Normen
B-VG Art140
HKG 1946 §57 idF 1994/661
WKG 1998 §122
WKG 1998 §122 Abs1
11997E087 EG Art87
12010E107 AEUV Art107
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs2
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art168
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art401
52009XC0409(01) Beihilfenrecht
61996CJ0318 Spar VORAB
62004CJ0266 Nazairdis VORAB
62004CJ0393 Air Liquide Industries Belgium VORAB
62006CJ0283 KÖGAZ VORAB
62008CO0156 Vollkommer VORAB
62009CJ0049 Kommission / Polen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2009150172.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin reichte beim Finanzamt (am 14. November 2008 und 13. Februar 2009) Erklärungen ein, in denen sie ausführte, rein rechnerisch ergebe sich die Kammerumlage 1 (§ 122 Abs. 1 bis 6 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG)) für das dritte und vierte Quartal 2008 mit 14.080,78 EUR bzw. 13.121,14 EUR. § 122 WKG verstoße aber gegen die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, sodass die Selbstberechnung jeweils mit dem Betrag 0 EUR erfolge.
Das Finanzamt erließ am 27. November 2008 und am 23. Februar 2009 Bescheide über die Festsetzung der Kammerumlage (Zeitraum 7-9/2008: 14.080,78 EUR; 10-12/2008: 13.121,14 EUR).
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobenen Berufungen als unbegründet ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin rüge in der Berufung, § 122 WKG verstoße gegen Art. 168 der Richtlinie 2006/112 , weil in der letztgenannten Bestimmung ein Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorgesehen sei, während § 122 WKG durch die Umlagepflicht (und die Berechnung der Umlage von den Vorsteuern) die Vorsteuerabzugsberechtigung in unzulässiger Weise einschränke. Diesbezüglich sei festzuhalten, dass die Richtlinie 2006/112 am 1. Januar 2007 in Kraft getreten sei und die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie abgelöst habe. Die meisten der am Text der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie vorgenommenen Änderungen seien keine Änderungen inhaltlicher Natur, da die neue Richtlinie lediglich mit dem Ziel der Gewährleistung der Klarheit und Wirtschaftlichkeit der Bestimmungen verfasst worden sei (Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2006/112 ).
Gemäß Artikel 401 der Richtlinie 2006/112 hindere diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern hätten, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden sei. Der Kammerumlage 1 fehlten wesentliche Merkmale einer Mehrwertsteuer, auch im Rahmen einer Gesamtschau ergebe sich keine der Mehrwertsteuer vergleichbare Abgabe: Die Kammerumlage 1 sei von den Beträgen zu berechnen, die von anderen Unternehmern aufgrund der an das Kammermitglied erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen geschuldet würden, vereinfacht gesagt, von einem Tausendsatz der in Rechnung gestellten Vorsteuern, Einfuhrumsatzsteuern und Erwerbsteuern. Damit liege aber keine Bemessung von den Umsätzen der Gegenstände und Dienstleistungen des umlageverpflichteten Kammermitglieds vor. Da die Abgabe von der Mehrwertsteuer der Vorlieferanten bemessen werde, sei schon von vorneherein keine proportionale Zuordnung als Gegenleistung zum erhaltenen Preis des Gegenstandes und der Dienstleistung des Kammermitgliedes gegeben. Auf der Einzelhandelsstufe werde diese Abgabe nicht erhoben. Zudem wäre eine punktgenaue Zuordnung der Belastung der Kammermitglieder auf allfällige Verbraucher nicht möglich. Es fehle daher auch der Verbrauchsteuercharakter der Abgabe, weil diese nicht vom Verbraucher getragen werde. Die Mehrwertsteuer sei nach der Einordnung durch den EuGH als Verbrauchsteuer konzipiert. Von der Belastungskonzeption her ziele die Richtlinie auf die Belastung des Letztverbrauchers. Eine Abwälzung der österreichischen Kammerumlage iSd Richtlinie auf den Letztverbraucher sei aber nicht beabsichtigt und auch nicht möglich, weil eine genaue Zuordnung der Belastung nicht erfolgen könne. Auch die Besteuerungstechnik der Kammerumlage, die von den an das Unternehmen erbrachten Umsätzen und nicht von der Gegenleistung für die vom Unternehmen erbrachten Leistungen erhoben werde, und deren Bemessung von den Vorsteuern (Einfuhrumsatzsteuern und Erwerbsteuern) deute nicht auf eine mit der Umsatzsteuer vergleichbare Abgabe hin. Hinweise darauf, dass die Kammermitglieder durch die (zwangsweise) Zahlung der Kammerumlage im Geltungsbereich des gemeinsamen Mehrsteuersystems Nachteile erlitten, bestünden nicht. Die Erhebung der Abgabe sei auch nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden.
Die Verpflichtung zur Zahlung der Kammerumlage sei nach § 2 Abs. 1 WKG an die Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer geknüpft. Auf die jeweilige „Nationalität“ der Unternehmen werde im WKG nicht abgestellt, die Kammerumlage betreffe sowohl inländische als auch ausländische Unternehmen gleichermaßen. Damit würden aber ausländische Unternehmen nicht schlechter gestellt als inländische, die Kammerumlage 1 gelte unterschiedslos bei allen betroffenen Wirtschaftsteilnehmern. Auch wenn das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung der Mitgliedsunternehmen durch die Kammerumlage 1 unterschiedlich ausgestaltet sei, ebenso wie das Ausmaß der Vertretung der Unternehmung durch die Wirtschaftskammer, liege keine offene und auch keine verdeckte Diskriminierung vor, sodass die Niederlassungsfreiheit nicht verletzt sein könne.
Auch verstoße die Kammerumlage 1 nicht gegen das Beihilfenverbot (Artikel 87 EG).
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 122 WKG (idF BGBl. I Nr. 153/2001) lautet (samt Überschrift):
„Kammerumlagen
§ 122. (1) Zur Bedeckung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen und durch sonstige Erträge nicht gedeckten Aufwendungen der Landeskammern und der Bundeskammer kann von den Kammermitgliedern eine Umlage nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme eingehoben werden; die Verhältnismäßigkeit ist auch an dem Verhältnis zwischen den Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu messen. Ist an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Kammermitglied, dem für die im Rahmen der Gesellschaft ausgeübten Tätigkeiten keine Unternehmereigenschaft im Sinne der Umsatzsteuer zukommt, gemeinsam mit einer oder mehreren physischen oder juristischen Personen beteiligt, so gelten die Bemessungsgrundlagen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Bemessungsgrundlage für die Umlage; diesfalls kann die Erhebung der Umlage bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgen. Die Umlage ist in einem Tausendsatz zu berechnen von jenen Beträgen, die
1. auf Grund der an das Kammermitglied für dessen inländische Unternehmensteile von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen vom anderen Unternehmer, ausgenommen auf Grund von Geschäftsveräußerungen, als Umsatzsteuer geschuldet werden,
2. als Umsatzsteuerschuld auf Grund der an das Kammermitglied für dessen Unternehmen von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen auf das Kammermitglied übergegangen ist,
3. auf Grund der Einfuhr von Gegenständen für das Unternehmen des Kammermitglieds oder auf Grund des innergemeinschaftlichen Erwerbs für das Unternehmen des Kammermitglieds vom Kammermitglied als Umsatzsteuer geschuldet werden.
Der Tausendsatz beträgt für die Bundeskammer 1,3 vT und für alle Landeskammern einheitlich 1,9 vT der Bemessungsgrundlagen gemäß Z 1 bis 3. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann jeweils geringere Tausendsätze beschließen.
(2) Abweichend von Abs. 1 wird die Bemessungsgrundlage für einzelne Gruppen von Kammermitgliedern wie folgt bestimmt:
1. Bei Kreditinstituten im Sinne des Art. 1 (Bankwesengesetz) § 1 Abs. 1 Finanzmarktanpassungsgesetz 1993, BGBl. Nr. 532/1993, ist die Summe der Bruttoprovisionen und die Summe der mit einem für alle Umlagepflichtigen geltenden Faktor vervielfachten Nettozinserträge heranzuziehen, jeweils unter entsprechender Ausscheidung des Auslandsgeschäftes. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer hat sowohl den Faktor unter Bedachtnahme auf das allgemeine durchschnittliche Verhältnis zwischen Brutto- und Nettozinserträgen als auch Art und Umfang der Ausscheidung des Auslandsgeschäftes festzulegen.
2. Bei Versicherungsunternehmen ist das Prämienvolumen des direkten inländischen Geschäftes, abzüglich eines Abschlages von 80 vH des Prämienvolumens aus Versicherungsgeschäften im Sinne von § 6 Abs. 1 Z 1 Versicherungssteuergesetz 1953, BGBl. Nr. 133/1953, heranzuziehen.
Um die Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme dieser Kammermitglieder im Vergleich zu anderen Kammermitgliedern zu gewährleisten, darf der für diese Bemessungsgrundlage vom Erweiterten Präsidium der Bundeskammer festzulegende Tausendsatz höchstens 0,41 vT betragen. Das Umlagenaufkommen auf Grund dieser Bemessungsgrundlage wird im Verhältnis der für das jeweilige Einhebungsjahr geltenden Hebesätze gemäß Abs. 1 zwischen der Bundeskammer und den Landeskammern aufgeteilt.
(3) Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann beschließen, dass Teile der Bemessungsgrundlagen außer Betracht bleiben, soweit deren Berücksichtigung in einzelnen Berufszweigen zu einer unverhältnismäßigen Inanspruchnahme der Kammermitglieder führen würde. Dies gilt auch für die Zuordnung von einzelnen Gruppen von Kammermitgliedern zu einer Bemessungsgrundlagenermittlu ng im Sinne des Abs. 2, die an steuerbarem Umsatz anknüpft.
(4) Ist die genaue Ermittlung der Bemessungsgrundlagen in einzelnen Berufszweigen für die Kammermitglieder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden, so kann das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer für die Kammermitglieder in diesen Berufszweigen die Möglichkeit einer pauschalierten Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nach den jeweiligen Erfahrungen des Wirtschaftslebens beschließen.
(5) Die Umlage gemäß Abs. 1 und 2 ist von den Abgabenbehörden des Bundes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben:
1. Die für die Umsatzsteuer geltenden Abgabenvorschriften sind mit Ausnahme des § 20 Abs. 1 vierter Satz und des § 21 UStG 1994 sinngemäß anzuwenden.
2. Der zu entrichtende Umlagebetrag ist kalendervierteljährlich selbst zu berechnen und spätestens am fünfzehnten Tag des nach Ende des Kalendervierteljahres zweitfolgenden Kalendermonats zu entrichten. Bei der Berechnung der Umlage für das jeweils letzte Kalendervierteljahr sind Unterschiedsbeträge, die sich zwischen den berechneten Vierteljahresbeträgen und dem Jahresbetrag der Umlage ergeben, auszugleichen. Ein gemäß § 201 BAO, BGBl. Nr. 194/1961, in der jeweils geltenden Fassung, festgesetzter Umlagenbetrag hat den vorgenannten Fälligkeitstag.
3. Ist auf dem amtlichen Formular für die Umsatzsteuererklärung die Angabe des Jahresbetrages der Umlage vorgesehen, so ist dieser Jahresbetrag in der Umsatzsteuererklärung bekannt zu geben.
4. Von Kammermitgliedern, deren Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994, jährlich 150 000 Euro nicht übersteigen, wird die Umlage nicht erhoben.
5. Über Rechtsmittel, mit denen die Umlagepflicht dem Grunde oder dem Umfang nach bestritten wird, hat der Präsident der Landeskammer zu entscheiden. Solche Rechtsmittel gelten als Berufungen gemäß § 128 Abs. 3.
(6) Die Umlage gemäß Abs. 1 und 2 ist von den Abgabenbehörden des Bundes an die Bundeskammer zu überweisen. Die auf die Landeskammern entfallenden Anteile sind nach Maßgabe der Eingänge zu verrechnen und von der Bundeskammer an die Landeskammern zu überweisen. Die Aufteilung des Landeskammeranteiles auf die einzelnen Landeskammern erfolgt nach dem Verhältnis der Zahl der Kammermitglieder der Landeskammern; das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann Sockelbeträge vorsehen.
(7) Die Landeskammern können zur Bedeckung ihrer Aufwendungen festlegen, dass die Kammermitglieder eine weitere Umlage zu entrichten haben. Diese ist beim einzelnen Kammermitglied von der Summe der in seiner Unternehmung (seinen Unternehmungen) nach § 2 anfallenden Arbeitslöhne zu berechnen, wobei als Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage nach § 41 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967, gilt (Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag). Die Umlage ist in einem Hundertsatz dieser Beitragsgrundlage zu berechnen. Der Hundertsatz ist vom Wirtschaftsparlament der Landeskammer festzusetzen; er darf 0,29 vH der Beitragsgrundlage nicht übersteigen. Hat ein Kammermitglied gemeinsam mit einem oder mit mehr als einem anderen Kammermitglied eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, so wird die weitere Umlage hinsichtlich der Arbeitslöhne, die bei der Arbeitsgemeinschaft anfallen, durch diese entrichtet. Bei einer Personengesellschaft des Handelsrechts, bei der ein Komplementär eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts ist, gehören die diesbezüglichen, bei der Komplementärgesellschaft anfallenden Arbeitslöhne auch dann zur Beitragsgrundlage, wenn die Komplementärgesellschaft keine Berechtigung nach § 2 besitzt. Die Bestimmungen der §§ 42a und 43 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967, finden auf die Umlage sinngemäß Anwendung. Über Rechtsmittel, mit denen die Umlagepflicht dem Grunde nach bestritten wird, hat der Präsident der Landeskammer zu entscheiden. Solche Rechtsmittel gelten als Berufungen nach § 128 Abs. 3; § 128 Abs. 3 und Abs. 5 sind sinngemäß anzuwenden. Ein im Verhältnis zur Summe der Arbeitslöhne der Arbeitnehmer der Mitglieder der einzelnen Landeskammern ungleichgewichtiges Aufkommen aus der weiteren Umlage ist zwischen den Landeskammern auszugleichen (Finanzausgleich).
(8) Die Bundeskammer kann zur Bedeckung ihrer Aufwendungen eine Umlage nach Abs. 7 festlegen. Abs. 7 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Umlage 0,15 vH der dort angeführten Beitragsgrundlage nicht übersteigen darf.“
Die Beschwerdeführerin rügt, durch die Kammerumlage 1 nach § 122 Abs. 1 bis 6 WKG werde ein Teil der Vorsteuern zu einem Kostenfaktor. Ob dies mit der Richtlinie 2006/112 vereinbar sei, sei nach wie vor offen. Weiters werde die Beschwerdeführerin durch Kammerumlagen - dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz widersprechend - unverhältnismäßig belastet. Schließlich handle es sich um eine gemeinschaftsrechtswidrige Beilhilfe, weil die Kammerumlage eine Vielzahl von Kammermitgliedern, die überhaupt nicht oder unter der Kopfquote mit Umlagen belastet würden, begünstige.
1. Kammerumlage 1 und Richtlinie 2006/112 :
Der EuGH hat mit Urteil vom 19. Februar 1998, C-318/96 , Spar, ausgesprochen, dass die Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (77/388/EWG ), insbesondere ihre Artikel 17 Abs. 2 (Recht auf Vorsteuerabzug) und Artikel 33, der Erhebung einer Abgabe mit den Merkmalen der Kammerumlage 1 (nach § 57 HKG idF BGBl. Nr. 661/1994; vgl. den hg. Vorlagebeschluss vom 18. September 1996, 96/15/0065) nicht entgegenstehe.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausführlich (in der Beschwerde insoweit nicht bekämpft) dargelegt, dass einerseits § 122 WKG (in allen wesentlichen Teilen) der Bestimmung des § 57 HKG (idF BGBl. Nr. 661/1994) und anderseits
Artikel 17 Abs. 2 und 33 der Sechsten Richtlinie den Bestimmungen der Artikel 168 und 401 der Richtlinie 2006/112 entsprechen. Außerdem ergibt sich aus den Erwägungsgründen 1 und 3 der Richtlinie 2006/112 , dass diese grundsätzlich keine inhaltlichen Änderungen der Sechsten Richtlinie vornehmen sollte.
Eine Änderung der Rechtsprechung des EuGH seit dem Urteil vom 19. Februar 1998 zum „Charakter von Umsatzsteuern“ liegt nicht vor (vgl. zu Artikel 33 der Sechsten Richtlinie EuGH vom 11. Oktober 2007, C-283/06 und C-312/06 , Kögaz u.a., Rn 26 ff; zur Richtlinie 2006/112 EuGH vom 28. Oktober 2010, C-49/09 , Europäische Kommission gegen Republik Polen, Rn 44 ff; vgl. auch den Beschluss des EuGH vom 27. November 2008, C-156/08 , Monika Vollkommer).
Aus dem Urteil des EuGH, C-318/96 , ergibt sich auch unzweifelhaft, dass eine Abgabe mit den Merkmalen der Kammerumlage 1 nicht in richtlinienwidriger Weise in das Recht auf Vorsteuerabzug eingreift. Auch Ruppe vertritt in SWI 1998, 121 ff (124)), die Ansicht, dass die Kammerumlage 1 nicht im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie 77/388 steht.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Richtlinie 2006/112 der Erhebung einer Abgabe mit den Merkmalen der Kammerumlage 1 nach § 122 Abs. 1 bis 6 WKG nicht entgegensteht.
2. Gleichheitssatz
Der Verfassungsgerichtshof hat zu der für das Jahr 1994 geltenden Regelung der Kammerumlage 1 (§ 57 HKG idF BGBl. 21/1995) in seinem Erkenntnis vom 7. März 1995, B 1933/94, VfSlg. 14.072, ausgeführt, der Gesetzgeber habe seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wenn er neben anderen Kriterien unter anderem auch den Umsatz als Bemessungsgrundlage heranziehe, um die Höhe der von den einzelnen Mitgliedern zu leistenden Beträge zu bestimmen. Es liege grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, an welche Kriterien er bei der Bemessung der Umlage anknüpfe. Der Gesetzgeber habe sich für ein Mischsystem entschieden. Der Verfassungsgerichtshof könne nicht finden, dass der Gesetzgeber durch ein derartiges System das dem Gleichheitsgrundsatz innewohnende Sachlichkeitsgebot verletzt habe. Weder sei es verfassungswidrig, eine Kombination von Anknüpfungspunkten heranzuziehen, noch unter ihnen auch auf den Umsatz als einen der Anknüpfungspunkte abzustellen. Der Gesetzgeber könnte insoweit (anstelle auf die Umsätze als solche) auch auf die Umsatzsteuer (als Bemessungsgrundlage) abstellen. Das Äquivalenzprinzip könne zwar für die Bemessung von Gebühren, nicht aber für die Festsetzung von Abgaben der Art einer der Gesamtfinanzierung einer Selbstverwaltungsorganisation dienenden Umlage gelten. Eine Zuordnung der zentralen Aufgaben der Kammern, die gemeinsamen Interessen der in ihnen zusammengefassten Personen einerseits gegenüber dem Staat zu vertreten und andererseits gegenüber dem Sozialpartner durchzusetzen zu versuchen, lasse eine individuelle Zuordnung an einzelne Mitglieder naturgemäß nicht zu, weshalb die Kammerumlagen als steuerähnliche Abgaben, nicht aber als Gebühren zu verstehen seien.
Dass der Gesetzgeber mit BGBl. Nr. 661/1994 (in Kraft getreten gleichzeitig mit dem EU-Beitrittsvertrag,
vgl. Kundmachung BGBl. Nr. 50/1995 Z 7) hinsichtlich der Kammerumlage 1 den Anknüpfungspunkt der Umsätze durch jenen der Vorsteuern ersetzte, vermag beim Verwaltungsgerichtshof keine verfassungsrechtliche Bedenken zu erwecken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2003, 99/15/0112), sodass sich der Verwaltungsgerichtshof nicht dazu veranlasst sieht, einen Antrag auf Aufhebung der Bestimmung des § 122 WKG (oder von Teilen dieser Bestimmung) an den Verfassungsgerichtshof zu stellen (vgl. im Übrigen den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2009, B 882/09, u.a., SWK 2010, T 15).
Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass die Erhebung der gegenständlichen Kammerumlage 1 den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts (nunmehr: Unionsrechts) berührt. Demnach liegt auch kein Anwendungsfall der Gemeinschaftsgrundrechte (Unionsgrundrechte), so auch des gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatzes, vor (zu „Einfallstoren“ der Unionsgrundrechte in das nationale Recht vgl. Elicker, DStZ 2011, 162 ff, mwN).
Aber selbst für den Fall, dass der gemeinschaftsrechtliche Gleichheitssatz hier anwendbar wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig:
Der EuGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (vgl. EuGH vom 13. April 2000, C- 292/97, Kjell Karlsson u.a., Rn 39; vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts in Rs C-264/09 , Europäische Kommission gegen Slowakische Republik, Rn 41, mwN; zu Artikel 20 der - hier noch nicht anwendbaren - Charta der Grundrechte vgl. die Erläuterungen 2007/C 303/02, welche gemäß Artikel 6 Abs. 1 EUV in der ab 1. Dezember 2009 geltenden Fassung des Vertrages von Lissabon bei Auslegung und Anwendung der Charta „gebührend“ zu berücksichtigen sind: Artikel 20 entspreche dem allgemeinen Rechtsprinzip, das in allen europäischen Verfassungen verankert sei und das der Gerichtshof als ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts angesehen habe).
Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Umlage überfordere „ihre Leistungskraft im Kampf um ihr wirtschaftliches Überleben in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise“ und sei unverhältnismäßig. Dies sei eine Folge der Freigrenze von 150.000 EUR. Auch seien jene Branchen, die typischerweise in hohem Ausmaß Waren und Dienstleistungen zukauften (bei geringen Gewinnspannen), gegenüber Branchen benachteiligt, die im Vergleich wenig Waren und Dienstleistungen zukaufen müssten und Gewinne etwa durch ihren persönlichen Arbeitseinsatz erzielten.
Nähere Ausführungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin (und zu ihrer Überforderung durch die Kammerumlage 1) enthält die Beschwerde nicht. Eine (unsachliche) Ungleichbehandlung zeigt die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis vom 7. März 1995 nicht auf.
Vor diesem Hintergrund hegt der Verwaltungsgerichtshof zur Kammerumlage 1 im Hinblick auf die Befreiung von Unternehmen mit (geringen) Umsätzen sowie die unterschiedliche Belastung von Unternehmen je nach der Höhe des Betriebsaufwandes keine gleichheitsrechtlichen Bedenken.
3. Beihilfenverbot
Die Beschwerdeführerin rügt hiezu, die extrem ungleiche und unverhältnismäßige Lastenverteilung durch Kammerumlagen nach § 122 WKG beeinträchtige stark belastete Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch Umlagelasten von über 50.000 EUR jährlich und begünstige eine Vielzahl von Kammermitgliedern, die überhaupt nicht oder unter der Kopfquote (Finanzbedarf der Wirtschaftskammern dividiert durch die Mitgliederzahl) mit Umlagen belastet würden. Dies sei als gemeinschaftsrechtswidrige Beihilfe iSd Artikel 87 EG zu qualifizieren: Die einen würden auf Kosten der anderen privilegiert und befreit. Darin liege der Kern unzulässiger Beihilfen durch unsachliche Steuerbefreiungen. Eine Gruppe („free rider“) erfahre so einen Wettbewerbsvorteil durch Steuerverschonung, wohingegen die anderen („Zahler“) umso stärker belastet würden. Vier von zehn Kammermitgliedern würden keine Kammerumlage 1 zahlen. Somit sei eine wettbewerbsverzerrende Begünstigung der „free rider“ gegeben.
Artikel 87 EG (nunmehr Artikel 107 AEUV) soll verhindern, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch von staatlichen Stellen gewährte Vergünstigungen beeinträchtigt wird, die in verschiedenartiger Weise durch die Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Voraussetzung für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe sind die Finanzierung dieser Maßnahme durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln, Vorliegen eines Vorteils für ein Unternehmen, Selektivität dieser Maßnahme und Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und daraus resultierender Verfälschung des Wettbewerbs (vgl. EuGH 15. Juni 2006, C-393/04 und C-41/05 , Air Liquide, Rn 27 f).
Der Begriff der Beihilfe umfasst nicht nur positive Leistungen, sondern auch staatliche Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. EuGH aaO, Rn 29).
Ein Schuldner einer Abgabe kann sich aber nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in seinem Abgabenverfahren nicht darauf berufen, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Steuer und die vorgesehene Steuerbefreiung integraler Bestandteil einer Beihilfemaßnahme wären. Dies würde voraussetzen, dass das Aufkommen aus der Abgabe notwendig für die Finanzierung der Beihilfe verwendet werde, was im gegenständlichen Fall nicht zutrifft. Es besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen einer Abgabe und der Befreiung von dieser Abgabe zugunsten einer Gruppe von Unternehmen; die Anwendung einer Abgabenbefreiung und deren Umfang hängen nicht vom Aufkommen aus der Abgabe ab (EuGH, aaO, Rn 46; vgl. auch EuGH vom 27. Oktober 2005, C-266/04 u.a., Nazairdis u.a., Rn 44; vgl. auch die Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, 2009/C 85/01, vom 9. April 2009, Rn 73 bis 75).
Damit steht aber das Beihilfenverbot der Erhebung der Kammerumlage 1 jedenfalls nicht entgegen (vgl. zum fehlenden Verwendungszusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 20. März 2006, 2005/17/0230).
4. Vor diesem Hintergrund konnte die von der Beschwerdeführerin angeregte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH (zur Frage, ob die Kammerumlage 1 eine unzulässige Beeinträchtigung des Vorsteuerabzugs darstellt; zur Frage, ob die Kammerumlage 1 dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz entspricht; sowie zur Frage, ob die Kammerumlage 1 eine wettbewerbsverzerrende Begünstigung ist) unterbleiben.
5. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 28. April 2011
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