VwGH 2008/15/0324

VwGH2008/15/032414.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerden der R GmbH in S, vertreten durch die Kleiner & Kleiner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 8010 Graz, Burgring 22, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, 1. vom 24. September 2008, Zl. RV/0044-G/05, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für den Zeitraum 1993 bis 1997 sowie Nichtfeststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für den Zeitraum 1993 bis 1997 (2008/15/0324), und 2. vom 14. November 2008, Zl. RV/0105-G/03, betreffend Nichtfeststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für den Zeitraum 1999 bis 2001 (2008/15/0330), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §114;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
EStG 1988 §23 Z2;
BAO §114;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
EStG 1988 §23 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.221,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. In den Beschwerdefällen ist strittig, ob in den genannten Jahren eine steuerliche Mitunternehmerschaft in Form einer atypisch stillen Gesellschaft zwischen der Beschwerdeführerin (Rechtsnachfolgerin der Felix G. GmbH), Peter B. und der (im Bescheid näher bezeichneten) A.P. GmbH vorliegt oder nicht und darüber hinaus im Beschwerdefall 2008/15/0324, ob die verfügte Wiederaufnahme der Feststellungsverfahren für die Jahre 1993 bis 1997 zu Recht erfolgte.

2. Die A.P. GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1979 gegründet; Gesellschafter waren mit Stammeinlagen von jeweils S 125.000,-- Gerda G., Felix G., Herta B. und Peter B. Unternehmensgegenstand war der Neu- bzw. Umbau und die Erweiterung eines Hotelrestaurants, die Ausübung des Gaststättengewerbes sowie der Handel mit Waren aller Art. Mit gleichem Datum wurden drei weitere Verträge abgeschlossen, mit denen sich die Felix G. GmbH mit S 3 Mio., Peter B. mit S 1 Mio. und Sepp S. mit S 1 Mio. als typisch stille Gesellschafter an der A.P. GmbH beteiligten. Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Felix G. GmbH war Felix G. Die Verträge wurden dem Finanzamt am 1. Februar 1980 zur Anzeige gebracht. Der wesentliche Inhalt dieser Verträge lautet wie folgt (Wiedergabe des angefochtenen Bescheides):

"II. Gegenstand der Beteiligung:

... Der Stille ist am Gewinn und Verlust der Gesellschaft und

am Vermögen der Gesellschaft beteiligt, jedoch nicht an den

stillen Reserven und nicht am Firmenwert.

...

V. ... Die Haftung des Stillen über seine Beteiligung hinaus

ist ausgeschlossen.

...

VII. Ausscheiden eines Gesellschafters und Fortsetzung der

Gesellschaft:

... Der Stille hat Anspruch auf die Auszahlung seines

Kapitalkontos zu- bzw. abzüglich des Standes seines Verrechnungskontos. Guthaben sind innerhalb von 12 Monaten unverzinst auszuzahlen.

Weist das Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters zum Zeitpunkt des Ausscheidens einen negativen Stand aus, so ist dieser verpflichtet, das Kapitalkonto bis zu diesem Ausgleich aufzufüllen. Entlässt ihn die Gesellschaft aus dieser Auffüllungsverpflichtung, so hat der ausscheidende Gesellschafter diesen Forderungsverzicht der Gesellschaft als Veräußerungsgewinn anzuerkennen."

Mit Nachtrag vom 23. Oktober 1981 erhöhten die Felix G. GmbH und Peter B. ihre Beteiligung auf jeweils S 5 Mio. Sepp S. war zwischenzeitig aus dem Vertragsverhältnis als stiller Gesellschafter ausgeschieden.

Am 14. Dezember 1988 wurde ein weiterer Nachtrag abgeschlossen; darin heißt es u.a. (Wiedergabe des angefochtenen Bescheides):

"Im Hinblick auf die Tatsache, dass der Pachtvertrag zwischen dem Inhaber des Handelsgewerbes und der Grundeigentümerin (Anmerkung: Frau Herta B.)am 1. Mai 2000 abläuft und im Hinblick auf die Tatsache, dass der stille Gesellschafter auch in Zukunft keinerlei positive Erträge aus der Gesellschaft wird ziehen können, wird der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft vom 18. Dezember 1979 wie folgt abgeändert:

II. Gegenstand der Beteiligung:

Der Punkt II. 'Gegenstand der Beteiligung' wird dahingehend geändert, dass der stille Gesellschafter ab Beginn des Bilanzjahres 1. Mai 1988 auch an den stillen Reserven und dem Firmenwert des Inhabers des Handelsgewerbes beteiligt ist.

III. Vermögenseinlage:

Weitere Änderungen zum ursprünglichen Vertrag werden nicht vereinbart, eine Neuwidmung der Vermögenseinlage erfolgt nicht."

Dieser Nachtrag wurde dem Finanzamt am 29. Dezember 1988 zur Anzeige gebracht. Am 8. Februar 1989 langte beim Finanzamt ein ausgefüllter Fragebogen anlässlich der Gründung der A.P. GmbH und Mitgesellschafter ein. Seither wurde beim Finanzamt für diese "Mitunternehmerschaft" ein Gewinnfeststellungsakt geführt.

In den für die Streitjahre eingereichten Erklärungen der Einkünfte von Personengesellschaften wurden folgende Verluste (jeweils in Schilling) ausgewiesen:

Jahr

Einkünfte (Verluste)

gesamt

Anteil Felix G. GmbH

(50 %)

Anteil Peter B.

(40 %)

1993

- 4,791.964,--

- 2,395.982,--

- 1,916.786,--

1994

- 4,305.011,--

- 2,152.506,--

- 1,722.004,--

1995

- 1,027.173,--

- 513.587,--

- 410.869,--

1996

- 650.838,--

- 325.419,--

- 260.335,--

1997

- 2,535.324,--

- 1,267.662,--

- 1,014.130,--

    

Die diesbezüglichen Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO

ergingen erklärungsgemäß.

3. Anlässlich einer die Jahre 1993 bis 1996 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung traf der Prüfer im Bericht vom 23. November 1999 u.a. folgende Feststellungen:

"1. Zum Zeitpunkt der Gründung der (A.P. GmbH) wurde im Gesellschaftsvertrag der Unternehmensgegenstand statuiert und auch so zum Handelsregister angemeldet. Zum Zwecke der Umsetzung

dieses Unternehmensgegenstandes ... wurden in der Anfangsphase

diverse Maßnahmen zur Finanzierungsplanung ergriffen. Dazu wurde im Zuge der jetzigen BP eine 24 Seiten umfassende 'Rentabilitätsprüfung ... 1980 05 28 - (Wolfgang A. - Mag. Ernst H.)' vorgelegt, in welcher ein insgesamter Kapitalbedarf von ATS 21 Mio. und eine diesbezügliche Kapitalaufbringung in Form von Eigenkapital ATS 5 Mio. und Fremdkapital ATS 16 Mio. mit einer Laufzeit von bis zu 15 Jahren

veranschlagt wurden ... Hierauf erfolgte sodann die tatsächliche

Finanzierung mittels

7. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde darüber erwogen:

a) Zur Frage des Vorliegens einer steuerlichen Mitunternehmerschaft:

Die Beschwerdeführerin hat sich mit Vertrag vom 18. Dezember 1979 mit einem Kapital von S 3 Mio. (das 1981 auf S 5 Mio. aufgestockt wurde) an der A.P. GmbH als echte stille Gesellschafterin beteiligt. Diese Beteiligung war für sie bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 1990 unkündbar. Mit Vertrag vom 14. Dezember 1988 wurde die Beteiligung in eine atypisch stille Beteiligung umgeändert. In der Folge fanden für die Mitunternehmerschaft zunächst Feststellungsverfahren statt.

Eine unechte stille Gesellschaft liegt vor, wenn der stille Gesellschafter gesellschaftsrechtlich so gestellt wird, als wäre er Kommanditist. Es muss also im Innenverhältnis insbesondere vereinbart sein, dass der stille Gesellschafter an den stillen Reserven und am Firmenwert beteiligt ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 2004, 2004/15/0126, und vom 24. Juni 2010, 2007/15/0063).

Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern werden an jenen Kriterien gemessen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt wurden. Die Vereinbarung muss demnach nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren und eindeutigen Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden. Für Verträge, die zwischen Gesellschaften abgeschlossen werden, die von der gleichen Person vertreten oder wirtschaftlich dominiert werden, sind wegen des in solchen Fällen typischerweise zu besorgenden Wegfalls der sonst bei Vertragsabschlüssen zu unterstellenden Interessengegensätze aus dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die gleichen Anforderungen zu erheben (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1986, 83/13/0109,0139, vom 10. Juli 1996, 94/15/0114, vom 25. Juni 1997, 94/15/0118, vom 2. Februar 2000, 97/13/0199, und vom 23. März 2000, 97/15/0201).

Die belangte Behörde hat die behauptete Änderung der Vereinbarung über die stille Gesellschaft, auf Grund derer eine "unechte" stille Gesellschaft habe entstehen sollen, u.a. unter Berücksichtigung dieser sogenannten Angehörigenjudikatur nicht anerkannt und sich nach Übernahme der Feststellungen im Betriebsprüfungsverfahren mit den dagegen erhobenen einzelnen Berufungseinwänden eingehend auseinander gesetzt. In den Beschwerden wird diesen Ausführungen entgegen gesetzt, der stille Gesellschafter sei durch die Vertragsänderung am 14. Dezember 1988 besser gestellt worden als vorher, dies umso mehr, als die ursprüngliche Kapitaleinlage bereits durch Verlustzuweisungen aufgezehrt war. Der stille Gesellschafter habe durch die Vertragsänderung nur gewinnen können.

Mit diesem Vorbringen wird keine Fremdüblichkeit dieser Vertragsgestaltung dargetan, sondern vielmehr die bereits vom Finanzamt dargestellte Fremdunüblichkeit dieser Vertragsgestaltung bestätigt. Der Prüfer hat darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin auf eine Kündigung ihrer stillen Beteiligung bis zu Beginn des Wirtschaftsjahres 1990 verzichtet habe. Ein Grund für die A.P. GmbH, dieses typisch stille Gesellschaftsverhältnis zu verändern, wird in der Beschwerde nicht mehr behauptet. Die Beschwerde verweist ausschließlich wiederholt auf die Vorteile des stillen Gesellschafters durch die Umänderung der bestehenden Vereinbarungen mit Vertrag per 14. Dezember 1988. Gibt es aber keinen sachlichen Grund für die A.P. GmbH, den Vertrag über die stille Gesellschaft abzuändern, dann kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass die A.P. GmbH dieser Vertragsänderung nur deswegen zugestimmt habe, weil die stillen Gesellschafter zu ihr in einem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis stehen. Eine solche Besserstellung wäre gesellschaftsfremden Beteiligten nicht eingeräumt worden. Darin liegt der Grund für die zutreffende Annahme der Fremdunüblichkeit durch die belangte Behörde. Ihr Ausspruch über die Nichtfeststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für die Zeiträume 1993 bis 1997 und 1999 bis 2001 ist daher nicht rechtswidrig.

b) Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für den Zeitraum 1993 bis 1997:

Die belangte Behörde hat durch die Übernahme der Feststellungen im Prüfungsverfahren die Fremdunüblichkeit des Vertrages vom 14. Dezember 1988 u.a. darauf gestützt, dass zu diesem Zeitpunkt die Vermögenseinlage der Beschwerdeführerin als stille Gesellschafterin zur Gänze aufgebraucht und verloren und darüber hinaus "negativlastig" gewesen sei. Auch die belangte Behörde hat diese Umstände - wie bereits das Finanzamt - als neu hervorgekommene Tatsachen bewertet. Dass diese Umstände dem Finanzamt bereits im Zuge der wiederaufzunehmenden Verfahren bekannt gewesen wären, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Da aber eben diese Umstände zu einer anderen rechtlichen Beurteilung als in den wiederaufzunehmenden Verfahren führten, ist die belangte Behörde zutreffend von einem Neuhervorkommen von Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO ausgegangen. Sohin erweist sich die Beschwerde auch hinsichtlich der verfügten Wiederaufnahme als unbegründet.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 14. Oktober 2010

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