 AWG 2002 lediglich, dass "der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen" ist.

Dessen ungeachtet ermöglicht diese Bestimmung bei Vorliegen der in den folgenden Absätzen normierten Voraussetzungen die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers für einen bloßen Ersatz der Kosten eines Auftrages, der dem Primärverursacher erteilt wurde. § 74 Abs. 1 AWG 2002 verweist nämlich auf den "gemäß § 73" Verpflichteten. Damit ist auch ein nach § 73 Abs. 2 AWG 2002 Verpflichteter gemeint. Wenn auch § 74 Abs. 1 AWG 2002 in der Folge nur mehr von einem Auftrag handelt, bedingt dieser umfassende Verweis auf § 73 AWG 2002, dass die subsidiäre Liegenschaftseigentümerhaftung auch für die Auferlegung des Kostenersatzes Anwendung zu finden hat.

Die verfahrensgegenständliche Anordnung umfasst die Entfernung fester Brandrückstände und angebrannter Abfälle. Die Beschwerdeführerin meint, es sei denkunmöglich, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt zugestimmt hätte, dass feste Brandrückstände oder angebrannte Abfälle gelagert würden.

Die belangte Behörde hält dem entgegen, dass durch das Brandereignis eine in der Zusammensetzung vollkommen neue Materie -

nämlich die Brandrückstände - dadurch entstehen habe können, da infolge jahrelanger Duldung einer nicht genehmigten Lagerung von Abfällen durch die Beschwerdeführerin das Entstehen von Brandresten erst ermöglicht worden sei.

Allein die Tatsache, dass durch den Brand eine vollkommen neue Materie entstanden ist, vermag - wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend ausführt - die Beschwerdeführerin bei Vorliegen der in § 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 normierten Voraussetzungen von der Haftung nicht zu befreien: Für die Annahme, der Liegenschaftseigentümer wäre in einem solchen Fall von der Haftung für die Kosten der Entsorgung der Brandreste befreit, fehlt es an jeder sachlichen Rechtfertigung.

Die A GmbH konnte als Verpflichteter im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 nicht herangezogen werden.

§ 74 Abs. 1 AWG 2002 sieht eine subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers nicht nur dann vor, wenn der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar oder zur Entsorgung rechtlich nicht im Stande ist, sondern auch dann, wenn er aus sonstigen Gründen nicht zur Entsorgung verhalten werden kann. Aus sonstigen Gründen kann der Verpflichtete unter anderem auch dann nicht zur Entsorgung verhalten werden, wenn er wirtschaftlich dazu nicht in der Lage ist (vgl. dazu das zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem AWG 1990 ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0112).

Wirtschaftliche Gründe (mangelnde Finanzkraft) berechtigen die Behörde nur dann, nicht gegen den primär Verpflichteten, sondern gegen den subsidiär haftenden Liegenschaftseigentümer vorzugehen, wenn anzunehmen ist, dass ein Zugriff auf den primär Verpflichteten selbst bei Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel voraussichtlich aussichtlos ist (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 31 Abs. 4 WRG 1959 Bumberger/Hinterwirth, WRG, Kommentar, 2008, § 31, K 11).

Der Beschwerdeführerin ist zuzugestehen, dass die Eröffnung eines Konkurses über das Vermögen einer Person ein Verwaltungsverfahren, insbesondere ein Kostenersatzverfahren für notstandspolizeiliche Maßnahmen nach § 73 Abs. 2 AWG 2002, gegen einen Gemeinschuldner (vertreten durch den Masseverwalter) nicht unzulässig macht (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 32 Abs. 1 AWG 1990 das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 96/07/0071, und das zu § 138 WRG 1959 ergangene hg. Erkenntnis vom 18. September 2002, Zl. 99/07/0104).

Die belangte Behörde konnte sich jedoch im Hinblick auf die A GmbH auf von der Beschwerdeführerin unwidersprochen gebliebene Feststellungen im Erstbescheid der BH stützen, die zu Recht bewirkten, von einer Heranziehung der A GmbH als primär Verantwortliche abzusehen.

So heißt es im Bericht des Masseverwalters an das Landesgericht K vom 10. Juli 2006, dass die Masse praktisch "handlungsunfähig" sei, da derzeit nur liquide Mittel von rund EUR 4.500,-- zur Verfügung stünden. Bestätigt wird dies durch das Gutachten der Wirtschaftsprüfungskanzlei L GmbH vom 21. November 2006. Demnach verfüge die A GmbH praktisch über keine Mittel, die eine Befriedigung der Gläubigerforderungen einerseits und die Erfüllung von Verpflichtungen aus behördlichen Aufträgen andererseits ermöglichen würden. Die belangte Behörde ging daher zu Recht davon aus, dass ein Zugriff auf die A GmbH selbst bei Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel aussichtslos ist und diese somit wirtschaftlich nicht in der Lage ist, die im Erstbescheid mit EUR 2,279.005,04 bestimmten Kosten zu tragen.

Während die BH in ihrem Erstbescheid die subsidiäre Haftung der Beschwerdeführerin auf deren Zustimmung zur Lagerung der Abfälle auf ihren Grundstücken stützte, ging die belangte Behörde von einer Duldung der Lagerung der Abfälle durch die Beschwerdeführerin als Liegenschaftseigentümerin aus.

Für die belangte Behörde war für die Haftung der Beschwerdeführerin als Liegenschaftseigentümerin "ausschlaggebend", dass diese "durch Jahre hindurch die nicht genehmigte Lagerung von Abfällen geduldet" habe. Die Zustimmung zur Lagerung stelle nur eine Möglichkeit für den Eintritt der Liegenschaftseigentümerhaftung dar. Im konkreten Fall sei jedoch die Klärung der Frage der Duldung und kumulativ der Unterlassung zumutbarer (aber auch wirkungsvoller) Abwehrmaßnahmen "wesentlicher".

Zur Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 2 AWG 1990 sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass diese Vorschrift als Voraussetzung für die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers die freiwillige Duldung der Ablagerung und die Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen als unabhängig nebeneinander bestehende Tatbestandsmerkmale, die kumulativ vorliegen müssen, normiert, damit der Liegenschaftseigentümer zur Haftung herangezogen werden kann. Damit verbietet sich aber eine Deutung des § 18 Abs. 2 AWG 1990 in dem Sinne, dass eine freiwillige Duldung immer dann vorliegt, wenn vom Liegenschaftseigentümer keine wirksamen Abwehrmaßnahmen gegen eine Lagerung ergriffen werden. Der Begriff der "freiwilligen Duldung" ist in diesem Zusammenhang als konkludente Zustimmung zur Ablagerung zu sehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0112, vom 27. Juni 2002, Zl. 99/07/0023, vom 27. Juni 2002, Zl. 2001/07/0154 und vom 27. Juni 2002, Zl. 2001/07/0176).

Dieses Auslegungsergebnis hat auch für den in diesem Zusammenhang inhaltsgleichen § 74 Abs. 2 AWG 2002 zu gelten.

Der im Begriff des "Freiwilligen" liegende Gedanke des § 18 Abs. 2 AWG 1990 ist nunmehr durch § 74 Abs. 2 letzter Satz AWG 2002 zum Ausdruck gebracht. Dies wird durch den Ausschussbericht 1008 BlgNR XXI. GP, 8 bestätigt, in dem es unter "Ausschussfeststellung zu § 74" lautet:

"Der Satz 'Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten' und der damit zusammenhängende Entfall des Wortes 'freiwillig' bei der Duldung dient lediglich der Klarstellung."

Dass sich eine Deutung des § 74 Abs. 2 AWG 2002 in dem Sinne verbietet, dass eine freiwillige Duldung immer dann vorliegt, wenn vom Liegenschaftseigentümer keine wirksamen Abwehrmaßnahmen gegen eine Lagerung ergriffen werden, lässt sich dem Gesetzeswerdungsprozess zu § 74 Abs. 2 AWG 2002 zweifelsfrei entnehmen.

So führen die Materialien zur Regierungsvorlage 984 BlgNR XXI. GP, 104 zwar aus, dass auf eine Duldung des Liegenschaftseigentümers "aus den Begleitumständen, zB aus der Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen," zu schließen sei. Diese Erläuterungen bezogen sich indessen auf einen vom letztlich kundgemachten Gesetzestext in diesem entscheidungswesentlichen Umstand unterschiedlichen Text der Regierungsvorlage. Dieser lautete:

"(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung zugestimmt oder diese geduldet hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten."

Im Text der Regierungsvorlage kam die Wortfolge "und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat" somit nicht vor.

Demgegenüber sind im nunmehr geltenden Gesetzestext im ersten Satz des § 74 Abs. 2 AWG 2002 die Duldung der Ablagerung und die Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen wiederum als unabhängig nebeneinander bestehende Tatbestandselemente normiert, die gerade jenes schon zu § 18 Abs. 2 AWG 1990 gewonnene Auslegungsergebnis bedingen.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann von einer freiwilligen Duldung der Beschwerdeführerin im Sinne einer konkludenten Zustimmung nicht ausgegangen werden.

Wie oben dargestellt ergingen im Zusammenhang mit der konsenswidrigen Lagerung von Abfällen an die A GmbH eine Aufforderung der belangten Behörde vom 28. September 2004 gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002, zwei Entfernungsaufträge der belangten Behörde jeweils vom 4. März 2005 und ein Entfernungsauftrag der BH vom 13. Dezember 2005.

Bereits mit Schreiben vom 29. September 2004 forderte die Beschwerdeführerin die A GmbH in diesem Zusammenhang auf, "so rasch wie möglich einen der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen".

Mit Schreiben vom 12. Jänner 2005 wies die Beschwerdeführerin die A GmbH darauf hin, dass sie als Grundeigentümerin "diese Zwischenlagerungen nicht tolerieren" könne, "zumal es auch bereits wiederholt zu Bränden im Deponiebereich gekommen" und daher "eine Gefährdung nicht auszuschließen" sei. In diesem Zusammenhang wurde die A GmbH "nachdrücklich" aufgefordert, "umgehend mit der Entfernung der nicht genehmigten Zwischenlagerungen zu beginnen" und die Beschwerdeführerin "über den Fortschritt auf dem Laufenden zu halten".

Mit an die A GmbH gerichtetem Schreiben vom 22. März 2005 ersuchte die Beschwerdeführerin schließlich "dringend eine Besprechung zu koordinieren".

Angesichts dieses Verhaltens der Beschwerdeführerin verbietet sich die Annahme einer konkludenten Zustimmung derselben als Liegenschaftseigentümerin zu den konsenswidrigen Ablagerungen der A GmbH. Damit scheidet unter diesem Aspekt bereits eine Haftung der Beschwerdeführerin als Liegenschaftseigentümerin aus und es erübrigt sich die Prüfung, ob diese ihr zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, da dieses zum einen den pauschalierten Schriftsatzaufwand überschritten hat und zum anderen die geltend gemachte Umsatzsteuer nach § 47 Abs. 1 VwGG nicht gesondert zuzusprechen war, weil diese bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2012, Zl. 2011/07/0005, mwN).

Wien, am 21. November 2012

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