VwGH 2009/10/0106

VwGH2009/10/010613.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der MP in K, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz, Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl/See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 27. November 2008, Zl. BMWF-54.016/0018-I/8b/2008, betreffend Studienförderung, zu Recht erkannt:

Normen

11997E017 EG Art17;
11997E018 EG Art18;
62006CJ0011 Morgan VORAB;
62008CJ0073 Bressol und Chaverot VORAB;
EURallg;
StudFG 1992 §16 Abs1 Z2;
StudFG 1992 §18;
StudFG 1992 §3;
StudFG 1992 §53;
StudFG 1992 §54;
StudFG 1992 §55;
StudFG 1992 §56;
StudFG 1992 §56d idF 2008/I/047;
StudFG 1992;
11997E017 EG Art17;
11997E018 EG Art18;
62006CJ0011 Morgan VORAB;
62008CJ0073 Bressol und Chaverot VORAB;
EURallg;
StudFG 1992 §16 Abs1 Z2;
StudFG 1992 §18;
StudFG 1992 §3;
StudFG 1992 §53;
StudFG 1992 §54;
StudFG 1992 §55;
StudFG 1992 §56;
StudFG 1992 §56d idF 2008/I/047;
StudFG 1992;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. November 2008 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 12. Dezember 2007 auf Gewährung einer Studienbeihilfe gemäß § 3 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1992 - StudFG, BGBl. 1992/305 idF BGBl. I Nr. 47/2008, abgewiesen (Spruchpunkt 1.) und der Antrag der Beschwerdeführerin vom 17. Dezember 2007 auf Gewährung einer Beihilfe für ein Auslandsstudium gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe nach Absolvierung der Reifeprüfung im Wintersemester 2007/2008 an der University of the Arts in London mit dem Studium "Journalism" begonnen.

Im Berufungsverfahren habe sie sich darauf berufen, aus unionsrechtlichen Gründen Anspruch auf die Gewährung einer Studienbeihilfe und einer Beihilfe für ein Auslandsstudium zu haben, auch wenn sie nicht in Österreich, sondern in Großbritannien studiere.

Gemäß § 3 Abs. 1 StudFG könnten jedoch österreichische Staatsbürger nur dann eine Förderung erhalten, wenn sie als ordentliche Studierende an einer österreichischen Bildungseinrichtung zugelassen seien. Eine zusätzliche Beihilfe für ein Auslandsstudium könne gemäß § 54 leg. cit. erst nach Ablegung einer Diplomprüfung oder Inskription des mindestens dritten Semesters an einer österreichischen Bildungseinrichtung bewilligt werden.

Die Förderung eines zur Gänze im Ausland absolvierten Studiums durch die begehrten Beihilfen sei daher nicht möglich.

Die Förderung eines derartigen Auslandsstudiums durch ein "Mobilitätsstipendium" sehe erst der durch die Novelle BGBl. I Nr. 47/2008 in das StudFG eingefügte § 56d, der am 1. September 2008 in Kraft getreten sei, vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes 1992 - StudFG haben - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"§ 3. (1) Folgende österreichische Staatsbürger können Förderungen erhalten:

  1. 1. ordentliche Studierende an österreichischen Universitäten,
  2. 2. ordentliche Studierende an österreichischen Universitäten der Künste,

§ 16. (1) Ein günstiger Studienerfolg als Voraussetzung für den Anspruch auf Studienbeihilfe liegt vor, wenn der Studierende

  1. 1. sein Studium zielstrebig betreibt (§ 17),
  2. 2. die vorgesehene Studienzeit nicht wesentlich überschreitet (§§ 18 und 19) und

§ 18. (1) Die Anspruchsdauer umfasst grundsätzlich die zur Absolvierung von Diplomprüfungen, Bakkalaureatsprüfungen, Magisterprüfungen, Rigorosen, Lehramtsprüfungen oder anderen das Studium oder den Studienabschnitt abschließenden Prüfungen vorgesehene Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters. …

§ 26. (1) Die Höchststudienbeihilfe beträgt - unbeschadet eines Erhöhungszuschlages gemäß § 30 Abs. 5 - monatlich 424 Euro (jährlich 5 088 Euro), soweit im Folgenden nichts Anderes festgelegt ist.

(2) Die Höchststudienbeihilfe beträgt - unbeschadet eines Erhöhungszuschlages gemäß § 30 Abs. 5 - monatlich 606 Euro (jährlich 7 272 Euro) für

4. für Studierende, die aus Studiengründen einen Wohnsitz im Gemeindegebiet des Studienortes haben, weil der Wohnsitz der Eltern vom Studienort so weit entfernt ist, dass die tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich nicht zumutbar ist; …

§ 39. (1) Studienbeihilfen werden auf Antrag zuerkannt. Der Antrag gilt für die wiederholte Zuerkennung von Studienbeihilfe während des gesamten weiteren Studiums, sofern seit dem Antrag ununterbrochen Anspruch auf Studienbeihilfe besteht.

(2) Anträge sind im Wintersemester in der Zeit vom 20. September bis 15. Dezember und im Sommersemester in der Zeit vom 20. Februar bis 15. Mai zu stellen. …

§ 53. (1) Studierende an Universitäten, Universitäten der Künste, Fachhochschul-Studiengängen (Fachhochschulen) und Theologischen Lehranstalten haben während eines Auslandsstudiums in der Dauer von höchstens vier Semestern weiterhin Anspruch auf Studienbeihilfe.

(2) Studierende an Pädagogischen Hochschulen, an medizinischtechnischen Akademien und an Hebammenakademien haben während eines Auslandsstudiums in der Dauer von höchstens zwei Semestern weiterhin Anspruch auf Studienbeihilfe.

§ 54. (1) Zur Unterstützung von Studien an ausländischen Universitäten, Universitäten der Künste, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen haben Studierende, die an Universitäten, Universitäten der Künste, Fachhochschul-Studiengängen (Fachhochschulen) studieren, Anspruch auf Beihilfe für ein Auslandsstudium.

(2) Voraussetzung ist

1. die Ablegung einer Diplomprüfung oder eines Rigorosums oder, wenn das Studium nur aus einem Studienabschnitt besteht, die Inskription des mindestens dritten Semesters der jeweiligen Studienrichtung und

2. eine Dauer des Auslandsstudiums von mindestens drei Monaten.

§ 55. Ein Antrag auf Gewährung einer Beihilfe für ein Auslandsstudium ist längstens drei Monate nach Ende des Auslandsstudiums einzubringen. Studierende haben

3. eine Bestätigung der zuständigen akademischen Behörde vorzulegen, dass auf Grund des Studienprogrammes die Gleichwertigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung der Prüfungen gegeben ist (§ 59 UniStG) oder das Auslandsstudium zur Anfertigung einer Diplomarbeit oder Dissertation dient, und

§ 56. (1) Die Höhe der Beihilfe für ein Auslandsstudium beträgt bis zu 582 Euro monatlich. Die Höhe der Beihilfe ist für die einzelnen Staaten vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur durch Verordnung festzusetzen. Dabei ist auf die durchschnittlichen Mehrkosten Bedacht zu nehmen, die sich aus der Lebensführung und dem Studium im Ausland ergeben.

(2) Beihilfe für ein Auslandsstudium ist für höchstens insgesamt 20 Monate zu gewähren.

(6) Semester eines Auslandsstudiums, für die Studienbeihilfe oder eine Beihilfe für ein Auslandsstudium gewährt wurde, sind in die Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe einzurechnen.

§ 56d. (1) Mobilitätsstipendien dienen der Unterstützung von Studien, die zur Gänze an anerkannten Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen außerhalb Österreichs in Ländern des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz betrieben werden.

(2) Mobilitätsstipendien werden von der Studienbeihilfenbehörde nach Richtlinien des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung zuerkannt.

(3) Voraussetzung für die Gewährung ist, dass die Studierenden, die ein Mobilitätsstipendium beantragen,

  1. 1. die Hochschulreife in Österreich erworben haben,
  2. 2. den Wohnsitz und den Mittelpunkt der Lebensinteressen mindestens fünf Jahre vor Aufnahme des Studiums, für das ein Mobilitätsstipendium beantragt wird, in Österreich hatten und

    3. noch keine andere Förderung nach diesem Bundesgesetz beantragt haben.

(4) Die sonstigen Voraussetzungen entsprechen jenen für die Studienbeihilfe (§§ 6 bis 25).

(5) Die Berechnung und die Zuerkennung der Mobilitätsstipendien erfolgt nach den Bestimmungen der §§ 26 bis 51 mit der Maßgabe, dass generell von einem Höchststipendium gemäß § 26 Abs. 2 Z 4 (Studienbeihilfe für auswärtige Studierende) auszugehen ist und andere Ausbildungsförderungen anzurechnen sind. Die Zuerkennung erfolgt im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung."

Die Beschwerdeführerin, eine österreichische Staatsangehörige, die nach ihrem Vorbringen die gesamte Schulausbildung bis zur Matura in Österreich absolviert hat, studiert an der University of the Arts in London. Sie hat ihr Studium dort begonnen und will es nach ihrem Vorbringen auch dort beenden. Mit den - gemäß § 39 StudFG rechtzeitigen - Anträgen vom

10. und 12. Dezember 2007 begehrte sie die Zuerkennung von Studienbeihilfe und Beihilfe für ein Auslandsstudium ab dem Wintersemester 2007/2008.

Sie gehört unstrittig nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 StudFG und hat somit auch keinen Anspruch gemäß § 53 leg. cit., auf Weitergewährung der Studienbeihilfe während eines Auslandsstudiums in der Dauer von höchstens vier bzw. zwei Semestern. Weiters erfüllt sie auch die Voraussetzungen gemäß § 54 StudFG für eine - zusätzlich zur Studienbeihilfe zu gewährende - Beihilfe für ein Auslandsstudium in der Dauer von maximal 20 Monaten nicht, weil sie ihr gesamtes Studium in London absolviert.

Nach dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift wurde der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Ansuchens vom 28. Oktober 2008 für ihr Studium in London ein Mobilitätsstipendium gemäß § 56d StudFG für die Zeit vom 1. September 2008 bis 31. August 2009 zuerkannt.

Diese durch die am 1. September 2008 in Kraft getretene Novelle BGBl. I Nr. 47/2008 in das StudFG eingefügte Bestimmung sieht die Förderung eines zur Gänze im Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz betriebenen Studiums durch Zuerkennung eines Mobilitätsstipendiums im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung vor. Dieses Stipendium wird in derselben Höhe wie die Studienbeihilfe für Studierende, die aus Studiengründen einen Wohnsitz im Gemeindegebiet des (inländischen) Studienortes haben, gewährt. Die zusätzliche Gewährung einer Beihilfe für ein Auslandsstudium entsprechend § 54 StudFG ist dazu nicht vorgesehen.

Die Beschwerdeführerin zieht nicht in Zweifel, dass die Abweisung der Anträge auf Gewährung von Studienbeihilfe und Beihilfe für ein Auslandsstudium der dargestellten österreichischen Rechtslage entspricht, macht jedoch geltend, auf Grund unmittelbar anwendbaren Unionsrechts einen Anspruch auf die Gewährung dieser Leistungen, die gemeinsam beträchtlich höher seien als das Mobilitätsstipendium, zu haben und führt dazu im Wesentlichen aus, dass sie in London studiere, um später in Österreich einen dieser Ausbildung entsprechenden Beruf auszuüben. Die Verweigerung der beantragten Leistungen widerspreche dem allgemeinen Diskriminierungsverbot gemäß Art. 12 EG (nunmehr: nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon mit 1. Dezember 2009 Art. 18 AEUV) und stelle eine unzulässige Einschränkung des in Anspruch genommenen Freizügigkeitsrechts gemäß Art. 18 EG (nunmehr Art. 21 AEUV) dar. Diese primärrechtlichen Bestimmungen seien unmittelbar anwendbar und verpflichteten die Behörde, entgegenstehendes inländisches Recht unangewendet zu lassen. Nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (nunmehr: der Europäischen Union; EuGH) falle die Gewährung von Studienbeihilfe in den Anwendungsbereich des Vertrages. Im Urteil vom 23. Oktober 2007 in den verbundenen Rechtssachen C-11/06 und C- 12/06, Morgan und Bucher, habe der EuGH ausgesprochen, dass Art. 17 und 18 EG (nunmehr Art. 20 und 21 AEUV) der Deutschen Regelung entgegenstünden, wonach für die Förderung der Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat die Absolvierung einer mindestens einjährigen Studieneingangsphase in Deutschland erforderlich sei. Die österreichische Regelung sei mit der deutschen vergleichbar. Es werde ebenfalls die Absolvierung eines Teiles des Studiums in Österreich verlangt. Ebenso wie die Klägerinnen in dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall habe auch die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass die von ihr gewählte Ausbildung im Inland nicht angeboten werde. Es liege daher eine eindeutige Judikatur des EuGH vor, wonach die Regelung nicht dem Unionsrecht entspreche. Hilfsweise werde jedoch angeregt, dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die Frage vorzulegen, ob Art. 12, 17 und 18 EG dem von § 3 Abs. 1 für die Gewährung von Studienbeihilfe und von § 54 Abs. 1 StudFG für die Gewährung einer Beihilfe für ein Auslandsstudium statuierten Erfordernis entgegenstünden, dass das Studium oder zumindest der überwiegende Teil in Österreich absolviert und in Österreich begonnen werde.

Die Art. 12, 17, 18 und 149 EG (nunmehr Art. 18, 20, 21 und 165 AEUV) haben - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

Art. 12 Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen treffen.

Art. 17 (1) Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht.

(2) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten. Sie haben unter anderem

a) das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten;

Art. 18 (1) Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

Art. 149 (1) Die Union trägt zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt. …

(2) Die Tätigkeit der Union hat folgende Ziele:

(4) Als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels

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