VwGH 2007/15/0310

VwGH2007/15/031022.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der A GmbH in L, vertreten durch Dr. Sepp Manhart und Dr. Meinrad Einsle, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Römerstraße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 20. November 2007, Zl. RV/0146-F/06, betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für Oktober 2005, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1994 §6 Abs1 Z3 lita sublitbb;
UStG 1994 §6 Abs1 Z3 lita sublitbb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin übernimmt die Umsatzsteuerrückerstattung bei Touristenexporten. Sie schließt mit inländischen Handelsbetrieben Verträge über die Abwicklung der Mehrwertsteuerrückvergütung an deren ausländische Kunden ab. Beim angewendeten System (Standard-Sale) erhält der ausländische Kunde beim Kauf von Waren vom inländischen Händler ein dem Formular Lager-Nr. U34 entsprechendes Formblatt der Beschwerdeführerin. Auf diesem Formblatt wird von den Zollbehörden die Ausfuhr bestätigt. Dieser Ausfuhrnachweis wird der Beschwerdeführerin an ihren Schaltern an Grenzübergängen oder Flughäfen übergeben oder mittels Post übersendet. Die Beschwerdeführerin zahlt an den ausländischen Kunden den Umsatzsteuerbetrag abzüglich eines Provisionsanteiles. Der inländische Händler zahlt an die Beschwerdeführerin den Umsatzsteuerbetrag.

Im Zuge einer Außenprüfung im Dezember 2005 kam der Prüfer zum Ergebnis, dass der von der Beschwerdeführerin erzielte Provisionserlös dem Umsatzsteuergesetz unterliege, der Steuersatz betrage 20 %.

In der Berufung gegen den den Feststellungen des Prüfers folgenden erstinstanzlichen Bescheid führte die Beschwerdeführerin - ergänzend zum eingangs dargestellten Sachverhalt - aus, es komme zwischen ihr und dem Händler zu einem Leistungsaustausch. Der Umstand, dass der ausländische Kunde die Provision an die Beschwerdeführerin bezahle, spreche nicht dagegen, weil der Geldfluss zwischen der Beschwerdeführerin und dem ausländischen Kunden kein Indiz für einen diesem Vorgang zu Grunde liegenden Leistungsaustausch darstelle. Es finde einerseits ein Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und dem Händler und andererseits ein weiterer Leistungsaustausch zwischen dem Händler und dem ausländischen Kunden statt. Der Händler sage dem ausländischen Kunden die Mehrwertsteuerrückvergütung zu. Für die Ausführung der Mehrwertsteuerrückvergütung bediene sich der Händler der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin erbringe gegenüber dem inländischen Händler Leistungen und zwar die Übernahme administrativer Tätigkeiten sowie der Mehrwertsteuerrückvergütung an den ausländischen Kunden, die EDVunterstützte Ausfüllmöglichkeit der Export-Papiere, die Erleichterung in der Buchhaltung durch die Reduktion auf einen Zahlungsvorgang pro Monat, die Erleichterung der Mehrwertsteuerrückvergütung als wettbewerbstechnisches Argument und die Übernahme der Verantwortung für die verwaltungstechnische Richtigkeit.

Selbst wenn ein Leistungsaustausch zwischen dem ausländischen Kunden und der Beschwerdeführerin anzunehmen wäre, handle es sich um eine steuerfreie sonstige Leistung gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 lit. a sublit. bb UStG 1994, die sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehe.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, die Beschwerdeführerin verpflichte sich in ihren Verträgen mit den Händlern über die Abwicklung der Mehrwertsteuerrückvergütung bei Touristenexporten zur Refundierung der vom Kunden an den Händler bezahlten Umsatzsteuer im eigenen Namen jedoch auf Rechnung des Händlers. Der Händler verpflichte sich, die von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellten Rückerstattungsformulare vollständig und richtig auszufüllen und den Verkaufsbeleg am Formular der Beschwerdeführerin anzubringen. Der Händler sei verhalten, die Kunden über die Angebote der Beschwerdeführerin zu informieren und ihnen entsprechendes Informationsmaterial auszuhändigen. In rechtlicher Hinsicht finde somit der die streitgegenständlichen Provisionen betreffende Leistungsaustausch zwischen dem ausländischen Kunden und der Beschwerdeführerin statt. Der ausländische Kunde entscheide selbst unmittelbar nach dem getätigten Umsatz darüber, ob er sich die Mehrwertsteuer direkt vom Händler auszahlen lasse (kein Provisionsaufwand), ob er die Leistung der Beschwerdeführerin in Anspruch nehme oder ob er auf die Rückerstattung der Mehrwertsteuer verzichte. Entscheide sich der Kunde dafür, die Leistung der Beschwerdeführerin anzunehmen, sei ihm bewusst, dass er dafür ein Entgelt leisten müsse. Die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z. 3 lit. a sublit. bb UStG 1994 komme nicht zum Tragen. Diese Bestimmung beziehe sich unmittelbar auf den Gegenstand der Ausfuhr. Bei den von der Beschwerdeführerin angebotenen Dienstleistungen, Rückerstattung der Mehrwertsteuer für den Drittlandskunden, sei dies jedoch nicht der Fall.

Im Vorlageantrag führte die Beschwerdeführerin aus, das Finanzamt übersehe bei ihrer rechtlichen Beurteilung einen ganz wesentlichen Vorteil des Händlers. Es gehe für den Händler ganz entscheidend darum, dass das Verfahren der Mehrwertsteuerrückvergütung an seine Kunden für ihn bedeutend vereinfacht werde. Die Verwaltung der Abwicklung der Refundierung der Umsatzsteuer bedeute einen erheblichen Aufwand in Bezug auf Formularwesen, Buchungskosten und Verantwortung. Der Händler biete daher dem ausländischen Kunden diese Möglichkeit als vorteilhaft an, dies geschehe aber mehr aus eigenem Interesse als aus Vorteilsüberlegungen für den ausländischen Kunden. Eine Vertragsbeziehung zwischen der Beschwerdeführerin und dem ausländischen Kunden gebe es nicht. Es sei dem Kunden daher auch nicht möglich, die Beschwerdeführerin bei Fehl- oder Minderleistung direkt zur Rechenschaft zu ziehen.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin handle es sich bei der Umsatzsteuer um eine Abgabe, die unmittelbar mit dem Gegenstand der Ausfuhr zusammenhänge. Nicht anders könne die Refundierung der selben Steuer gesehen werden, weil es sich auch hier um diejenige Umsatzsteuer handle, die unmittelbar mit dem Verkauf des Gegenstandes zusammenhänge. Bei der Refundierung der Umsatzsteuer für Gegenstände der Ausfuhr handle es sich um eine Nebenleistung im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 lit. a sublit. bb UStG 1994 mit der Konsequenz, dass die Leistungen der Beschwerdeführerin als steuerbefreite Umsätze im Sinne dieser Norm anzusehen seien.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei dem ausländischen Kunden gegenüber im eigenen Namen aufgetreten. Der Kunde habe sich bewusst für eine Refundierung der Umsatzsteuer über die Beschwerdeführerin und damit für die Zahlung einer Provision an diese für die Inanspruchnahme ihrer Leistung entschieden. Die Refundierung der Umsatzsteuer sei durch die Beschwerdeführerin erfolgt, entweder über speziell eingerichtete Auszahlungsstellen auf Flughäfen und Bahnhöfen oder mittels Banküberweisung, Post- oder Kreditkartenabrechnung. Die belangte Behörde teile daher die Rechtsmeinung der Abgabenbehörde erster Instanz, dass hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin erzielten Provisionserlöse ein Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und dem ausländischen Kunden vorliege. Die belangte Behörde teile nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, zwischen dem ausländischen Kunden und der Beschwerdeführerin bestehe kein Vertragsverhältnis. Abgesehen davon, dass die Information des Händlers beim Warenverkauf über das Leistungsangebot der Beschwerdeführerin bei Annahme dieser Leistung durch den Kunden als Vermittlung eines konkludenten Vertragsabschlusses angesehen werden könne, erfordere die umsatzsteuerliche Leistung keine vertragliche oder anders begründete Verpflichtung zur Leistung, sondern es genüge die tatsächliche Leistung. Somit sei es auch irrelevant, ob der ausländische Kunde die Beschwerdeführerin bei Fehl- oder Minderleistung direkt in Rechenschaft ziehen könne. Nicht entscheidend sei auch, dass der Händler Vorteile daraus ziehe, dass er sich für die Mehrwertsteuerrückerstattung der Beschwerdeführerin bediene und deshalb auch entsprechend auf den Kunden einwirke.

Die von der Beschwerdeführerin angesprochene Steuerfreiheit des § 6 Abs. 1 Z. 3 lit. a sublit. bb UStG 1994 habe Bedeutung in Fällen, in denen die "sonstige Leistung" durch einen eigenständigen Unternehmer als Hauptleistung erbracht werde. Dass es sich bei der Leistung der "Refundierung der Umsatzsteuer" durch die Beschwerdeführerin um eine solche als Hauptleistung erbrachte sonstige Leistung handle, werde nicht in Streit gestellt. Diese Leistung beziehe sich jedoch nicht unmittelbar auf den Ausfuhrgegenstand. Für eine grenzüberschreitende Beförderung sei die Abwicklung eines Mehrwertsteuerrückerstattungsverfahrens nicht erforderlich. Hinzu komme, dass nach dem Bestimmungslandprinzip die Leistungen nicht im Exportland, sondern im Bestimmungsland der Umsatzbesteuerung unterliegen sollen und deshalb eine Steuerbefreiung im Exportland erforderlich sei. Das bedeute aber, dass nur im Hinblick auf die Warenlieferung selbst und in der Regel in den Warenwert (als Bemessungsgrundlage für die Verbrauchsbesteuerung im Bestimmungsort) einfließende Nebenleistungen die Steuerbefreiung gerechtfertigt sei, nicht aber für nicht in den Warenwert Eingang findende selbständige sonstige Leistungen dritter Personen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die von der belangten Behörde im Wesentlichen nur vom Zahlungsfluss und der Zahlungsmodalität abgeleitete Fiktion eines Leistungsaustausches mit den ausländischen Kunden sei aus dem Umsatzsteuerrecht nicht ableitbar. Ein Vertrag zwischen der Beschwerdeführerin und dem ausländischen Kunden komme nicht zu Stande. Die Rückerstattung der Umsatzsteuer werde als Nebenleistung zu den Kaufverträgen nur von den inländischen Händlern geschuldet. Die Beschwerdeführerin verpflichte sich gegenüber den inländischen Händlern zur Bewerkstelligung des Zahlungsvorganges und zur Kontrolle und Aufbewahrung der Originalausfuhrbelege. Die Leistungen der Beschwerdeführerin betreffen überwiegende Interessen der inländischen Händler. Die Refundierung der Umsatzsteuer an den ausländischen Kunden durch die Beschwerdeführerin könne keinesfalls als Leistung gegenüber den ausländischen Kunden angesehen werden.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.

Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977, der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem, einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.

Eine Dienstleistung wird nur dann im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie gegen Entgelt erbracht und ist somit steuerpflichtig, wenn zwischen Leistendem und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (vgl. das Urteil des EuGH vom 3. März 1994, C-16/93 , Tolsma, Randnr. 14).

Die belangte Behörde hat sich darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin den ausländischen Kunden gegenüber auf der Grundlage eines Rechtsverhältnisses Leistungen erbracht hat. Der ausländische Kunde hat sich nach den Feststellungen entschieden, die Leistungen der Beschwerdeführerin in Anspruch zu nehmen. Die Beschwerdeführerin stand daher zu diesem in einem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung (der ausländische Kunde gibt einen Teil der Umsatzsteuer als Provision). Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahingehend beurteilt hat, dass die Beschwerdeführerin an den ausländischen Kunden Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 erbracht hat.

Die Beschwerdeführerin hält daran fest, dass diese Leistungen gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 lit. a sublit. bb UStG 1994 steuerfrei seien. Auch darin kann ihr nicht gefolgt werden. Die angesprochene Steuerbefreiung für sonstige Leistungen bezieht sich nur auf solche Leistungen, die sich unmittelbar auf die Gegenstände der Ausfuhr beziehen. Nicht befreit sind Dienstleistungen, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Warenbewegung selbst stehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juli 2000, 97/13/0229). Wenn die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, dass die Abwicklung eines Mehrwertsteuerrückerstattungsverfahrens in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Warenbewegung selbst steht, ist das nicht rechtswidrig. Für die grenzüberschreitende Beförderung der Waren ist die von der Beschwerdeführerin durchgeführte Abwicklung der Mehrwertsteuerrückvergütung nicht erforderlich. Von einer handelsüblichen Nebenleistung zur grenzüberschreitenden Beförderung kann überdies auch deswegen nicht gesprochen werden, weil die Beschwerdeführerin diese Leistung als Hauptleistung gegenüber den ausländischen Kunden erbringt.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. März 2010

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