Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 18. Jänner 1994 unter Angabe seiner Wohnadresse in 1150 Wien, P. Gasse, einen Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt hat. Im Zuge einer nachfolgenden Ladung in dieser Angelegenheit vom 22. Februar 1994 teilte seine Ehefrau der Erstbehörde am 24. Februar 1994 mit, dass er sich im Gefängnis "Landesgericht 1. Wien" befinde. Dem Inhalt einer "Aufforderung zur Stellungnahme" an den Beschwerdeführer durch den Landeshauptmann von Wien vom 20. Oktober 2003 zufolge sei diese Behörde von der Ehefrau des Beschwerdeführers am 13. Juni 1994 davon in Kenntnis gesetzt worden, dass er nach China verzogen sei und nicht mehr nach Österreich zurückkommen werde. Einer von dieser Behörde am 13. Juni 2004 eingeholten Meldeauskunft der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. Juni 1994 zufolge hat der Beschwerdeführer vom 21. Dezember 1990 bis zum 3. Februar 1994 an der genannten Adresse in Wien 15, P. Gasse, gewohnt. Vom 3. Februar bis zum 25. Februar 1994 war er in der Justizanstalt Wien Josefstadt gemeldet. Für die Zeit danach liegen keine weiteren Meldungen vor.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Juni 1994 wurde der genannte Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, dass für die Geltungsdauer der Bewilligung eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nicht gesichert sei. Der Beschwerdeführer habe als ordentlichen Wohnsitz zwar die Anschrift 1150 Wien, P. Gasse, angegeben, er sei jedoch nach dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nunmehr unbekannten Aufenthaltes. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG am 28. Juni 1994 durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch zugestellt.
2. Am 7. Oktober 2003 beantragte der Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Wien die (neuerliche) Zustellung des Bescheides vom 21. Juni 1994. Er brachte vor, er habe Österreich aus privaten Gründen "vorübergehend" am 23. April 1994 in Richtung China verlassen. Er habe mit seiner Ehefrau vereinbart, dass sie ihn verständigen würde, sobald ein Aufenthaltstitel erteilt sei. In Telefonaten habe sie ihm wiederholt erklärt, es sei noch kein Aufenthaltstitel erteilt worden. In der Folge habe sie ihn eigenmächtig abgemeldet und der Aufenthaltsbehörde vorgetäuscht, dass er keinen Wohnsitz in Österreich mehr habe. Der Bescheid vom 21. Juni 1994 sei ihm nie zugestellt worden.
3. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 27. September 2004 wurde der genannte Antrag gemäß § 8 ZustellG abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe Österreich am 23. April 1994 aus privaten Gründen verlassen. Mit seiner Ausreise nach China habe sich seine Abgabestelle geändert. Dies hätte er der Behörde unverzüglich bekannt geben müssen, und zwar unabhängig davon, dass ihm - den Angaben seines Rechtsvertreters zufolge - seine damalige Ehefrau mitgeteilt habe, es wäre noch kein Bescheid gekommen. Da keine Angaben zur neuen Abgabestelle des Beschwerdeführers vorhanden gewesen seien und diese auch nicht ohne Schwierigkeiten habe festgestellt werden können, sei die Zustellung des Bescheides vom 21. Juni 1994 am 28. Juni 1994 durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch erfolgt.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die §§ 4, 8 und 17 Abs. 1 und 3 Zustellgesetz, in der hier maßgebenden, bis zum 29. Februar 2004 geltenden Stammfassung BGBl. Nr. 200/1982, haben folgenden Wortlaut:
"§ 4. Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort."
"§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."
"§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(....)
(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
(....)"
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 und 2 ZustellG hätten bei der seinerzeitigen Zustellung des Bescheides vom 21. Juni 1994 nicht vorgelegen. Er habe seine Abgabestelle nicht aufgegeben, sondern sei lediglich "kurzfristig verreist" gewesen. Dass diese Reise in der Folge länger gedauert habe als geplant, sei für die Beurteilung der Situation im Zeitraum Juni 1994 ohne Belang. Daran ändere auch die behauptete Information der Behörde durch seine damalige Ehefrau vom 13. Juni 1994 nichts.
2.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die "bisherige Abgabestelle" iSd § 8 Abs. 1 ZustellG seine Wohnung in Wien 15, P. Gasse, gewesen ist. Unter einer "Wohnung" iSd § 4 ZustellG ist jene Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2003/18/0209). Der dazu erforderliche regelmäßige Aufenthalt des Empfängers in seiner Wohnung ist dabei nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerzeit subjektiv geboten haben sowie ohne Rücksicht auf die Absichten des Empfängers (vgl. Gitschthaler in Rechberger, Kommentar zur ZPO2, Rz 5 zu § 87 ZPO/§ 4 ZustellG). Die Eigenschaft eines Ortes als Abgabestelle geht verloren, wenn die Nahebeziehung des Empfängers zu ihm auf Dauer oder doch für einen so langen Zeitraum erlischt, dass nach den Gepflogenheiten des Lebens das Warten auf eine Rückkehr in angemessener Zeit nicht zumutbar ist (vgl. Gitschthaler, aaO, Rz 4).
Bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise ex post unterliegt es keinem Zweifel, dass die genannte Wohnung in Wien 15, P. Gasse, nach der Abreise des Beschwerdeführers am 23. April 1994 und ohne konkrete Aussicht auf eine Rückkehr in diese Wohnung, im Zustellzeitpunkt am 28. Juni 1994, also nach einem Zeitraum von über zwei Monaten, keine Abgabestelle im Sinn des § 4 Zustellgesetz (mehr) dargestellt hat. Darauf, dass sein Auslandsaufenthalt - wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt - länger gedauert hat als ursprünglich geplant, kommt es nach dem Gesagten nicht an.
Die belangte Behörde ist im Zustellzeitpunkt in Übereinstimmung mit den durch den Beschwerdeführer geschaffenen objektiven Gegebenheiten zutreffend davon ausgegangen (und hat im Bescheid vom 21. Juni 1994 darauf hingewiesen), dass sich die bisherige Abgabestelle des Beschwerdeführers geändert hat. Daher war sie - infolge Unterlassens einer Mitteilung iSd § 8 Abs. 1 ZustellG durch den Beschwerdeführer - gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG berechtigt, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der Landeshauptmann von Wien durch Einholung einer Meldeauskunft versucht hat, eine Abgabestelle des Beschwerdeführers ausfindig zu machen. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren zweckmäßigen und nicht mit Schwierigkeiten verbundenen Schritte er diesbezüglich sonst noch hätte unternehmen können. Die Zustellung des Bescheides vom 21. Juni 1994 durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG ist daher bereits am 28. Juni 1994 wirksam vorgenommen worden.
3. Da der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Juni 1994 bereits rechtswirksam zugestellt worden ist, hat die belangte Behörde im Instanzenzug den gegenständlichen Antrag auf neuerliche Zustellung zu Recht abgewiesen.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. Jänner 2007
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