VwGH 2008/04/0082

VwGH2008/04/008225.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19 (IZD Tower), gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom 25. März 2008, Zl. VKS - 9278/07, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte

Partei: W GmbH in Y, vertreten durch Dr. Kathrin Hornbanger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Dr. Karl-Lueger-Ring 10, weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

32004L0017 Vergabekoordinierungs-RL Wasser Energie Verkehr Art57;
AVG §52;
BVergG 2002 §93 Abs4;
BVergG §125 Abs1;
BVergG §125 Abs4;
BVergG §125;
BVergG §129 Abs1 Z3;
BVergG §268 Abs1;
BVergG §268;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
32004L0017 Vergabekoordinierungs-RL Wasser Energie Verkehr Art57;
AVG §52;
BVergG 2002 §93 Abs4;
BVergG §125 Abs1;
BVergG §125 Abs4;
BVergG §125;
BVergG §129 Abs1 Z3;
BVergG §268 Abs1;
BVergG §268;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Spruchpunkte 1. und 4. des angefochtenen Bescheides werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Vergabeverfahren:

Nach den insoweit unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Bescheides beabsichtigte die Beschwerdeführerin als öffentliche Auftraggeberin, ein Unternehmen der Stadt Wien, welches im Sektorenbereich tätig ist (im Folgenden: Auftraggeberin), im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nach vorheriger Bekanntmachung die Vergabe eines Dienstleistungsauftrages im Oberschwellenbereich, nämlich die Übernahme des Overflows ihres Servicetelefons 0800 500 800 durch einen externen Callcenter-Dienstleister. Die Bekanntmachung erfolgte europaweit im Supplement S des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften am 24. April 2007, Zl. 2007/S 79- 096920. Teilnahmeanträge waren bis 14. Mai 2007, 12.00 Uhr, einzubringen. Das einzige Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis.

Eine erste Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin wurde mit - beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpften - Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 2007 für nichtig erklärt. In diesem Bescheid war die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, dass eine vertiefte Angebotsprüfung durch die Auftraggeberin vorzunehmen gewesen wäre, insbesondere weil nicht festgestellt habe werden können, dass die Auftraggeberin eine nähere Prüfung vorgenommen habe, ob die Angebote unter Einhaltung der geltenden arbeits-, lohn- und sozialrechtlichen Vorschriften erstellt worden seien.

Im fortgesetzten Vergabeverfahren traf die Auftraggeberin nach Verlängerung der Zuschlagsfrist (bis 31. Dezember 2007) mit Schreiben vom 7. Dezember 2007 eine neuerliche Zuschlagsentscheidung zu Gunsten des nach den Ergebnissen der Angebotseröffnung an zweiter Stelle liegenden Unternehmens mc (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin).

2. Nachprüfungsverfahren und angefochtener Bescheid:

Gegen diese Zuschlagsentscheidung brachte die mitbeteiligte Partei einen Antrag auf Nichtigerklärung ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - soweit vor dem Verwaltungsgerichtshof verfahrensgegenständlich - die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 7. Dezember 2007 für nichtig erklärt (Spruchpunkt 1.) sowie die Auftraggeberin verpflichtet, der mitbeteiligten Partei die von ihr entrichteten Pauschalgebühren binnen 14 Tagen zu ersetzen (Spruchpunkt 4.).

Alle Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides gründete die belangte Behörde (undifferenziert) auf die §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 11 Abs. 2, 13 Abs. 3, 18, 19, 20, 23 Abs. 1, 24 Abs. 1 Z. 6, 25 Abs. 1, 31 (offenbar gemeint: WVRG 2007) in Verbindung mit den §§ 2 Z. 16 lit. a sublit. dd, 3 Abs. 1 Z. 2, 12 Abs. 1 Z. 1, 19 Abs.1, 165, 167, 267 Abs. 2, 268 BVergG 2006.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im vorliegenden Vergabeverfahren seien die Angebote unter Einhaltung der einen integrierenden Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen bildenden "Allgemeinen Vertragsbestimmungen der Wiener Stadtwerke für Dienstleistungen (WSTW 9313, Ausgabe 1.1.2007)" sowie der "Besonderen Vertragsbestimmungen" zu legen gewesen. Danach habe die Erstellung der Angebote, soweit die Leistung in Österreich erbracht werde, unter Berücksichtigung der in Österreich geltenden arbeits-, lohn- und sozialrechtlichen Vorschriften zu erfolgen. Im Hinblick auf diese Verpflichtung habe der Auftraggeber auch die Angemessenheit der Preise in Bezug auf die ausgeschriebene Leistung unter Berücksichtigung aller Umstände unter denen sie zu erbringen seien, zu prüfen. Dazu müsse der Sektorenauftraggeber, wenn begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestünden, nach § 267 Abs. 3 BVergG 2006 vertieft prüfen. Im Zuge dieser vertieften Prüfung habe der Sektorenauftraggeber vom Bieter verbindliche schriftliche Aufklärungen zu verlangen, um beurteilen zu können, ob die am Ort der Leistungserbringung geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen bei der Kalkulation eingehalten worden seien.

Die Auftraggeberin habe vorliegend nach Aufhebung ihrer ersten Zuschlagsentscheidung eine vertiefte Angebotsprüfung vorgenommen. Dabei habe sie zur Position 1.4 (variable Kosten) ausgeführt, dass der Call-Minuten-Preis von der Zuschlagsempfängerin aufgeschlüsselt und erklärt worden sei. Weiters habe die Auftraggeberin ausgeführt, dass die Kalkulation nachvollziehbar und unter Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften erfolgt sei und sich die Reduktion des von der Zuschlagsempfängerin kalkulierten Angebotspreises auf EUR 0,45 pro Callminute einerseits aus einer Produktivitätssteigerung der Mitarbeiter und andererseits mit einer Rabattierung von 13 % aus Marketinggründen erklären lasse.

Die belangte Behörde könne diesen Überlegungen zur Position 1.4 (variable Kosten) nicht folgen: Die Auftraggeberin habe im fortgesetzten Verfahren eine eigene Kalkulation erstellt und die Kosten pro verrechneter Callminute aufgeschlüsselt. Bei der von ihr angestellten, ihrer vertieften Angebotsprüfung zu Grunde gelegten Musterkalkulation falle auf, dass sie zwar ebenso wie die Zuschlagsempfängerin vom gleichen Bruttomonatslohn ausgehe, aber offenbar einen falschen Dienstgeberbeitrag angenommen habe. Von beiden werde der Dienstgeberbeitrag laut Tabelle mit 30,93 % angenommen. Dabei übersehe die Auftraggeberin, dass die Dienstgeberbeiträge in direkte Lohnnebenkosten und umgelegte Lohnnebenkosten gegliedert werden müssten. Sodann folgen Ausführungen der belangten Behörde zu den Bestandteilen der direkten und umgelegten Lohnnebenkosten. Die direkten Lohnnebenkosten errechneten sich in einem Gesamtprozentsatz von rund 16,33 %, die umgelegten Lohnnebenkosten mit einem Gesamtprozentbetrag von rund 55,90 %. Die umgelegten Lohnnebenkosten, wie sich etwa aus den Ansätzen des K 3-Blattes ergäben, habe die Auftraggeberin nicht berücksichtigt. Wenn sie daher bei ihrer Kalkulation zu Kosten pro verrechneter Callminute gelangt sei, die etwa in Höhe jener Kosten pro Callminute lägen, die von der Zuschlagsempfängerin (ohne 13%igen Abschlag) angesetzt worden seien, habe sie für den von ihr vorgenommenen Vergleich einen nicht richtig berechneten Call-Minuten-Preis herangezogen. Würden auch die umgelegten Lohnnebenkosten berechnet, so würde sich ein Call-Minuten-Preis ergeben, der um etwas mehr als ein Viertel über dem von der Auftraggeberin angenommenen Kostenbeitrag liege. Dazu komme, dass in der von der Auftraggeberin angestellten Musterberechnung der von ihr angenommene Gemeinkostenzuschlag von 8 % für einen Dienstleistungsbetrieb zu niedrig angesetzt sein dürfte.

Die Zuschlagsempfängerin habe in ihrem Aufklärungsschreiben vom 3. Dezember 2007 erklärt, zu dem von ihr angebotenen Preis pro Callminute derart gekommen zu sein, dass "die Gehälter unserer fix

angestellten Mitarbeiter ... im Minimum an den Kollektivvertrag

angelehnt" seien. Berücksichtige man nun weiters, dass die Zuschlagsempfängerin in ihrem Letztangebot auf den von ihr errechneten, etwa in Höhe des von der Auftraggeberin berechneten Call-Minuten-Preises liegenden Preis einen Rabatt von 13 % gewähre, sei davon auszugehen, dass dieser Preisnachlass sich zwingend auf die Lohnkosten auswirken müsse. Wenn es auch zutreffe, dass ein Unternehmer, um überhaupt in den Markt einzudringen, auch eine Unterdeckung für seine angebotenen Leistungen kalkulieren könne, könne eine derartige Unterdeckung jedenfalls nur in einem geringfügigen Prozentsatz angesetzt sein. Alleine der Hinweis der Zuschlagsempfängerin, dass bei einer Unterdeckung eine Gefährdung des Unternehmens nicht gegeben wäre, genüge nicht, zumal auch dieser Umstand von der Auftraggeberin nicht näher geprüft worden sei. Zu diesem Problem werde die Zuschlagsempfängerin im fortgesetzten Verfahren noch eine nachvollziehbare Darstellung abzugeben haben.

Unter Berücksichtigung der direkten Lohnnebenkosten und umgelegten Lohnnebenkosten errechneten sich die Monatslohnkosten inklusive "Anteil" 13. und 14. Gehalt in Höhe von rund EUR 2.870,20, statt - wie von der Auftraggeberin bzw. der Zuschlagsempfängerin angegeben - von EUR 2.062,15. Es könne daher die Berechnung der Auftraggeberin wie auch der Zuschlagsempfängerin nicht korrekt sein, weil Letzterer bei den von ihr mit Rabatt angebotenen Call-Minuten-Preis ein zu hoher Verlust entstehen müsste.

Zusammenfassend komme daher die belangte Behörde zur Ansicht, dass ausgehend von der Musterkalkulation der Auftraggeberin eine richtige und nachvollziehbare Prüfung des Angebotes der Zuschlagsempfängerin auf Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften nicht vorliege. Wenn auch die mitbeteiligte Partei mit ihrem Angebot an letzter Stelle gereiht worden sei, könne derzeit noch nicht gesagt werden, ob die Zuschlagsentscheidung bzw. die Reihung der vor der mitbeteiligten Partei liegenden Angebote entsprechend den Bestimmungen des Vergaberechtes erfolgt sei oder nicht, aus diesen Gründen sei dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung abermals stattzugeben gewesen.

Die Kostenentscheidung gründe sich auf § 19 Abs. 1 und 3 WVRG 2007.

3. Beschwerde:

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, die nach Auffassung der belangten Behörde zu prüfende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zuschlagsempfängerin sei bereits in der ersten Phase des Verhandlungsverfahrens geprüft worden und daher nicht mehr Gegenstand der vertieften Angebotsprüfung. Im Beschwerdefall entstehe durch den angebotenen Preis gerade keine Gefährdung der Liquidität des Unternehmens der Zuschlagsempfängerin. Vielmehr ergebe sich aus § 268 Abs. 3 BVergG 2006, dass auch die Marktposition, die Unternehmenstätigkeit und die Geschäftstätigkeit eines Bieters zu berücksichtigen seien. Wenn die belangte Behörde auf die umgelegten Lohnkosten, wie sie sich aus den Ansätzen des K 3-Blattes ergäben, hinweise, übersehe sie, dass die Kalkulationsblätter der ÖNORM B 2061 die Preisermittlung für Bauleistungen betreffen, nicht jedoch wie vorliegend Dienstleistungen. Warum der Gemeinkostenzuschlag von 8% zu niedrig angesetzt sein dürfte, lasse die belangte Behörde offen. Auch seien in der Musterkalkulation der Beschwerdeführerin als Auftraggeberin "unproduktive" Zeiten (zB Krankenstand, Urlaub etc) berücksichtigt worden, was von der belangten Behörde jedoch mit keinem Wort erwähnt worden sei. Die belangte Behörde lasse zudem offen, was sie unter "zu hohem Verlust" bei einer Unterdeckung für die angebotenen Leistungen verstehe.

4. Gegenschriften:

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie zusammenfassend darauf hinwies, die Auftraggeberin habe nicht ausreichend und nachvollziehbar geprüft, ob die Zuschlagsempfängerin durch die Ausführung des Auftrages in ihrer wirtschaftlichen Situation nicht gefährdet sei.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenso eine Gegenschrift, in der sie im Wesentlichen vorbringt, die durch die verfehlte Kalkulation bedingte Unterdeckung von 30 % übersteige die im Rahmen einer angemessenen Preisgestaltung zulässige kalkulatorische Abweichung. Es sei im ureigensten Interesse des Auftraggebers, bei der Angemessenheit der Preise auch zu prüfen, ob bei einer derartigen massiven Unterdeckung des Angebotes der Bieter auch imstande sei, den Auftrag zu den nicht-kostendeckenden Preisen durchführen zu können. Es verstehe sich von selbst, dass indirekte Lohnnebenkosten auch außerhalb der ÖNORM B 2061 relevant seien. Die Überprüfung der Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften stelle ein zentrales und verpflichtendes Element der Angebotsprüfung dar.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Rechtslage

§ 268 Abs. 1 bis 3 Bundesvergabegesetz 2006 in der ausgehend vom Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens (zufolge § 345 Abs. 2 und 13 leg. cit.) noch maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 17 (BVergG 2006) lautet:

"Prüfung der Angemessenheit der Preise - vertiefte Angebotsprüfung

§ 268. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen.

(2) Der Sektorenauftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn

1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen,

2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in Positionen aufweisen, oder

3. begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

(3) Der Sektorenauftraggeber muss vom Bieter eine verbindliche schriftliche - bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische - Aufklärung verlangen. Die anschließende Prüfung hat unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen bzw. der vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise zu erfolgen. Der Sektorenauftraggeber hat insbesondere Erläuterungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungs- oder Bauverfahrens bzw. der Erbringung der Dienstleistung, die gewählten technischen Lösungen, außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Leistung verfügt, die Originalität der vom Bieter angebotenen Leistung, die am Ort der Leistungserbringung geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen oder die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an den Bieter bei der Überprüfung entsprechend zu berücksichtigen. Sofern der geschätzte Auftragswert 250 000 Euro nicht erreicht, kann von der Vorgehensweise gemäß diesem Absatz abgesehen werden."

2. Grundsätzlich zur vertieften Angebotsprüfung im Sektorenbereich (§ 268 BVergG 2006):

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur vertieften Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 mit Verweis auf seine Vorjudikatur zum BVergG 2002 (Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0032) festgehalten, dass es Aufgabe des Auftraggebers ist, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen. Die Vergabekontrollbehörde hat nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Sie hat vielmehr - ebenso wie der Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 125 Abs. 4 Z. 1 bis 3 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 5. November 2010, Zl. 2006/04/0245).

Die Regelung des § 268 BVergG 2006 über die vertiefte Angebotsprüfung entspricht jener des § 125 BVergG 2006, jedoch wurden vom Gesetzgeber (im Hinblick auf Art. 57 der Richtlinie 2004/17/EG ) die Vorgaben für Sektorenauftraggeber etwas reduziert (vgl. die Materialien in RV 1171 BlgNR XXII. GP). Dennoch kann die oben angeführte Rechtsprechung auf die vertiefte Angebotsprüfung im Sektorenbereich (§ 268 BVergG 2006) übertragen werden: Die Vergabekontrollbehörde hat danach - ebenso wie der Sektorenauftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Sektorenauftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 268 Abs. 2 Z. 1 bis 3 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind (Plausibilitätsprüfung).

3. Fallbezogene Beurteilung im Hinblick auf die Plausibilitätsprüfung:

3.1. Fallbezogen ist daher die belangte Behörde zunächst im Recht, dass die Angemessenheit der Preise in Bezug auf die "ausgeschriebenen" Leistungen (hier nach § 268 Abs. 1 BVergG 2006) geprüft werden muss (vgl. auch hiezu das zitierte hg. Erkenntnis vom 5. November 2010).

3.2. Die Nichtigerklärung der Zuschlagserteilung der Auftraggeberin vom 7. Dezember 2007 stützt die belangte Behörde aber zusammenfassend auf die Auffassung, dass ausgehend von der Musterkalkulation der Auftraggeberin eine richtige und nachvollziehbare Prüfung des Angebotes der Zuschlagsempfängerin auf Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften nicht vorliege. Damit verkennt die belangte Behörde aber, dass es nach der oben dargestellten Rechtslage ihre Aufgabe als Vergabekontrollbehörde gewesen wäre, selbst eine entsprechende Plausibilitätsprüfung vorzunehmen und diese nicht im Wege einer "Kassation" dem Auftraggeber zu übertragen. Nur wenn die Vergabekontrollbehörde selbst im Wege einer Plausibilitätsprüfung zum Ergebnis gelangt, dass die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich nicht erklärbar und nachvollziehbar ist, liegt insoweit eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Zuschlagsentscheidung vor.

3.3. Selbst wenn man davon ausginge, dass die belangte Behörde eine entsprechende Plausibilitätsprüfung vorgenommen hat, entzieht sich die von der Behörde im Hinblick auf die von ihr angenommenen Prozentsätze der direkten Lohnnebenkosten (16,33 %) und der umgelegten Lohnnebenkosten (55,90 %) angestellten Überlegungen mangels näherer Begründung einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.

Auch die Behauptung, ein Unternehmer könne, um überhaupt in den Markt einzudringen, auch eine Unterdeckung für seine angebotenen Leistungen kalkulieren, jedoch könne eine derartige Unterdeckung jedenfalls nur in einem geringfügigen Prozentsatz angesetzt sein, entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung im Hinblick auf den entscheidenden Maßstab der betriebswirtschaftlichen Erklär- und Nachvollziehbarkeit.

Das BVergG 2006 konkretisiert nämlich nicht, was unter einem angemessenen Preis zu verstehen ist. In einer freien Marktwirtschaft bildet sich der Preis im Wettbewerb, exakte Werte sind nicht festlegbar. Vielmehr ist dessen betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit aus sachverständiger Sicht zu ermitteln (vgl. hiezu auch Kropik, in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar2, Rz. 2 zu § 268, und Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht3, 548f, Rz. 1415). Gegenständlich wäre es daher Aufgabe der belangten Behörde (als Vergabekontrollbehörde) gewesen, auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens jene Argumente nachzuprüfen, die von der Auftraggeberin für bzw. von der mitbeteiligten Partei (als Nachprüfungswerberin) gegen die Plausibilität des Preises der Zuschlagsempfängerin ins Treffen geführt wurden.

4. Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch angeführten Umfang wegen der (vorrangig wahrzunehmenden) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, zumal die Rechtswidrigkeit des Spruchpunktes 1. auf die Entscheidung über den Pauschalgebührenersatz (Spruchpunkt 4.) durchschlägt.

5. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 4 VwGG abgesehen werden, weil die Sache bereits Gegenstand einer Verhandlung bei der belangten Behörde (einem Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK; vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2006/04/0200) war und in einem fortgesetzten Verfahren im Falle weiterer Erhebungen wieder sein wird müssen.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. Jänner 2011

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