VwGH 2006/04/0139

VwGH2006/04/01391.7.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH in Y, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 27. Juni 2006, Zl. N/0038-BVA/04/2006-28, betreffend Abweisung eines Nachprüfungsantrages (mitbeteiligte Partei:

Berufsförderungsinstitut Wien, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 9/6), zu Recht erkannt:

Normen

BVergG §129;
BVergG §248;
BVergG §320;
BVergG §78;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BVergG §129;
BVergG §248;
BVergG §320;
BVergG §78;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Antrag auf Nichtigerklärung und auf Ersatz der Kosten abweist, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei hat im März 2006 im Amtsblatt der Wiener Zeitung die "Klimatisierung Innstraße" öffentlich ausgeschrieben. Nach dem aktenkundigen Leistungsverzeichnis sind Anlagen für die Klimatisierung näher bezeichneter (Büro‑)Räumlichkeiten zu liefern, wobei zum Leistungsumfang u.a. (Position 3.1.2.f.) auch die Gerätemontage, die Verlegung und der Anschluss der Kältemittel-, Elektro-, Steuer- und Tauwasserleitungen, die "E-Verbindungsleitungen intern (Fernbedienung?)", die Inbetriebnahme der Geräte sowie (bezüglich bestehender Geräte) die Demontage, der Abtransport und die Entsorgung gehört.

Im Leistungsverzeichnis heißt es sodann:

"Position 3.1.5.

Bauseitige Leistungen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unstrittig ist seitens der Beschwerdeführerin, dass die mitbeteiligte Partei ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 3 BVergG 2006 ist. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass ihr Angebot ausschreibungswidrig gewesen sei: Das Angebot der Beschwerdeführerin beinhalte nämlich sehr wohl die Lieferung, die komplette Montage und die Inbetriebnahme der Klimageräte. Lediglich die externen Elektrozuleitungen, der Blitzschutz sowie die Verputzarbeiten seien vom Angebot der Beschwerdeführerin nicht erfasst, weil diese Arbeiten in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich als "bauseitige Leistungen" bezeichnet seien. Wenn die belangte Behörde meine, dass auch diese Leistungen hätten angeboten werden müssen, so verkenne sie den in der Ausschreibung verwendeten Begriff der "bauseitigen Leistungen". Sowohl nach dem allgemeinen als auch nach dem branchen- und fachspezifischen Sprachgebrauch sei damit zum Ausdruck gebracht, dass diese Leistungen vom Auftrag ausgenommen und daher nicht anzubieten seien. Die Bedeutung des Begriffes "bauseitige Leistungen" habe die Beschwerdeführerin schon im Nachprüfungsverfahren vorgebracht und beantragt, diesbezüglich einen Sachverständigen zu befragen.

In der Gegenschrift bekräftigt die belangte Behörde ihren Standpunkt, die mitbeteiligte Auftraggeberin habe die Leistungen, die sie unter Position 3.1.5. als "bauseitig" bezeichnet habe, nicht aus dem Leistungsverzeichnis ausgenommen. Voraussetzung für ein ausschreibungskonformes Angebot der Beschwerdeführerin wäre daher gewesen, dass dieses auch die "bauseitigen Leistungen", insbesondere die bauseitigen Elektrozuleitungen für die Außenanlagen, enthalte.

Nach dem Gesagten ist im Beschwerdefall ausschließlich strittig, ob Bieter nach dem Leistungsverzeichnis der mitbeteiligten Auftraggeberein auch die als "bauseitige Leistungen" bezeichneten Arbeiten anzubieten hatten, darunter die elektrischen Zuleitungen für die Außengeräte.

Dagegen spricht zunächst schon die Gliederung des gegenständlichen Leistungsverzeichnisses, weil es einerseits in Punkt 3.1.2. die "Leistungen" (wie insbesondere die Gerätemontage und die Verlegung und den Anschluss verschiedener Leitungen) aufzählt und andererseits (nachdem die folgenden Positionen die verlangte Inbetriebnahme und die Demontage beschreiben) unter Position 3.1.5 die genannten "bauseitigen Leistungen" aufzählt. Schon diese Systematik zeigt, dass der Auftraggeber eine Unterscheidung zwischen den (vom Bieter bzw. Zuschlagsempfänger) zu erbringenden Leistungen und "bauseitigen Leistungen" vornehmen wollte. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die "Elektrozuleitungen" - also offenbar die im Gebäudekomplex bis zum Klimagerät zu verlegenden Leitungen - unter bauseitige Leistungen fallen (was dafür spricht, dass diese Elektrozuleitungen - ungeachtet der Nennung im Leistungsverzeichnis - nicht vom Lieferanten der Klimageräte herzustellen sind) und lediglich die Verlegung und der Anschluss (u.a.) der Kältemittel-, Elektro- und der internen Verbindungsleitungen als "Leistungen" des Bieters (Pos. 3.1.2.) bezeichnet sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen im Erkenntnis vom 19. November 2008, Zl. 2007/04/0018, mwH, ausgeführt, dass Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind. Dem Ausdruck "bauseitig" im Zusammenhang mit zu erbringenden Leistungen kommt im Regelfall der Erklärungswert zu, dass die Leistungen nicht vom Bieter sondern vom Auftraggeber bzw. Bauherrn erbracht werden (vgl. in diesem Zusammenhang die Urteile des Obersten Gerichtshofes vom 20. Dezember 2000, Zl. 3 Ob 82/99a, sowie - unter Bezugnahme der Verwendung des Begriffes "bauseitig" in einer ÖNORM - vom 17. Mai 2001, Zl. 7 Ob 110/01d).

Sofern die belangte Behörde aber davon ausging, dass dem Begriff "bauseitig" speziell vor dem Hintergrund der gegenständlichen Leistungen ein anderer Erklärungswert zukomme, so wäre sie angesichts des entgegen stehenden Vorbringens der Beschwerdeführerin gehalten gewesen, diese Frage mithilfe eines Sachverständigen aus dem konkreten Fachgebiet (Klimaanlagen) zu klären.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatz 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 1. Juli 2010

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