VwGH 2007/15/0097

VwGH2007/15/009728.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der Ö GmbH in S, vertreten durch Dr. Manfred Michalek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Falkestraße 1/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 6. März 2007, Zl. RV/0410- W/06, betreffend Investitionszuwachsprämie für 2004, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §24;
EStG §108e Abs1;
EStG §108e;
BAO §24;
EStG §108e Abs1;
EStG §108e;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH machte für das Jahr 2004 eine Investitionszuwachsprämie in Höhe von EUR 379.671,80 geltend.

Dem Antrag angeschlossen war eine Rechnung vom 17. Dezember 2004, in der die antragsgegenständlichen Wirtschaftsgüter wie folgt beschrieben werden:

"gemäß unserer gemeinsamen Liefervereinbarung ..., Ihrer Bestellung vom 01.11.2004 sowie der Zusatzvereinbarung vom 15.12.2004 stellen wir Ihnen die bis 31.12.2004 versandbereiten Komponenten, bestehend aus 2 Türmen 113 m NH BFT, 2 Maschinenhäusern, 2 Rotornaben, 2 Generatoren, 2 Satz Blätter E4, Schaltschränke für 2 WEA und 2 Kompaktstationen wie folgt in Rechnung:

Gesamtpreis für o.g. Komponenten, netto Euro 3.799.075,00"

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass die beantragte Prämie nicht zu gewähren sei, weil die Beschwerdeführerin die betreffenden Wirtschaftsgüter nicht im Jahr 2004 angeschafft habe.

Die Beschwerdeführerin habe laut Liefervereinbarung mit der E GmbH vom 1. November 2004 zwei Windenergieanlagen in Auftrag gegeben. Der Lieferumfang umfasse laut der Vereinbarung die Lieferung (den Transport) der gesamten Anlage zum vereinbarten Standort (in P), die betriebsfertige Montage samt Krankosten für den Aufbau am vereinbarten Standort, die Inbetriebnahme der Anlagen samt Übergabe und Einweisung an den Betreiber sowie den Probebetrieb.

Mit der Lieferung der Anlagen sollte noch im Jahr 2004 (52. KW) begonnen werden. In den Zahlungsbedingungen sei vereinbart worden, dass 35 % bei Auftragserteilung, 17,5 % bei Anzeige der Versandbereitschaft, 17,5 % bei Aufstellung der jeweiligen Windenergieanlage, 25 % nach Inbetriebnahme der jeweiligen Windenergieanlage und 5 % bei Ende des Probebetriebes und Übernahme der Windenergieanlage, jeweils innerhalb von 30 Tagen nach Zahlungsaufforderung fällig würden.

Am 15. Dezember 2004 sei eine schriftliche Zusatzvereinbarung zur gegenständlichen Liefervereinbarung getroffen worden, worin abweichend zu den oben genannten Zahlungsbedingungen die E GmbH allfällige, vor dem 31. Dezember 2004 gelieferte Komponenten der Windenergieanlagen ihrem Wert entsprechend in Rechnung stellen dürfe.

In Folge seien vier Übergaben von Einzelkomponenten protokolliert worden: Eine Übergabe nicht näher bezeichneter "Teile der Bestellung" am 28. Dezember 2004 in Bratislava, eine Übergabe von "2 Kompaktstationen" am 29. Dezember 2004 in Ahlhorn, eine notariell beglaubigte Übergabe von "2 Schaltschränken" am selben Tag in Aurich und eine notariell beglaubigte Übergabe von "2x Maschinenbau (2x Generator, 2x Maschinenhaus, 2x Nabe)" am 30. Dezember 2004 in Magdeburg.

Bis zum Zeitpunkt der Prüfungsfeststellungen (Februar 2005) seien mangels des auch von der E GmbH herzustellenden Fundaments keine Lieferungen an den vereinbarten Standort in P und auch keine Montagearbeiten durchgeführt worden.

Da die Möglichkeit, aus den zwei Windenergieanlagen einen Nutzen zu ziehen bzw. die tatsächliche betriebliche Nutzungsmöglichkeit erst nach Montage, Probebetrieb und Abnahme der Anlagen möglich sei, liege trotz Rechnungslegung über die Einzelkomponenten bis dato keine Anschaffung gemäß § 6 EStG vor.

Diesen Prüfungsfeststellungen folgend, setzte das Finanzamt die Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2004 mit Null fest.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde unter Auseinandersetzung mit dem Begriff der "Anschaffung" ausgeführt, dass auch Teilanschaffungsvorgänge begünstigt seien und die Beschwerdeführerin diesbezüglich die Voraussetzungen einer Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG erfülle. Einen Nutzen aus dem Wirtschaftsgut zu ziehen, bedeute nicht, dass das Wirtschaftsgut auch tatsächlich in Nutzung gegangen sein müsse. Werde ein Wirtschaftsgut wirtschaftlich beherrscht, könne der daraus gezogene Nutzen mannigfaltig sein. Nachdem der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht bereits erfolgt sei (dies werde vom Finanzamt auch nicht in Zweifel gezogen), sei eine Veräußerung durch den Käufer jederzeit möglich gewesen. Ein wesentlicher Nutzen, der Hauptgrund für die Anschaffung der Anlage gewesen sei, sei das Auslaufen der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit welcher die Preise für die Abnahme elektrischer Energie aus Ökostromanlagen festgesetzt worden seien (BGBl. II Nr. 508/2003) mit Stichtag 31. Dezember 2004. Im Zuge der Genehmigung seien dafür die entsprechenden Anlagentypen und Seriennummern notwendig; damit werde neben der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein wesentlicher Nutzen aus den Anlagen gezogen (Preisgarantie und Stromabnahmegarantie).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die zwei Windenergieanlagen der Beschwerdeführerin im Jahr 2004 nicht derart zur Verfügung gestanden seien, dass die Beschwerdeführerin durch deren Einsatz einen betrieblichen Nutzen habe erzielen können. Von einer Aufnahme in den Betrieb könne nämlich erst dann die Rede sein, wenn der Betrieb über jenes Anlagegut verfüge, auf dessen Anschaffung, dem Betriebszweck entsprechend, es angekommen sei. Laut Auskünften des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin habe die E GmbH erst Ende März 2005 mit dem Bau des Fundaments für die zwei Windenergieanlagen begonnen, im März bzw. April 2005 sei die Lieferung der Anlagen an den vereinbarten Standort (in P) und mit Mai 2005 die Inbetriebnahme der Windenenergieanlagen erfolgt.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass auch Teilanschaffungskosten prämienbegünstigt seien, führte die belangte Behörde aus:

"Es ist für den unabhängigen Finanzsenat nicht nachvollziehbar und erstattet die (Beschwerdeführerin) auch kein diesbezügliches Vorbringen, welche Teilherstellungskosten bzw. Teilanschaffungskosten im gegenständlichen Jahr hätten aktiviert werden sollen und kann daher den diesbezüglichen Ausführungen für den Erfolg der Berufung nichts gewonnen werden.

Sollte die (Beschwerdeführerin) damit aber die Meinung vertreten, durch die zum Teil notariell beglaubigte Übernahme von Komponenten der zwei Windenergieanlagen, seien Teilanschaffungskosten gegeben, kann dem vom unabhängigen Finanzsenat deshalb nicht gefolgt werden, da laut festgestelltem Sachverhalt die (Beschwerdeführerin) die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der Windenergieanlagen durch den Auftragnehmer vereinbart hat und weiters der unabhängige Finanzsenat mit Hinweis auf die oben zitierte höchstgerichtliche Judikatur davon ausgeht, dass für das Vorliegen einer steuerlichen Anschaffung, das betreffende Wirtschaftsgut in den Betrieb aufgenommen worden sein muss."

Aus diesem Grund stehe die beantragte Investitionszuwachsprämie nicht zu.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 108e Abs. 1 bis 3 EStG 1988 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 133/2003 lauteten auszugsweise:

(1) Für den Investitionszuwachs bei

prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern kann eine Investitionszuwachsprämie von 10% geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt werden.

(2) Prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter sind

ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter des abnutzbaren

Anlagevermögens. (...)

(3) Der Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten

Wirtschaftsgütern ist die Differenz zwischen deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Kalenderjahre 2002, 2003 und 2004 und dem Durchschnitt der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter der letzten drei Wirtschaftsjahre, die vor dem 1. Jänner 2002 bzw. dem 1. Jänner 2003 bzw. dem 1. Jänner 2004 enden.

Dabei gilt Folgendes:

1. Erstreckt sich die Anschaffung oder Herstellung prämienbegünstigter Wirtschaftsgüter auf mehrere Jahre, sind in die Ermittlung des durchschnittlichen Investitionszuwachses die jeweils zu aktivierenden Teilbeträge der Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit einzubeziehen. Ändern sich nachträglich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, ist die Investitionszuwachsprämie im Jahr der Änderung entsprechend anzupassen. ..."

Anders als bei dem früheren Investitionsfreibetrag gemäß § 10 Abs. 7 EStG 1988 in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 101/2006 enthält die Bestimmung des § 108e EStG 1988 keine ausdrückliche Anordnung hinsichtlich der Anerkennung von Teilherstellungs- oder Teilanschaffungskosten als prämienbegünstigte Investitionen.

§ 108e Abs. 3 Z 1 EStG 1988 sieht jedoch für den Fall, dass sich die Anschaffung oder Herstellung prämienbegünstigter Wirtschaftsgüter auf mehrere Jahre erstreckt, vor, dass zur Ermittlung des "durchschnittlichen Investitionszuwachses" die jeweils zu aktivierenden Teilbeträge der Anschaffungs- und Herstellungskosten einzubeziehen sind. Teilherstellungs- und Teilanschaffungskosten erhöhen somit die Vergleichsbasis zur Berechnung des Investitionszuwachses des Jahres der Geltendmachung der Prämie (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, 2009/15/0085).

Daraus folgt, dass Teilanschaffungs- und Teilherstellungskosten auch im Prämienjahr in die Bemessungsgrundlage einfließen müssen. Würde man die entsprechenden Teilbeträge nur in die Vergleichsbasis einbeziehen, nicht jedoch in die Bemessungsgrundlage der Investitionszuwachsprämie, ergäbe sich eine Schlechterbehandlung von Anschaffungs- und Herstellungsvorgängen, die sich über mehrere Wirtschaftsjahre erstrecken im Vergleich zu denjenigen, die in einem einzigen Wirtschaftsjahr erfolgen (zur rechnerischen Darstellung vgl. Thunshirn/Untiedt, SWK 2005, S 76). Für eine derartige Ungleichbehandlung bietet der Gesetzeszweck, den jeweiligen betrieblichen Investitionszuwachs zu prämieren, keinen Anhaltspunkt. Erstreckt sich die Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes über mehrere Jahre, sind daher die jeweils zu aktivierenden Teilanschaffungs- oder Teilherstellungskosten sowohl für das Begünstigungsjahr als auch für den Vergleichszeitraum einzubeziehen (vgl. auch Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 108e Tz. 5).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im zitierten Erkenntnis vom 16. Dezember 2009 ausgeführt hat, ist es nicht entscheidend, ob durch einen Investitionszuwachs der Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang eines prämienbegünstigten Wirtschaftsgutes bereits abgeschlossen wird oder nicht. Das Abstellen auf die AfA in § 108e Abs. 1 EStG 1988 bedeutet nicht, dass diese bereits im Jahr, für welches die Prämie geltend gemacht wird, gewinnmindernd berücksichtigt sein muss; es reicht aus, wenn die Absetzung beim Steuerpflichtigen in einem Folgejahr erfolgt.

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin die im Jahr 2004 in Rechnung gestellten Teilkomponenten in der Bilanz zum 31. Dezember 2004 als Teil des Anlagevermögens aktiviert.

Für die Berechnung der Bemessungsgrundlage ist der Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung entscheidend. Ein Wirtschaftsgut ist angeschafft, wenn das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist.

Eine Anschaffung kann sich auch in Form von Teillieferungen vollziehen.

Lieferungen (auch Teillieferungen) sind grundsätzlich in dem Zeitpunkt ausgeführt, in dem dem Abnehmer die Verfügungsmacht verschafft wird. Der Gefahrenübergang ist für sich allein nicht ausschlaggebend, hat aber Bedeutung im Rahmen der übrigen Umstände; maßgebend ist, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse - beurteilt nach der Verkehrsauffassung - die Verfügungsbefugnis auf den Abnehmer übergegangen ist. Der Übergang muss sich tatsächlich vollziehen; er kann nicht lediglich abstrakt vereinbart werden. Vielmehr ist erforderlich, dass dem Leistungsempfänger tatsächlich Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes zugewendet werden. Dies verlangt, dass die wirtschaftliche Substanz des Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist. Andererseits ist es für die Annahme einer Lieferung nicht erforderlich, dass der Abnehmer von der ihm übertragenen Verfügungsbefähigung in einer bestimmten Weise, etwa durch tatsächliche Verwendung des Gegenstandes, Gebrauch macht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2002, 2000/13/0095).

Dass die streitgegenständlichen Wirtschaftsgüter nicht physisch in den Betrieb der Beschwerdeführerin nach P verbracht wurden, schließt - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - das Vorliegen von Teillieferungen nach dem Gesagten nicht aus.

Dadurch, dass sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage (nur) mit der Frage der Anschaffung einer gesamten, der Liefervereinbarung entsprechenden Windenergieanlage auseinander gesetzt hat und dabei die Möglichkeit der Geltendmachung einer Investitionszuwachsprämie für Teilanschaffungskosten bei Vorliegen von Teillieferungen außer Acht gelassen hat, belastete sie den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 28. Oktober 2010

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