VwGH 2008/10/0040

VwGH2008/10/004021.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Mag. Nussbaumer-Hinterauer, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Fonds Soziales Wien gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 22. Jänner 2008, Zl. 6-SO-N3833/4-2008, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art15a;
SHG Bgld 2000 §78 Abs3;
SHG Bgld 2000 §78;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Bgld 1976;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart (im Folgenden: BH) vom 14. Dezember 2005 wurde dem Antrag von Herrn P.D. auf Gewährung von Sozialhilfe in Form der Übernahme der Verpflegskosten im Haus der Barmherzigkeit in Wien gemäß § 4 Burgenländisches Sozialhilfegesetz 2000 (Bgld SHG) nicht stattgegeben. Begründet wurde dieser Bescheid im Wesentlichen damit, Herr P.D. sei zwar noch im Burgenland mit dem Hauptwohnsitz gemeldet, lebe jedoch laut Mietvertrag vom 8. Juli 2005 seit 1. August 2005 mit seiner Lebensgefährtin in Wien. Nachdem sich der Lebensmittelpunkt von Herrn P.D. seit 1. August nicht mehr im ho. Verwaltungsbereich befinde, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Mit Schreiben vom 24. April 2006 teilte die beschwerdeführende Partei der BH mit, für Herrn P.D. sei bei der beschwerdeführenden Partei ein Antrag auf Gewährung einer Förderung für die Aufnahme in das Haus der Barmherzigkeit eingebracht worden. Herr P.D. sei bis zum 1. August 2005 im Burgenland gemeldet und auch dort wohnhaft gewesen. Seit 14. September 2005 sei Herr P.D. im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Wien stationär aufgenommen worden. Ein Aufenthalt in einer Krankenanstalt könne keinen Wohnsitz begründen. Somit werde um Übermittlung eines Kostenanerkenntnisses für die Aufnahme ins Haus der Barmherzigkeit ersucht.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 teilte die BH der Beschwerdeführerin mit, dass gemäß Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung eine Anerkennung der Kostentragungspflicht nicht erfolgen könne, da sich der Hilfsbedürftige vor Eintritt der Hilfsbedürftigkeit während der letzten sechs Monate nicht durchgehend fünf Monate im Verwaltungsbereich der BH aufgehalten habe.

Mit Schreiben vom 18. August 2006 teilte die beschwerdeführende Partei der BH mit, dass sich der Hauptwohnsitz von Herrn P.D. bis 20. Juni 2006 im Burgenland befunden habe. An der Adresse in Wien sei er lediglich seit dem 1. August 2005 nebengemeldet. Am 14. September 2005 habe Herr P.D. einen Schlaganfall erlitten und sei ins AKH Wien eingeliefert worden. Seit dem 14. September 2005 habe sich Herr P.D. ausschließlich im Krankenhaus bzw. im Pflegeheim aufgehalten, weshalb diese Aufenthaltszeiten als neutrale Zeiten zu werten seien. Es werde daher um Ausstellung eines Kostenanerkenntnisses ersucht.

Mit Schreiben vom 14. November 2006 teilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei mit, Herr P.D. habe sich in den letzten sechs Monaten vor Gewährung der Hilfe bzw. vor dem Aufenthalt im AKH vier Monate und 14 Tage an einer bestimmt genannten Adresse im Burgenland (14. März 2005 bis 31. Juli 2005) und einen Monat und 14 Tage in Wien (1. August 2005 bis 14. September 2005) aufgehalten. Im relevanten Zeitraum vom 14. März 2005 bis 14. September 2005 (sechs Monate) habe sich Herr P.D. nicht durchgehend fünf Monate im Burgenland aufgehalten. Aus diesem Grund liege eine Verpflichtung zur Kostentragung bzw. zum Kostenersatz durch das Land Burgenland nicht vor.

Eine Begründung, auf welche Beweismittel die belangte Behörde diese Annahmen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers gestützt habe, findet sich in diesem Schreiben nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Sozialhilfekosten für Herrn P.D. gemäß Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 der Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 15/1996, iVm § 78 Bgld SHG, LGBl. Nr. 5/2000, abgewiesen.

In der Begründung wurde zunächst der Verfahrensgang dargestellt.

In rechtlicher Hinsicht wurde sodann ausgeführt, die belangte Behörde habe am 29. Dezember 1975 den Beitritt des Landes Burgenland zur "Vereinbarung der Länder über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe" beschlossen. Die so genannte Ländervereinbarung (eine Art. 15a-Vereinbarung) betreffend den "Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe", LGBl. Nr. 15/1976, sei vom Landeshauptmann von Burgenland am 29. März 1976 kundgemacht worden. Die Vereinbarung bestehe zwischen allen Bundesländern.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung sei jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten habe und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde lägen, zu tragen habe. Zu Recht werde von der do. Behörde ausgeführt, dass der Aufenthalt in einem Krankenhaus bei der Berechnung der Frist außer Betracht zu bleiben habe (vgl. Art. 3 Abs. 2 lit. b der Ländervereinbarung). Herr P.D. habe sich in den letzten sechs Monaten vor Gewährung der Hilfe durch die do. Behörde bzw. vor dem Aufenthalt im AKH Wien vier Monate und 14 Tage an einer bestimmt genannten Adresse im Burgenland (14. März 2005 bis 31. Juli 2005) und einen Monat und 14 Tage in Wien (1. August 2005 bis 14. September 2005) aufgehalten. Im relevanten Zeitraum vom 14. März 2005 bis 14. September 2005 (sechs Monate) habe sich Herr P.D. nicht durchgehend fünf Monate im Burgenland aufgehalten. Aus diesem Grunde liege eine Verpflichtung zur Kostentragung bzw. zum Kostenersatz durch das Land Burgenland nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid zwar auf die Bestimmungen über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 15/1976, gestützt. Diese Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG (Ländervereinbarung) bindet allerdings nur die vetragsschließenden Länder selbst. Darüber hinausgehende Rechtswirkungen (Berechtigungen bzw. Verpflichtungen von Sozialhilfeträgern) bedürfen daher der Transformation in die Landesrechtsordnung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl. 2010/10/0051), wie das durch § 78 Bgld SHG erfolgt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2012, Zl. 2010/10/0212).

Gemäß § 78 Abs. 1 Burgenländisches Sozialhilfegesetz 2000 (Bgld SHG), LGBl. Nr. 5/2000, in der Fassung LGBl. 43/2006, hat das Burgenland den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder, mit denen eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe besteht, LGBl. Nr. 15/1976, bei Gegenseitigkeit die für die Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

Gemäß Abs. 2 Z. 1 leg. cit. gehören zu den Kosten der Sozialhilfe Kosten, die einem Träger für eine Hilfesuchende oder einen Hilfesuchenden nach den landesgesetzlichen Vorschriften über die Sozialhilfe gewährt wurden. Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist das Land Burgenland zum Kostenersatz verpflichtet, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, wenn 1. sich die oder der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Sozialhilfe mindestens durch fünf Monate im Landesgebiet aufgehalten hat und 2. das Land nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen, zu tragen hat.

In der vorliegenden Beschwerde wird ausgeführt, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid nicht begründet, inwiefern und auf Grund welcher Beweismittel, abgesehen von dem angeführten Mietvertrag betreffend die Wohnung in Wien, die belangte Behörde zu den Feststellungen über den Aufenthalt des Beschwerdeführers ab 1. August 2005 gelangt sei. Auf Grund der Hauptwohnsitzmeldung des Herrn P.D. bis 20. Juni 2006 im Burgenland sei entsprechend dieser Meldung davon auszugehen, dass Herr P.D. sich zumindest bis 13. September 2005 im Burgenland aufgehalten habe, sodass der Anspruch der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz zu Recht bestehe.

Zunächst ist festzuhalten, dass die beschwerdeführende Partei mit diesem Vorbringen einen Begründungsmangel und damit eine Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. März 2012, Zl. 2010/10/0111, vom 26. September 2011, Zl. 2010/10/0200, und vom 31. März 2011, Zl. 2010/10/0186), wird mit der Wortfolge "während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe" bei Zuerkennung einer zeitraumbezogenen Leistung jener Zeitraum umschrieben, der sechs Monate vor dem ersten Tag liegt, für den die Hilfe zuerkannt wurde. Zutreffend sind die Parteien auch davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des Herrn P.D. im AKH und im Haus der Barmherzigkeit bei der Berechnung der Frist gemäß § 3 Abs. 2 lit. b der Ländervereinbarung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2009, Zl. 2004/10/0009) bzw. § 78 Abs. 3 Z. 1 Bgld SHG nicht zu berücksichtigen ist .

Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien strittig, ob sich Herr P.D. während der letzten sechs Monate vor seinem Aufenthalt im AKH (d.h. von 13. März bis 13. September 2005) mindestens durch fünf Monate im Burgenland aufgehalten hat. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keine Begründung angegeben, weshalb sie davon ausging, dass Herr P.D. sich im Zeitraum vom 1. August 2005 bis 14. September 2005 in Wien aufgehalten habe. Aus dem - im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen - Verfahrensgang ist lediglich ersichtlich, dass die BH anlässlich der Erlassung ihres Bescheides vom 14. Dezember 2005 davon ausgegangen war, dass sich aus dem Mietvertrag über die Wohnung in Wien ergebe, dass sich Herr P.D. mit seiner Lebensgefährtin in Wien aufgehalten habe. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid diese Argumentation nicht übernommen hat, kann im Beschwerdefall allein auf Grund des Vorliegens eines Mietvertrages über eine Wohnung in Wien nicht auf den Aufenthaltsort des Herrn P.D. im genannten Zeitraum geschlossen werden. In der vorliegenden Beschwerde wird der Standpunkt vertreten, Herr P.D. sei mit seinem Hauptwohnsitz nach wie vor im Burgenland gemeldet gewesen und habe lediglich einen Nebenwohnsitz in Wien gehabt. Aber auch die polizeiliche Meldung lässt für sich alleine keinen Schluss auf den tatsächlichen Aufenthalt einer Person zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zl. 2003/21/0237).

Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid eine Beweiswürdigung dahin, wie sie zu den Feststellungen über den Aufenthalt des Herrn P.D. im genannten Zeitraum gelangte, gar nicht vorgenommen hat, haftet dem angefochtenen Bescheid ein Begründungsmangel an, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG insbesondere § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG.

Wien, am 21. Mai 2012

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